Zeitschrift sür Humor und Kunst
Der Limonadenverein
Eine Geschichte von Schuljungen. Von Rlchard Nieß
Bei dieser Oster-Bersetzung waren alle
Iungen des Lauses Gartenstraße 349 sitzen-
geblieben. Alle: die beiden Schubertbuben
im Erdgeschoffe, alle drei Matzkekinder, aus
dem zweiten Stock Kopp Allu, der Sextaner
genau wie sein Bruder Lerbert, der nach
Antertertia kommen sollte, und schließlich auch
Max Wollheim, der Kaufmannssohn aus der
dritten Etage. Düstere Stimmung herrschte
im ganzen Lause. Die Väter hatten sich zwar
nach Erledigung einer sehr schlagenden Päda-
gogik, wieder begütigt, aber die Mütter, die
Mütter.... die kamen darüber nicht hinweg.
Iede, eben noch stolz im Bewußtsein, daß ihre
Sprößlinge jede Konkurrenz an Begabtheit
und Fleiß weit hinter sich ließen, mußte nun
bittere Zugeständnisse machen.
Angemütlich war's.
„Ich schäme mir die Augen aus dem
Kopfe," sagte Frau Schubert.
„Ich traue mich überhaupt nicht mehr
über die Stiege," Frau Matzke.
„Ich will euch nicht sehen. Naus!" Frau
Kopp.
Am mildesten war noch Frau
Wollheim, die nach dem ersten
Sturme meinte:
„Besser sitzengeblieben, als
ein Bein verloren." And Lerr
Iulius, ihr Gatte, konnte sich
dieser Nechnung nicht ver-
schließen.
So war es nur natürlich,
daß Maxe Wollheim als erster
seinen Äumor und seinen Anter-
nehmungsgeist wiederfand. Ec
pfiff vom Balkon den Garten-
straße 349 er Pfiff in den Lof
hinunter, und alsbald kamen,
aus allen Fenstern, die Buben-
köpfe zum Vorschein.
„Feines Wetter heut!" schrie
Maxe.
Sehr melancholisch klangen
die Bestätigungen.
„Kommt ihr nicht in den
Garten?"
Matzkes: „Wir dürfen nicht."
Kopps: „Mama hat uns ein-
gesperrt."
Die Schubert-Iungen sagen
überhaupt nichts.
Da erschien, ganz unerwartet,
Frau Kopp am Fenster, und
sie meinte:
„Von mir aus geht in den
Garten. Ich freu mich, wenn ich
euch mal 'ne Stunde nicht sehe!"
Indianergeheul auf der
ganzen Front. Denn Schuberts
und Matzkes bezogen die Er°
laubnis in großzügiger Weise
Naive Frage
Köchin: „Warum weinen Sie denn, Anna?-
Dienstmädchen: „Weil mir mein Bräutigam
untreu geworden ist... jetzt habe ich gar nichts
mehr auf der Welt!"
— „War das der einzige!"
Gefühl des neuen Besihes -„Ich hättenicht ge-
dacht, daß man bei so viel Pinke sich so mopsen würde."
— „Aber Olga, diese gewöhnlichen Ausdrücke mußt
du dir jetzt sparen."
- „Ach was, sparen brauchen wir überhaupt nicht mehr."
auch auf sich. Denn: Mama
ist schließlich Mama und, hier
wie dort, Obrigkeit.
Es dauerte nicht lange, da
erdröhnte das Treppenhaus.
Kopps glitscherten an der hölz-
ernen Griffstange hinunter,
Matzkes nahmen je vier Stufen
auf einmal, und Schuberts
hatten mit Glück versucht, die
kleine Erhöhung ihrer Woh-
nung mit einem einzigen elegan-
ten Satze zu nehmen.
In der Laube war große
Versammlung.
Erst schwiegen sie, dann
grinsten sie, und schließlich sagte
Wollheim:
„Lerrschaften, das war 'n
Neinfall! aber die Pauker sind
auch zu gemein! Wirklich!"
Da waren die Zungen ge
löst. Ieder warsichdarüber klar,
daß nur Angerechtigkeit und
Schadenfreude der Konferenz
zu dem traurigen Nesultat ge-
führt hatten. Ieder hatte irgend
einen Lehrer, der ihn nicht leiden
konnte, jeder hätte eigentlich
glänzend bestehen müffen! Na
ja, die Lehrer! Lerbert Kopp
sagte, man müßte eigentlich
eine Näuberbande gründen, wie
die bei Schiller. Nur schade,
daß die böhmischen Wälder so
weit seien. Denn im Scheitniger
Park sei es nicht das Richtige.
Der Limonadenverein
Eine Geschichte von Schuljungen. Von Rlchard Nieß
Bei dieser Oster-Bersetzung waren alle
Iungen des Lauses Gartenstraße 349 sitzen-
geblieben. Alle: die beiden Schubertbuben
im Erdgeschoffe, alle drei Matzkekinder, aus
dem zweiten Stock Kopp Allu, der Sextaner
genau wie sein Bruder Lerbert, der nach
Antertertia kommen sollte, und schließlich auch
Max Wollheim, der Kaufmannssohn aus der
dritten Etage. Düstere Stimmung herrschte
im ganzen Lause. Die Väter hatten sich zwar
nach Erledigung einer sehr schlagenden Päda-
gogik, wieder begütigt, aber die Mütter, die
Mütter.... die kamen darüber nicht hinweg.
Iede, eben noch stolz im Bewußtsein, daß ihre
Sprößlinge jede Konkurrenz an Begabtheit
und Fleiß weit hinter sich ließen, mußte nun
bittere Zugeständnisse machen.
Angemütlich war's.
„Ich schäme mir die Augen aus dem
Kopfe," sagte Frau Schubert.
„Ich traue mich überhaupt nicht mehr
über die Stiege," Frau Matzke.
„Ich will euch nicht sehen. Naus!" Frau
Kopp.
Am mildesten war noch Frau
Wollheim, die nach dem ersten
Sturme meinte:
„Besser sitzengeblieben, als
ein Bein verloren." And Lerr
Iulius, ihr Gatte, konnte sich
dieser Nechnung nicht ver-
schließen.
So war es nur natürlich,
daß Maxe Wollheim als erster
seinen Äumor und seinen Anter-
nehmungsgeist wiederfand. Ec
pfiff vom Balkon den Garten-
straße 349 er Pfiff in den Lof
hinunter, und alsbald kamen,
aus allen Fenstern, die Buben-
köpfe zum Vorschein.
„Feines Wetter heut!" schrie
Maxe.
Sehr melancholisch klangen
die Bestätigungen.
„Kommt ihr nicht in den
Garten?"
Matzkes: „Wir dürfen nicht."
Kopps: „Mama hat uns ein-
gesperrt."
Die Schubert-Iungen sagen
überhaupt nichts.
Da erschien, ganz unerwartet,
Frau Kopp am Fenster, und
sie meinte:
„Von mir aus geht in den
Garten. Ich freu mich, wenn ich
euch mal 'ne Stunde nicht sehe!"
Indianergeheul auf der
ganzen Front. Denn Schuberts
und Matzkes bezogen die Er°
laubnis in großzügiger Weise
Naive Frage
Köchin: „Warum weinen Sie denn, Anna?-
Dienstmädchen: „Weil mir mein Bräutigam
untreu geworden ist... jetzt habe ich gar nichts
mehr auf der Welt!"
— „War das der einzige!"
Gefühl des neuen Besihes -„Ich hättenicht ge-
dacht, daß man bei so viel Pinke sich so mopsen würde."
— „Aber Olga, diese gewöhnlichen Ausdrücke mußt
du dir jetzt sparen."
- „Ach was, sparen brauchen wir überhaupt nicht mehr."
auch auf sich. Denn: Mama
ist schließlich Mama und, hier
wie dort, Obrigkeit.
Es dauerte nicht lange, da
erdröhnte das Treppenhaus.
Kopps glitscherten an der hölz-
ernen Griffstange hinunter,
Matzkes nahmen je vier Stufen
auf einmal, und Schuberts
hatten mit Glück versucht, die
kleine Erhöhung ihrer Woh-
nung mit einem einzigen elegan-
ten Satze zu nehmen.
In der Laube war große
Versammlung.
Erst schwiegen sie, dann
grinsten sie, und schließlich sagte
Wollheim:
„Lerrschaften, das war 'n
Neinfall! aber die Pauker sind
auch zu gemein! Wirklich!"
Da waren die Zungen ge
löst. Ieder warsichdarüber klar,
daß nur Angerechtigkeit und
Schadenfreude der Konferenz
zu dem traurigen Nesultat ge-
führt hatten. Ieder hatte irgend
einen Lehrer, der ihn nicht leiden
konnte, jeder hätte eigentlich
glänzend bestehen müffen! Na
ja, die Lehrer! Lerbert Kopp
sagte, man müßte eigentlich
eine Näuberbande gründen, wie
die bei Schiller. Nur schade,
daß die böhmischen Wälder so
weit seien. Denn im Scheitniger
Park sei es nicht das Richtige.