100 Meggendorser-Blätter, München
Früher und heut
— „Fräulein haben aber einen reizenden Fuß!"
— „Was Sie noch für schöne Schuhe haben, Fräulein!"
Ein Dienstmädchen wird gesucht P^er Robinson
Wahrhaftig, das Leben ist nicht leicht! Gefahren um-
geben uns, mit tückifcher Schnelle auf uns stürzend die einen,
die anderen weiter vorauszusehn und manchmal vor sehr
kniffliche Fragen uns stellend, wie ihnen wohl doch zu ent-
gehen wäre. Ja, da stehen wir oft vor Entscheidungen, die
beinahe so schwer sind wie die eines Feldherrn, und deshalb
nennt auch ein zwar schon sehr abgegriffenes, aber beim
Publikum immer noch beliebtes und als vollwertige Ge-
dankenmünze kursfähiges Wort das Leben einen Kampf.
Eine der gewagtesten Änternehmungen aber ist es, ein neues
Dienstmädchen ins Laus zu nehmen. Das ist beinahe so
wie — — nun etwa wie Krieg anfangen. Man kann nie
wiffen, wie es ablaufen wird. Am befien ist es immer noch,
wenn es zu einem Verzichtfrieden kommt, das heißt, wenn
das Dienstmädchen darauf verzichtet, gar zu unverschämt
zu sein, und die Lerrschaft darauf, daß die Arbeit getan
wird, wie sie eigentlich getan werden sollte. Das gibt dann
schließlich ein ganz erträgliches Verhältnis. Aber Verzicht-
frieden find leider ungeheuer selten.
In dem wirklichen, dem großen Kanonen-, Minen-,
Bomben-, Gas- und Torpedokrieg sind jetzt die Dienst-
mädchen sehr knapp geworden. Warum sollten sie auch
nicht knapp werden? So viele Dinge sind ja entweder
gar nicht mehr da oder nur in sehr geringer Menge, wie
Kaffee und Seise, Zigarren und Schnaps und alle möglichen
Sachen, die man lieber gar nicht aufzählt, weil man dann zu
traurig darüber wird. Die Schweine sind auch ganz schreck-
lich knapp geworden. Nun, und die Dienstmädchen eben auch.
Früher war das anders. Da waren immer welche
zu haben; die eine ging, die andere kam, eine Lücke gab es
nie. O, wie viele Dienstmädchen haben wir nicht gehabt!
Meine Frau hat es neulich cinmal versucht, festzustellen,
auf welche Zahl wir es eigentlich in den sünfzehn Iahren,
die wir nun verheiratet sind, gebracht haben, aber es war
unmöglich, — alle die Augusten, Annen, Ietten und wie sie
hießen, waren nicht mehr auseinander zu halten. Man
hätte Buch darüber gcführt haben müffen.
Manchmal liest man in der Zeituvg von Dienstmädchen,
die treu und brav sehr lange an einem Plahe gedient haben,
fünfzehn Iahre lang oder zwanzig oder gar fünfundzwanzig.
Sie werden dann öffentlich belobt und bekommen irgend
einen Orden, den ?our Is Llsrlts für Dienstmädchen oder so
einen ähnlichen, glaube ich. Ia, man hat sogar von Mädchen
vernommen, die von früher Iugend bis zum Tode über-
haupt nur in einem Lause gedient haben, auf die nächste
Generation als getreues Inventar sich vererbend. Lind
wenn dann so ein musterhaftes Dicnflmädchen endlich alt
und grau gestorben ist, — siehe, dann findet sich, daß fie
von ihrem sauer verdienten Lohn nie etwas ausgegeben,
daß fie alles auf die Sparkasse getragcn hat, wo es in all
den vielen Iahren mit Zins und Zinseszins zu einem an-
sehnlichen Kapital angewachsen ist, und daß nun das treue
Mädchen all ihren Besitz in einem rührenden Testament
ihrer Äerrschaft vermacht.
Solch ein Mädchen haben wir uns immer gewünscht.
Aber wo ist es zu finden? Ach, unter tausenden, unter
hunderttausenden von Dienstmädchen wird nur ein solches,
gewissermaßen als ein Dienstmädchengenie geboren. Wir
haben auch noch niemals Leute kennen gelernt, die jolch ein
Mädchen haben und an ihm einen unschätzbaren Trost gegen-
über den sonstigen Widerwärtigkeiten des Lebens genießen.
Es gibt eben sehr wenig Glückliche auf dieser Erde.
Als der Krieg ausbrach, wurden die Dienstmädchen
zunächst für kurze Zeit recht bescheiden. Sie bebten und
bangten: wie wird es uns ergehn? Der Krieg wird schwere
Zeit und Not bringen, sehr viele Leute werden gar keine
Dienstboten mehr haben können, — was sollen wir dann
machen? Sorgen wir also, daß wir klüglich uns den Platz
erhalten, aus dem wir gerade sitzen. Aber bald wurde das
ganz anders. Schwere Zeit und Not kamen zwar, und sehr
viele Leute konnten auch richlig gar keine Dienstboten m-hr
haben, aber der Grund lag nicht bei ihnen, sondern eben
bei den Dienstmädchen. Denn die wurden sehr schnell wieder
unbescheiden, wie ja überhaupt die Anbescheidenheit ganz
allgemein im Maße des Krieges wuchs. Sie hatten es
Früher und heut
— „Fräulein haben aber einen reizenden Fuß!"
— „Was Sie noch für schöne Schuhe haben, Fräulein!"
Ein Dienstmädchen wird gesucht P^er Robinson
Wahrhaftig, das Leben ist nicht leicht! Gefahren um-
geben uns, mit tückifcher Schnelle auf uns stürzend die einen,
die anderen weiter vorauszusehn und manchmal vor sehr
kniffliche Fragen uns stellend, wie ihnen wohl doch zu ent-
gehen wäre. Ja, da stehen wir oft vor Entscheidungen, die
beinahe so schwer sind wie die eines Feldherrn, und deshalb
nennt auch ein zwar schon sehr abgegriffenes, aber beim
Publikum immer noch beliebtes und als vollwertige Ge-
dankenmünze kursfähiges Wort das Leben einen Kampf.
Eine der gewagtesten Änternehmungen aber ist es, ein neues
Dienstmädchen ins Laus zu nehmen. Das ist beinahe so
wie — — nun etwa wie Krieg anfangen. Man kann nie
wiffen, wie es ablaufen wird. Am befien ist es immer noch,
wenn es zu einem Verzichtfrieden kommt, das heißt, wenn
das Dienstmädchen darauf verzichtet, gar zu unverschämt
zu sein, und die Lerrschaft darauf, daß die Arbeit getan
wird, wie sie eigentlich getan werden sollte. Das gibt dann
schließlich ein ganz erträgliches Verhältnis. Aber Verzicht-
frieden find leider ungeheuer selten.
In dem wirklichen, dem großen Kanonen-, Minen-,
Bomben-, Gas- und Torpedokrieg sind jetzt die Dienst-
mädchen sehr knapp geworden. Warum sollten sie auch
nicht knapp werden? So viele Dinge sind ja entweder
gar nicht mehr da oder nur in sehr geringer Menge, wie
Kaffee und Seise, Zigarren und Schnaps und alle möglichen
Sachen, die man lieber gar nicht aufzählt, weil man dann zu
traurig darüber wird. Die Schweine sind auch ganz schreck-
lich knapp geworden. Nun, und die Dienstmädchen eben auch.
Früher war das anders. Da waren immer welche
zu haben; die eine ging, die andere kam, eine Lücke gab es
nie. O, wie viele Dienstmädchen haben wir nicht gehabt!
Meine Frau hat es neulich cinmal versucht, festzustellen,
auf welche Zahl wir es eigentlich in den sünfzehn Iahren,
die wir nun verheiratet sind, gebracht haben, aber es war
unmöglich, — alle die Augusten, Annen, Ietten und wie sie
hießen, waren nicht mehr auseinander zu halten. Man
hätte Buch darüber gcführt haben müffen.
Manchmal liest man in der Zeituvg von Dienstmädchen,
die treu und brav sehr lange an einem Plahe gedient haben,
fünfzehn Iahre lang oder zwanzig oder gar fünfundzwanzig.
Sie werden dann öffentlich belobt und bekommen irgend
einen Orden, den ?our Is Llsrlts für Dienstmädchen oder so
einen ähnlichen, glaube ich. Ia, man hat sogar von Mädchen
vernommen, die von früher Iugend bis zum Tode über-
haupt nur in einem Lause gedient haben, auf die nächste
Generation als getreues Inventar sich vererbend. Lind
wenn dann so ein musterhaftes Dicnflmädchen endlich alt
und grau gestorben ist, — siehe, dann findet sich, daß fie
von ihrem sauer verdienten Lohn nie etwas ausgegeben,
daß fie alles auf die Sparkasse getragcn hat, wo es in all
den vielen Iahren mit Zins und Zinseszins zu einem an-
sehnlichen Kapital angewachsen ist, und daß nun das treue
Mädchen all ihren Besitz in einem rührenden Testament
ihrer Äerrschaft vermacht.
Solch ein Mädchen haben wir uns immer gewünscht.
Aber wo ist es zu finden? Ach, unter tausenden, unter
hunderttausenden von Dienstmädchen wird nur ein solches,
gewissermaßen als ein Dienstmädchengenie geboren. Wir
haben auch noch niemals Leute kennen gelernt, die jolch ein
Mädchen haben und an ihm einen unschätzbaren Trost gegen-
über den sonstigen Widerwärtigkeiten des Lebens genießen.
Es gibt eben sehr wenig Glückliche auf dieser Erde.
Als der Krieg ausbrach, wurden die Dienstmädchen
zunächst für kurze Zeit recht bescheiden. Sie bebten und
bangten: wie wird es uns ergehn? Der Krieg wird schwere
Zeit und Not bringen, sehr viele Leute werden gar keine
Dienstboten mehr haben können, — was sollen wir dann
machen? Sorgen wir also, daß wir klüglich uns den Platz
erhalten, aus dem wir gerade sitzen. Aber bald wurde das
ganz anders. Schwere Zeit und Not kamen zwar, und sehr
viele Leute konnten auch richlig gar keine Dienstboten m-hr
haben, aber der Grund lag nicht bei ihnen, sondern eben
bei den Dienstmädchen. Denn die wurden sehr schnell wieder
unbescheiden, wie ja überhaupt die Anbescheidenheit ganz
allgemein im Maße des Krieges wuchs. Sie hatten es