Zeitschrift für Humor und Kunst ,01
Ein Dienstmädchen wird gesucht
nicht mehr nötig, fich erträglich aufzuführen,
sie hatten überhaupt keinen häuslichen Dienst
mehr nötig, sie konnten ja in die Munilions-
fabrik gehn. Das taten sie denn auch und gingen
hin und drehten Granaten oder füllten Patro-
nen oder machten Explosivstoffe oder womit sie
sonst für's Leben sorgten, — für ihres nämlich,
denn nach einer andern Richtung hin sorgt
solche Tätigkeit mehr für den Tod.
Das gegenwärtig vorletzte in der langen
Neihe unserer Dienstmädchen, das wir eigent-
lich eine ganz nette Zeit hatten, ging auch in
die Munitionsfabrik. Etwas später trafen wir
sie dann einmal abends in der Trambahn. Sie
erzählte, es ginge ihr sehr gut, und viel Geld
verdiente sie auch, nur wäre sie in einer ge-
fährlichen-Abteilung und hätte eigentlich immer
ein bißchen Angst, einmal unversehens in die
Luft zu fliegen. Wir redeten ihr das aus mit
dem gewiß richtigen Linweis, daß sie ja nicht
in einer der feindlichen Munitionsfabriken be-
schäfligt wäre; die fliegen freilich leicht in die
Luft. Sie hätte gewiß noch dies und das
von ihrer interessanten Tätigkeit berichtet, aber
dann hielt der Wagen an der Lofoper, und da
stieg sie aus. Aebrigens hatte sie ein seidenes
Kleid an und einen kostbaren Spitzenshawl um
den Kopf. —
Merkwürdig bekamen wir durch eine zu-
fällige Beziehung für diese tätige Angehörige
der Leimatfront sofort eine Nachfolgerin und
zwar vom Lande. Damals war gerade das
Verbot ergangen, ländliche Arbeiterinnen für
städtische Laushaltungen in Dienst zu nehmen,
und so war eine Eingabe an die Polizei zur
Erlangung ausnahmsweiser Bewilligung nötig. Die Polizei
sagte ja. Das hätte uns eigentlich gleich mißtrauisch machen
sollen. Die Polizei erlaubt so selten etwas, und wenn sie
es dann doch einmal tut, stellt fich nachher heraus, daß dies
keine besondere Gunst des Schicksals war. So lief es in
— „Ich riech auf so 'nem Schiffe immer nur Teer-
geruch. Wenn man's in der Friedrichstraße
riecht, ifi's ungesund, auf'm Schiffe ist's Seeluft."
diesem Fall auch ab. Das Mädchen hieß Rose. Sie roch
aber anders, nämlich nach Kuhstall, in dem sie ja auch einen
großen Teil ihres Lebens zugebracht halte. Das war un-
angenehm, doch wir meinten: Nun, das wird sich schon ver-
lieren. Es verlor sich aber nicht. Wie ein Bröckchen Radium
ununterbrochen auf einen gewaltigen Zeitraum
hinaus Energie versendet, so verbreitete Rose
ununterbrochen Kuhstallgeruch, daß unsere
ganze Wohnung ihn annahm. Es war gerade
im Frühling, und die Schwalben stellten sich
ein, wie Dichter das schön zu besingen pflegen.
Wiederholt flatterten Schwalbenpärchen zu
unsern Fenstern herein, in der deutlichen Ab-
sicht, Nester bei uns zu bauen. Es war klar:
sie glaubten einen Kuhstall zu finden, den die
Tierchen ja bekanntlich mit Vorliebe zur Nie-
derlaffung auswählen.
Nun, an üble Gerüche hat man fich ja all-
mählich in der Kriegszeit gewöhnt. Wir hätten
deshalb auch Roses Duftemanationen schließ-
lich ertragen, wenn es sonst nur mit ihr ge-
gangen wäre. Aon olst! hätlen wir dann ge-
sagt. Aber es ging nicht; wir waren nicht in
der Lage, sie zu ernähren. Sie war doch vom
Lande gekommen, und den Landleuten ist die
Notwendigkeit einer Rationierung der Lebens-
mittel nie so recht klar geworden, — wenigstens,
was ihre eigene Ernährung anbetrifft. Rose
trank uns alle Milch aus, und das war ihr
Stadt srisch angefieckt wtrd): „Ach, dieses groß-
artige Gefühl, wenn srisch angezapft wird,
wißt ihr Städter ja gar nicht zu würdigen — da müßt ihr zu uns
aufs Land kommen — da haben wir das jede Woch' nur einmall"
Ein Dienstmädchen wird gesucht
nicht mehr nötig, fich erträglich aufzuführen,
sie hatten überhaupt keinen häuslichen Dienst
mehr nötig, sie konnten ja in die Munilions-
fabrik gehn. Das taten sie denn auch und gingen
hin und drehten Granaten oder füllten Patro-
nen oder machten Explosivstoffe oder womit sie
sonst für's Leben sorgten, — für ihres nämlich,
denn nach einer andern Richtung hin sorgt
solche Tätigkeit mehr für den Tod.
Das gegenwärtig vorletzte in der langen
Neihe unserer Dienstmädchen, das wir eigent-
lich eine ganz nette Zeit hatten, ging auch in
die Munitionsfabrik. Etwas später trafen wir
sie dann einmal abends in der Trambahn. Sie
erzählte, es ginge ihr sehr gut, und viel Geld
verdiente sie auch, nur wäre sie in einer ge-
fährlichen-Abteilung und hätte eigentlich immer
ein bißchen Angst, einmal unversehens in die
Luft zu fliegen. Wir redeten ihr das aus mit
dem gewiß richtigen Linweis, daß sie ja nicht
in einer der feindlichen Munitionsfabriken be-
schäfligt wäre; die fliegen freilich leicht in die
Luft. Sie hätte gewiß noch dies und das
von ihrer interessanten Tätigkeit berichtet, aber
dann hielt der Wagen an der Lofoper, und da
stieg sie aus. Aebrigens hatte sie ein seidenes
Kleid an und einen kostbaren Spitzenshawl um
den Kopf. —
Merkwürdig bekamen wir durch eine zu-
fällige Beziehung für diese tätige Angehörige
der Leimatfront sofort eine Nachfolgerin und
zwar vom Lande. Damals war gerade das
Verbot ergangen, ländliche Arbeiterinnen für
städtische Laushaltungen in Dienst zu nehmen,
und so war eine Eingabe an die Polizei zur
Erlangung ausnahmsweiser Bewilligung nötig. Die Polizei
sagte ja. Das hätte uns eigentlich gleich mißtrauisch machen
sollen. Die Polizei erlaubt so selten etwas, und wenn sie
es dann doch einmal tut, stellt fich nachher heraus, daß dies
keine besondere Gunst des Schicksals war. So lief es in
— „Ich riech auf so 'nem Schiffe immer nur Teer-
geruch. Wenn man's in der Friedrichstraße
riecht, ifi's ungesund, auf'm Schiffe ist's Seeluft."
diesem Fall auch ab. Das Mädchen hieß Rose. Sie roch
aber anders, nämlich nach Kuhstall, in dem sie ja auch einen
großen Teil ihres Lebens zugebracht halte. Das war un-
angenehm, doch wir meinten: Nun, das wird sich schon ver-
lieren. Es verlor sich aber nicht. Wie ein Bröckchen Radium
ununterbrochen auf einen gewaltigen Zeitraum
hinaus Energie versendet, so verbreitete Rose
ununterbrochen Kuhstallgeruch, daß unsere
ganze Wohnung ihn annahm. Es war gerade
im Frühling, und die Schwalben stellten sich
ein, wie Dichter das schön zu besingen pflegen.
Wiederholt flatterten Schwalbenpärchen zu
unsern Fenstern herein, in der deutlichen Ab-
sicht, Nester bei uns zu bauen. Es war klar:
sie glaubten einen Kuhstall zu finden, den die
Tierchen ja bekanntlich mit Vorliebe zur Nie-
derlaffung auswählen.
Nun, an üble Gerüche hat man fich ja all-
mählich in der Kriegszeit gewöhnt. Wir hätten
deshalb auch Roses Duftemanationen schließ-
lich ertragen, wenn es sonst nur mit ihr ge-
gangen wäre. Aon olst! hätlen wir dann ge-
sagt. Aber es ging nicht; wir waren nicht in
der Lage, sie zu ernähren. Sie war doch vom
Lande gekommen, und den Landleuten ist die
Notwendigkeit einer Rationierung der Lebens-
mittel nie so recht klar geworden, — wenigstens,
was ihre eigene Ernährung anbetrifft. Rose
trank uns alle Milch aus, und das war ihr
Stadt srisch angefieckt wtrd): „Ach, dieses groß-
artige Gefühl, wenn srisch angezapft wird,
wißt ihr Städter ja gar nicht zu würdigen — da müßt ihr zu uns
aufs Land kommen — da haben wir das jede Woch' nur einmall"