84 Meggendorfer-Blätter, München
Die Knochenkiste
Pfeffer
Der alte Piepenborn kam von seinem Dünnbier- und
Skatstammtisch, woraus für jeden, der Piepenborns Lebens-
gewohnheiten kennt, der Schluß sich ergibt, daß es etwa
zehn Ahr abends sein mußte. Leutzutage muß man auf
alles gefaßt sein, auch darauf, daß man noch um zehn Uhr
abendS auf der Straße angebettelt wird. Der alte Piepen-
born wunderte sich also gar nicht besonders, als ein Menscb
auf ihn zutrat, den Äut zog und um eine milde Gabe bat.
Piepenborn hatte an diesem Abend eine Mark und
zehn Pfennige im Skat gewonnen. Er beschloß, die zehn
Pfennige zu opfern, und holte sein Portemonnaie heraus.
Da aber schmiß der fremde Mensch eine Substanz von fein
pulverförmiger Beschaffenheit auf Piepenborn, worauf er
das Portemonnaie und dann die Flucht ergriff. Piepen-
born mußte, durch die Substanz in der Nase gereizt, heftig
niesen, weshalb sein Schreien um Äilfe und Ergreifen des
Attentäters sehr undeutlich herauskam. Das machte aber
nichts, denn der Kerl wäre doch nicht mehr zu kriegen gewesen.
Piepenborn ging auf die nächste Polizeiwache und trug
die Geschichte dort dem Polizeileutnant vor. Der ließ ihm
zunächst von einem Schutzmann gründlich die Vorderseite
abbürsten; der Schutzmann mußte dabei ein Blalt Papier
unterhalten, auf dem die zu dem Attentat verwendete Sub-
stanz gesammelt wurde.
„Pfeffer!" erklärte der Polizeileutnant dann. „Der
Kerl hat ein bißchen zu niedrig geworfen, und außerdem
tragen Sie eine Brille, — so haben Sie nichts in die Augen
bekommen. Pfeffer, — ja, das ist wirklich ein rätselhafter
Fall. Es ist nicht anders zu erklären, Lerr Piepenborn,
— das muß ein Wahnsinniger gewesen sein."
„Nanu," meinte Piepenborn, „rätselhaft? Ein ganz
gewöhnlicher Raub ist das, und der Kerl ist ganz vernünfttg."
„O bitte, überlegen Sie einmal genau," begann
darauf der Polizeileutnant einen Vortrag. „Eine ganz
gehörige Menge Pfeffer haben wir Jhnen abgebürstet, wie
Sie sehen; eine kleine Düte voll ist das. Richtiger Pfeffer
ist das. Entweder ist der Räuber rechtmäßig oder unrecht-
mäßig im Besitz dieses Pfeffers gewesen. Wer rechtmäßig
im Besitz von Pfeffer und vernünftig ist, wirft ihn heut-
zutage nicht weg, wenn er nicht genau weiß, was er an
Wert dafür erbeutet, und das konnte der Mann bei Ihrem
Portemonnaie doch nicht wissen. Wer unrechtmäßig Pfeffer
besitzt, hat ihn gestohlen. Wo Pfeffer zu stehlen ist, be-
finden sich zweifellos noch andere Waren von gegenwärtig
ähnlich hohem Werte. Wer also dort den Pfeffer gestohlen
hat, der hat auch noch mehr erbeutet, und also Dinge von
dermaßen hohem Wert davongetragen, daß er auf einige
Zeit hinaus im Gelde schwimmen kann. Wenn er unter
diesen Amständen einen hinsichtlich des Resultates so un-
sicheren und sehr leicht mit Zuchthaus für ihn ablaufenden
Raub untern'mnn, muß er eben übergeschnappt sein, total
verrückt."
„Ach was, davon krieg' ich mein Portemonnaie nicht
wieder," sagte Prepenborn brummig.
„Wieviel war denn darin?"
„Na, viel hab' ich ja nie bei mir. So gegen fünfzehn
Mark werden's gewesen sein. Aber das Portemonnaie
war doch auch noch etwa fünf Mark wert."
„Also zwanzig Mark zusammen." Der Lerr Polizei-
leutnant wickelte das Papier mit dem abgebürsteten Pfeffer
zu einem kleinen Päckchen zusammen und überreichte es
dem alten PLcpenborn. „Da können Sie sich aber freuen,
Lerr Piepenborn, — da haben Sie ja ein feines Gescbäft
gemacht." -on.
Die Knochenkiste
Pfeffer
Der alte Piepenborn kam von seinem Dünnbier- und
Skatstammtisch, woraus für jeden, der Piepenborns Lebens-
gewohnheiten kennt, der Schluß sich ergibt, daß es etwa
zehn Ahr abends sein mußte. Leutzutage muß man auf
alles gefaßt sein, auch darauf, daß man noch um zehn Uhr
abendS auf der Straße angebettelt wird. Der alte Piepen-
born wunderte sich also gar nicht besonders, als ein Menscb
auf ihn zutrat, den Äut zog und um eine milde Gabe bat.
Piepenborn hatte an diesem Abend eine Mark und
zehn Pfennige im Skat gewonnen. Er beschloß, die zehn
Pfennige zu opfern, und holte sein Portemonnaie heraus.
Da aber schmiß der fremde Mensch eine Substanz von fein
pulverförmiger Beschaffenheit auf Piepenborn, worauf er
das Portemonnaie und dann die Flucht ergriff. Piepen-
born mußte, durch die Substanz in der Nase gereizt, heftig
niesen, weshalb sein Schreien um Äilfe und Ergreifen des
Attentäters sehr undeutlich herauskam. Das machte aber
nichts, denn der Kerl wäre doch nicht mehr zu kriegen gewesen.
Piepenborn ging auf die nächste Polizeiwache und trug
die Geschichte dort dem Polizeileutnant vor. Der ließ ihm
zunächst von einem Schutzmann gründlich die Vorderseite
abbürsten; der Schutzmann mußte dabei ein Blalt Papier
unterhalten, auf dem die zu dem Attentat verwendete Sub-
stanz gesammelt wurde.
„Pfeffer!" erklärte der Polizeileutnant dann. „Der
Kerl hat ein bißchen zu niedrig geworfen, und außerdem
tragen Sie eine Brille, — so haben Sie nichts in die Augen
bekommen. Pfeffer, — ja, das ist wirklich ein rätselhafter
Fall. Es ist nicht anders zu erklären, Lerr Piepenborn,
— das muß ein Wahnsinniger gewesen sein."
„Nanu," meinte Piepenborn, „rätselhaft? Ein ganz
gewöhnlicher Raub ist das, und der Kerl ist ganz vernünfttg."
„O bitte, überlegen Sie einmal genau," begann
darauf der Polizeileutnant einen Vortrag. „Eine ganz
gehörige Menge Pfeffer haben wir Jhnen abgebürstet, wie
Sie sehen; eine kleine Düte voll ist das. Richtiger Pfeffer
ist das. Entweder ist der Räuber rechtmäßig oder unrecht-
mäßig im Besitz dieses Pfeffers gewesen. Wer rechtmäßig
im Besitz von Pfeffer und vernünftig ist, wirft ihn heut-
zutage nicht weg, wenn er nicht genau weiß, was er an
Wert dafür erbeutet, und das konnte der Mann bei Ihrem
Portemonnaie doch nicht wissen. Wer unrechtmäßig Pfeffer
besitzt, hat ihn gestohlen. Wo Pfeffer zu stehlen ist, be-
finden sich zweifellos noch andere Waren von gegenwärtig
ähnlich hohem Werte. Wer also dort den Pfeffer gestohlen
hat, der hat auch noch mehr erbeutet, und also Dinge von
dermaßen hohem Wert davongetragen, daß er auf einige
Zeit hinaus im Gelde schwimmen kann. Wenn er unter
diesen Amständen einen hinsichtlich des Resultates so un-
sicheren und sehr leicht mit Zuchthaus für ihn ablaufenden
Raub untern'mnn, muß er eben übergeschnappt sein, total
verrückt."
„Ach was, davon krieg' ich mein Portemonnaie nicht
wieder," sagte Prepenborn brummig.
„Wieviel war denn darin?"
„Na, viel hab' ich ja nie bei mir. So gegen fünfzehn
Mark werden's gewesen sein. Aber das Portemonnaie
war doch auch noch etwa fünf Mark wert."
„Also zwanzig Mark zusammen." Der Lerr Polizei-
leutnant wickelte das Papier mit dem abgebürsteten Pfeffer
zu einem kleinen Päckchen zusammen und überreichte es
dem alten PLcpenborn. „Da können Sie sich aber freuen,
Lerr Piepenborn, — da haben Sie ja ein feines Gescbäft
gemacht." -on.