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Zeitschrift für Humor und Kunst

Die Fischerstraße

Titel Kommerzienrat bekam. Latte er nicht
dem Stadttheater einen neuen Lauptvorhang
geschenkt? Gewiß, und was für einen präch-
tigen, originellen Vorhang, wie ihn wohl kaum
ein anderes Stadttheater hat! Denn auf diesem
Vorhang sah man nicht die herkömmlichen
Musen und sonstige mythologische Figuren,
sondern den schönen, altertümlichen Marktplatz
der Stadt, von einem bewährten Pinsel auf
die Leinwand gezaubert. Zedes Laus war
deutlich zu erkennen, besonders das große Eck-
haus, in dem sich das Bankgeschäft des Lerrn
Fiscker befand. An jedem Theaterabend sahen
hunderte von Leuten dies Bild, und mancher
dachte: „Aha, Bankgeschäft von Fischer, —
ein solides Laus." And dann ging er viel-
leicht bei nächster Gelegenheit hin und zahlte
ein Depot ein.

Aber von all diesen Wohltaten abgesehen,

— der Bankier und Kommerzienrat war ja
überhaupt der erste Mann der Stadt, die
Zierde der Gemeinde. Er war nicht nur ein
vorbildlich strebsamer Geschäftsmann, er machte
auch ein Laus und gab großartige Diners und
Soupers, zu denen der Bürgermeister und die
Stadtverordneten eingeladen wurden. Er ver-
diente es, daß eine Straße nach ihm genannt
wurde, und darum geschah es auch, und weil
in dem Adreßbuch der Stadt hinter jedem
Straßennamen angegeben war, weshalb die
Straße gerade so hieß, konnte man bei der

Fischerstraße lesen: „-genannt nach

dem verdienstvollen Ehrenbürger unserer Stadt,
Kommerzienrat Fischer."-

Lerr Fischer hatte sich, als die Fischer-
straße entstanden war, dort ein neues Laus
bauen lassen. Ein großartiges Laus war das,
geradezu eine Sehenswürdigkeit der Stadt.

Fremden wurde immer empfohlen, es sich anzu-
sehn, — natürlich nur von außen, hinein durfte man nicht so
ohne weiteres, das hätte der Besitzer nicht gerne gesehn, das
hätte er auch gar nicht erlaubt. Eines Tages aber gingen
in dieses Laus doch Leute hinein, die nicht hätten hinaus-
geworfen werden können; fie kamen nicht aus eigenem
Antriebe, sie waren geschickt worden, und zwar vom Staats°
anwalt. Lerr Fischer hatte indessen keine Gelegenheit, das
Unangenehme dieses aufdrin^ichen Besuchs zu empfinden;
er war nicht zu Lause, er war plötzlich verreist, und es war
außerordentlich unbestimmt, wann er wieder kommen würde,
so ungeheuer unbestimmt, daß man die Möglichkeit eines,
wenigstens freiwilligen Zurückkommens besier gar nicht in
Rechnung stellte.

Katastrophe in der freundlichen und betriebsamen
Mittelstadt! Lände wurden über aufgeregten Köpfen zu
sammengeschlagen. „Wer hätte das gedacht! Etwa Sie?"

— „Keine Spur, — ich verliere ja auch zehntausend Mark."

— „Seien Sie froh, — bei mir sind's zwanzigtausend. Ist
denn gar nichts mehr da?" — „Nicht die Bohne! Sogar
die Effektendepots sind futsch. Der infame Lund!" — „Ob
sie ihn kriegen werden?" — „Na, hoffentlich, — ins Zucht-
haus muß er." — „And nach so einem Lumpen haben wir
eine Straße genannt, — das ist schon ein schöner Reinfall!"

Ia, es war peinlich, ekelhaft peinlich. Bürgermeister
Dr. Störmer, der damals, freilich aus einer allgemeinen

Verplappert Tante: „Möchtest du auch, daß ich noch

nicht abreise, Fritzchen? Der Max hat ge-
sagt, ich soll noch einige Tage hierbleiben!"
— „Ia, dafür hat er auch schon seine Keile von Papa gekriegt!"

Stimmung heraus, die Benennung der Straße angeregt
hatte, war sebr unglücklich, und zum ersten Mal kam ihm
der Gedanke, das amerikanische System, Straßen einfach zu
numerieren, hätte doch auch manche Vorzüae. Denn wenn die
Fischerstraße jetzt einfach 40. oder 50. Straße geheißen hätte,

— o, da hätte man sich freuen können. Was aber sollte
nun geschehn? Sollte man einfach die Straßenlchilder ab-
reißen und der Straße einen neuen Namen geben? Anter
den Stadtverordneten sprach man darüber. Einige Stimmen
waren dafür, andere, und zwar die Mehrzahl, aber dagegen.
Diese meinten: „Das würde ja die Sache noch schlimmer
machen. Dann würde ja die Gesckichte in alle Zeitungen
kommen, und alle Welt würde über uns lachen. Aeberhaupt,

— warten wir doch erst ab, bis der Fischer sestgenommen
ist, und auf wie lange er darauf eingesperrt wird." —

Lllso wartete man. Alle jene Leute, die durch Fischer
Geld verloren hatten, und das waren viele, warteten sogar
fieberhaft. Aber der lange Arm des Staatsanwalts, der
suchend auf dem ganzen Globus herumtastete, griff ins
Leere, — er hekam den Fischer nicht zu packen. Ein neues
Adreßbuch der freundlichen und betriebsamen Mittelstadt
erschien. Bei der Fischerstraße stand jetzt als verschämte
Abschwächung zu lesen: „— — — genannt nach einem
früheren Einwohner der Stadt."

Ein früherer Einwohner der Stadt. Ia, aber wo
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