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Zeitschrift für Humor uud Kunst

Der zähe Engländer

in ein schwaches Gelb schimmernden Anzug gekleidet
war und einen Panama trug von köstlicher Zartheit.

Ein geradezu jungfräulicher Panama war das; wahr-
scheinlich hatte er ihn erst vor kurzem erftanden.

Man kann in Italien ausgezeichnete Panamahüte
kaufen und braucht selten mehr als die Äälfte über
den Wert zu bezahlen.

Abfahrt. Den ganzen Zug entlang hörte man
das Klappen der in die Äöhe gezogenen Fenster.

Nach zwei Minuten mußte der erste Tunnel kommen.

Der dauert gleich sieben Minuten, damit man von
vornherein weiß, was man von der Fahrt zu er-
warten hat. Amgekehrt, von Genua aus ist es ge°
rade so, der erste Tunnel gleich hinter dem Laupt-
bahnhof von Genua bereitet auch kräftig auf das vor,
was man zu erleben hat, und das ift nun wieder von
den Ingenieuren ganz anständig eingerichtet. Der
junge Engländer beugte sich gegen das offene Fenster
und schnob mit Behagen den frischen Lustzug der
Fahrt in sich hinein. Das ist einmal eine rechte Er>
quickung bei der greulichen Lihe! mochte er denken,

Doch nun half es nichts; ich schickte mich an, das
Fenster — das andere war es schon — zu schließen.

Der Engländer sah auf, etwas verwundert. Er
schüttelte den Kopf und legte eine derbe Land auf
das Fenster. „I^6LV6 td6 vänäo^ oxeu!" sagte er ge-
lassen, aber durchaus bestimmt. So, — also das
Fenster sollte ich offen laffen. Es war klar: Der Mann
kannte diese ganz besonders geartete Eisenbahn-
strecke noch nicht. Ich versuchte, zu unterhandeln,
und fragte, die Land noch am Fenstergriff, in
seiner und Shakespeares Sprache: „Sie kennen wohl diese
Linie nicht?" Er gab fich aber nicht die Mühe, einen
Zusammenhang zwischen dieser Frage und meiner Abstcht,

Glückliche Aussicht

— „Noch ein ganzer dritter Akt
. . . wie bin ich heute froh,
daß Tristan so langsam stirbt."

— „So ist's recht, jetzt stellen s' da-
heim auch schon Scheinbatterien auf."

das Fenster zu schließen, zu suchen. Er antwortete gar
nicht einmal, sondern legte die Land nur fester auf das
Fenster. „Ich will, daß dies Fenster offen bleibt!" sagte
er und der angeborene Ausdruck der Entschlossenheit ver-
stärkte sich, — denn jeht schien Entschloffenheit vielleicht
nötig zu sein.

Ich ließ den Fenstergriff los. „Also gut; dann werden
Sie das Fenster schon selbst schließen." — Er reckte sich
und sah mich starr erstaunt an. Es war ihm anzusehn,
daß er dachte: „Was für merkwürdige Menschen man
doch unterwegs trifft!" Dann kam die kurze, aber alles
erschöpfende Antwort: „Ao!" — und in diesem Nein lagen
ganze Schwüre: Nie und nimmer werde ich das Fenster
schließen! — In alle Ewigkeit wird man das nicht erleben!

— Lriti^b. nsvor 8ba1I 1)6 8lav68 — und so Weiter.

Da klang das Nollen des Zuges auf einmal dumpfer,

— er fuhr in den Tunnel ein. Ich suchte Zuflucht auf der
andern, etwas mehr gesicherten Seite, und dann wurde es
dunkel, und mit ordentlichem Zischen stürzte der stinkende
Qualm zum offenen Fenster herein. Ich hörte ihn husten;
die volle Ladung hatte ihn unvorbereitet getroffen. Ein
Brummen, wie von einem unterdrückten Fluch, kam hinter-
drein, aber dann blieb alles still in der von greulichen
Schwaden durchzogenen Nacht des Tunnels. Die sieben
Minuten schienen reichlich lang. Endlich dämmerte es.
Ah, — da saß er, ein wenig zusammengekrümmt, und wischte
stch die Augen. Aber gleich reckte er sich wieder auf. Nun,
so schlimm war das doch nicht gewesen! Dann lächelte er
ein bißchen überlegen vor sich hin. Ietzt verstand er. Also
so war das gemeint gewesen. And deöhalb hatte er seine
einmal ausgesprochene Anordnung zurücknehmen und wo-
möglich gar selbst das Fenster schließen sollen? Lächerlicher
Gedanke!
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