Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, Münche«
79
Die Grenze der Zeit
Ob sie mit der Sommerzeit
einverstanden find oder nicht,
ob sie diese Einrichtung sür
einen Segen oder einen furcht-
baren Blödsinn ansehn, —
egal, die Leute in der Stadt
müssen sie mitmachen, da hilft
alles nichts.
Die Leute auf dem Lande
brauchen vieles nicht mitzu-
machen, was die Städter tun
müssen. Viele machen auch
die Sommerzeit nicht mit; in
manchen Dörfern stellen sie
überhaupt die Turmuhren gar
nicht um. Fällt ihnen gar
nicht ein! Dadurch kann man
in Verlegenheit kommen, wenn
man einmal auf dem Lande ist
und einem die Taschenuhr stehn
geblieben ist, während man
mit der Zeit rechnen muß.
So ging es mir neulich in
Ampelfing. AmzweiUhrmußte
ich auf dem Bahnhof sein, und
als ich nachsehn wollte, wie
lange ich noch Zeit hätte, fand
ich, daß meine !lhr um elf ihre
Tätigkeit eingestellt hatte. Die
Turmuhr der Kirche von Am-
pelfing zeigte gerade zwölf.
Nun war die Frage, ob ich
noch eine oder zwei Stunden
übrig hatte; das kam ganz
darauf an, ob die Turmuhr
die Sommerzeit mitmachte
oder nicht.
Ein jugendlicher Eingeborener nahte, ungefähr vierzehn
Jahre alt. „Äabt ihr neue Zeit auf eurer Kirchenuhr?" —
Aus dem Lande sagen die Leute nämlich „neue Zeit" statt
Sommerzeit. Wenn sonst von der „neuen Zeit" gesprochen
wird, meint man damit den Gegensatz zur guten alten.
Der jugendliche Eingeborene nickte. „Freilich, — wir
haben neue Zeit."
Das klang nach festem Wiffen. Aber zur Sicherheit
wollte ich die Frage doch noch einmal in anderer Art
stellen. „Also zwölf ist's. !lnd nach der Bahnhofsuhr ist
es auch nicht mehr?"
„Mehr?" Der jugendliche Eingeborene riß die Augen
unheimlich auf. „Wie soll's denn mehr sein? Bei uns
wird's nie mehr wie zwölse, — da fängt's wieder mit
eins an."
Ein Trost
Wieviele Menschenleben
bis jetzt durch den großen
Krieg vernichtet worden sind,
entzieht sich vorläufig der
Schätzung des Laien; ja sogar
die maßgebenden militärischen
Lerrschaften werden das nicht
so genau wiffen. Jmmerhin
mögen es schon eine ganze
Anzahl von Millionen sein,
und deshalb schlagen schwäch-
lich gesinnte Leute die Lände
über dem Kopf zusammen und
jammern, das wäre ein ganz
entsehliches Blutbad, solch ein
nie dagewesenes Morden wäre
eine Schande für die Mensch-
heit, und was ihnen sonst noch
einfällt.
Für solche Leute hat jetzt
ein Artikelschreiber in der
„New ZZork Sun" einen guten
Trost gefunden. Er erklärt,
daß in jedem Jahre auf die-
sem Planeten etwa vierund-
vierzig Millionen Menschen
sterben, täglich also gegen
hundertzwanzigtausend. Auf
jeden im Kampf getöteten
Soldaten kämen zweiund-
zwanzig Zivilpersonen, die
eines natürlichen Todes stür-
ben, also seien die Verluste
auf den Schlachtfeldern ver-
hältnismäßig sehr gering.
Zahlen beweisen, und so
ist es nun klar, daß jeder, der
nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung dem Tode etwas
mehr aus dem Wege gehn will, eigentlich nichts befferes
tun kann, als eine Felduniform anzuziehn und sich auch in
den Kampf zu stürzen. Für die Soldaten vollends wird das
ein rechter Trost sein. Wer die Soldaten, die ja immerhin
mancherlei Beschwerden auszustehn haben, gut zu trösten
weiß, tut ein gutes Werk. Ein gutes Werk aber muß be-
lohnt werden. Die entsprechende Belohnung für den Artikel-
schreiber der „New Hork Sun" wäre es jedenfalls, ihm seiner
so viel mehr gefährlichen Zivilstellung zu entziehn und in
einen Schützengraben der ersten Linie zu setzen. -on.
Llnzufrieden — »Ietzt bauen s' aa no die Dach-
geschosse aus zu Wohnungen — da
derfst künsti no a Stiegn höher klettern beim Betteln!"
Amerikanische Denkmalskunst
<Da das Standbild Friedrichs des Großen
vor der Kriegsschule in Washington entfernt worden
ist, die Anlage aber einmal vorhanden war, so hat der
praktische Amerikaner sie zu einem Brunnen umgewan-
delt, darstellend die amerikanisch nationale Volksseele.
wic „Serottna" suk ckem Meslsn-ierpistz in Lcritn, äcrcn
lla; hat lich cier Nleiher such nicht geäscht,
üer hunärieser, sls er mich ciamsir gemacht,
llt äreiunärwsnrig Phre nun her.
kr machte sur isupter mich ch'ch unci lchwer
llnci meinte tvahrlcheiniich: pz, äie evirci sit!
vie nimmt tür Phrhunäerte Msenthslt;
Sie vvircl suk äem IllexsnclerplLh stehn.
voch wenn äie lpstesien knkel clort gehn.
sisb'r lelbcr geäscht unci nicht geahnt.
lvsr cis; Lchicklsl mit meiner ljugenä geplsnt:
vss häite kein Menlch in öerlin überhsupt
Kewlinaz Ifbtchieä
f<olol'l'slflgur auL gekriebenem kupfer itt, kaUi ais erUes äer veriiner Tüonumenie äer i^ietaiibekckistgnsbme rum Opker.)
(lor ein paar ^abren Mr rnöglich geglaubt.
Ich, clie cloch als ^arte ^ungfrau gelchatten,
Lelange nun auch -:um vienlte äer (vaflen,
voch tröltet mich äieler: Ivit mir längt man an,
Ich gebe mit gutem keilpiel voran!
Unä äennoch: uiar cioch rvirklich lo lchön,
HIz binnbilä cler Ztaclt aut äem bockel 2u ltebn.
(vie bat mich öas bunte Lreiben gelreut,
Va8 jeäen Morgen lich trilch erneut,
var fiasten nncl ^agen uncl Laulen uncl bennen,
var meine kerliner lo meiiterbatt können.
vun muh ich von clannen. Mb, mein Kerlin
Ich lage äir äoch mit Xummer: Wieu!
Lvvar pflegt man neueräings in kerlin
var klort: Mf (vieclerfebn! vor^imebn,
voch paht clar lo recht nicht in meine tage,
6s rübrt an eine beäenkliche ?rage.
vrum lällt mir cler ^lblchieä auch gar lo schrver,
Unä wenn ich aus fellem Kupler nicht wär',
5o möchten wobl ein paar Lränen fliehen,
voch eigentlich ilt ja clie Zache -- sum bchiehen.
öeäanenkis
79
Die Grenze der Zeit
Ob sie mit der Sommerzeit
einverstanden find oder nicht,
ob sie diese Einrichtung sür
einen Segen oder einen furcht-
baren Blödsinn ansehn, —
egal, die Leute in der Stadt
müssen sie mitmachen, da hilft
alles nichts.
Die Leute auf dem Lande
brauchen vieles nicht mitzu-
machen, was die Städter tun
müssen. Viele machen auch
die Sommerzeit nicht mit; in
manchen Dörfern stellen sie
überhaupt die Turmuhren gar
nicht um. Fällt ihnen gar
nicht ein! Dadurch kann man
in Verlegenheit kommen, wenn
man einmal auf dem Lande ist
und einem die Taschenuhr stehn
geblieben ist, während man
mit der Zeit rechnen muß.
So ging es mir neulich in
Ampelfing. AmzweiUhrmußte
ich auf dem Bahnhof sein, und
als ich nachsehn wollte, wie
lange ich noch Zeit hätte, fand
ich, daß meine !lhr um elf ihre
Tätigkeit eingestellt hatte. Die
Turmuhr der Kirche von Am-
pelfing zeigte gerade zwölf.
Nun war die Frage, ob ich
noch eine oder zwei Stunden
übrig hatte; das kam ganz
darauf an, ob die Turmuhr
die Sommerzeit mitmachte
oder nicht.
Ein jugendlicher Eingeborener nahte, ungefähr vierzehn
Jahre alt. „Äabt ihr neue Zeit auf eurer Kirchenuhr?" —
Aus dem Lande sagen die Leute nämlich „neue Zeit" statt
Sommerzeit. Wenn sonst von der „neuen Zeit" gesprochen
wird, meint man damit den Gegensatz zur guten alten.
Der jugendliche Eingeborene nickte. „Freilich, — wir
haben neue Zeit."
Das klang nach festem Wiffen. Aber zur Sicherheit
wollte ich die Frage doch noch einmal in anderer Art
stellen. „Also zwölf ist's. !lnd nach der Bahnhofsuhr ist
es auch nicht mehr?"
„Mehr?" Der jugendliche Eingeborene riß die Augen
unheimlich auf. „Wie soll's denn mehr sein? Bei uns
wird's nie mehr wie zwölse, — da fängt's wieder mit
eins an."
Ein Trost
Wieviele Menschenleben
bis jetzt durch den großen
Krieg vernichtet worden sind,
entzieht sich vorläufig der
Schätzung des Laien; ja sogar
die maßgebenden militärischen
Lerrschaften werden das nicht
so genau wiffen. Jmmerhin
mögen es schon eine ganze
Anzahl von Millionen sein,
und deshalb schlagen schwäch-
lich gesinnte Leute die Lände
über dem Kopf zusammen und
jammern, das wäre ein ganz
entsehliches Blutbad, solch ein
nie dagewesenes Morden wäre
eine Schande für die Mensch-
heit, und was ihnen sonst noch
einfällt.
Für solche Leute hat jetzt
ein Artikelschreiber in der
„New ZZork Sun" einen guten
Trost gefunden. Er erklärt,
daß in jedem Jahre auf die-
sem Planeten etwa vierund-
vierzig Millionen Menschen
sterben, täglich also gegen
hundertzwanzigtausend. Auf
jeden im Kampf getöteten
Soldaten kämen zweiund-
zwanzig Zivilpersonen, die
eines natürlichen Todes stür-
ben, also seien die Verluste
auf den Schlachtfeldern ver-
hältnismäßig sehr gering.
Zahlen beweisen, und so
ist es nun klar, daß jeder, der
nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung dem Tode etwas
mehr aus dem Wege gehn will, eigentlich nichts befferes
tun kann, als eine Felduniform anzuziehn und sich auch in
den Kampf zu stürzen. Für die Soldaten vollends wird das
ein rechter Trost sein. Wer die Soldaten, die ja immerhin
mancherlei Beschwerden auszustehn haben, gut zu trösten
weiß, tut ein gutes Werk. Ein gutes Werk aber muß be-
lohnt werden. Die entsprechende Belohnung für den Artikel-
schreiber der „New Hork Sun" wäre es jedenfalls, ihm seiner
so viel mehr gefährlichen Zivilstellung zu entziehn und in
einen Schützengraben der ersten Linie zu setzen. -on.
Llnzufrieden — »Ietzt bauen s' aa no die Dach-
geschosse aus zu Wohnungen — da
derfst künsti no a Stiegn höher klettern beim Betteln!"
Amerikanische Denkmalskunst
<Da das Standbild Friedrichs des Großen
vor der Kriegsschule in Washington entfernt worden
ist, die Anlage aber einmal vorhanden war, so hat der
praktische Amerikaner sie zu einem Brunnen umgewan-
delt, darstellend die amerikanisch nationale Volksseele.
wic „Serottna" suk ckem Meslsn-ierpistz in Lcritn, äcrcn
lla; hat lich cier Nleiher such nicht geäscht,
üer hunärieser, sls er mich ciamsir gemacht,
llt äreiunärwsnrig Phre nun her.
kr machte sur isupter mich ch'ch unci lchwer
llnci meinte tvahrlcheiniich: pz, äie evirci sit!
vie nimmt tür Phrhunäerte Msenthslt;
Sie vvircl suk äem IllexsnclerplLh stehn.
voch wenn äie lpstesien knkel clort gehn.
sisb'r lelbcr geäscht unci nicht geahnt.
lvsr cis; Lchicklsl mit meiner ljugenä geplsnt:
vss häite kein Menlch in öerlin überhsupt
Kewlinaz Ifbtchieä
f<olol'l'slflgur auL gekriebenem kupfer itt, kaUi ais erUes äer veriiner Tüonumenie äer i^ietaiibekckistgnsbme rum Opker.)
(lor ein paar ^abren Mr rnöglich geglaubt.
Ich, clie cloch als ^arte ^ungfrau gelchatten,
Lelange nun auch -:um vienlte äer (vaflen,
voch tröltet mich äieler: Ivit mir längt man an,
Ich gebe mit gutem keilpiel voran!
Unä äennoch: uiar cioch rvirklich lo lchön,
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(vie bat mich öas bunte Lreiben gelreut,
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var meine kerliner lo meiiterbatt können.
vun muh ich von clannen. Mb, mein Kerlin
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voch paht clar lo recht nicht in meine tage,
6s rübrt an eine beäenkliche ?rage.
vrum lällt mir cler ^lblchieä auch gar lo schrver,
Unä wenn ich aus fellem Kupler nicht wär',
5o möchten wobl ein paar Lränen fliehen,
voch eigentlich ilt ja clie Zache -- sum bchiehen.
öeäanenkis