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Zeitschrift für Humor und Kunst 167

Schmuckel

wahnsinnig' ist der höchste Orden, der für Fixigkeiten
zu verteilen ist.

Nun erkennen Frauen sonst die öffentlichen Eigen-
schasten ihrer Männer solten an. Nicht so Schmuckels
Frau, ein stilles, kleines und verträumtes Dingchen.

Gegen andre sprach sie sich freilich nicht so aus. Aber
wenn sie sich selber fragte, was sie eigentlich von ihrem
hin- und hergehetzten fixen Manne habe, so sagte sie
stch insgeheim: „Wahnsinnig wenig, blödsinnig wahn-
sinnig wenig."

Nun aber begab es sich, daß besagter Schmuckel
einen Weinkeller hatte. Einen wahnsinnig patenten
Weinkeller. Was schHeßlich für einen erfolgreichen
Läusermakler nicht mehr als recht und billig ist. Vor
allem billig. Denn Schmuckel kaufte auch seine Weine
einfach rasend wahnsinnig blödsinnig billig ein.

Llnd weiterhin begab es sich, daß er sich einmal
selbst in den Keller begab, um einen solchen rasenden
Wein am Spundloch zu probieren. — nein, um einen
solchen Wein am rasenden Spundloch — nein, es ift
zumrasend werden: um einen solchen Wein am Spund-
loch rasend zu probieren.

Als er den Becher untern Lahn hielt und diesen
aufgedreht hatte, fiel ihm ein solider Lolzschlegel
gegen die linke Schläfe. Pumm, wurde die Stelle
seiner vierten Gehirnwindung, wo die patente Fixig.
keit zu fihen pflegt, eine Idee aus die Seite gerückt.

Es war ftlbst mikroskopisch nicht der Nede wert.

Aber es genügre dennoch, um Schmuckels Denk-
apparat nach einer andern Richtung einzuschalten.

Der Wein lief in den Becher, bis er überfloß,
während Schmuckel sinnend vor dem Spundloch saß, und
dachte: und wenn ich damals in der Schule nicht so fix

gewesen wäre. . . . hm ja, es konnte immerhin doch sein
... hm ja, und wenn ich die Konstruktion mit dem Parallel-
trapez auch nicht so fix gekonnt hätte . . . hm ja, und
genau genommen, weiß man ja nicht einmal, ob alle diese
fixen Lehrsätze auch ganz richtig sind ... hm ja, man
braucht nur anzunehmen, daß wir keine körperhaften Men-
schen, — sondern — hm ja — zweidimenstonale Menschen
wären, die auf — hm ja, hm
ja - aufEierschalen lebten..
hm ja, so daß der pythago
reische Lehrsatz keinen Sinn
hätte... hm ja, dann wür-
de auch das Paralleltrapez
ein Blödsinn..."

AyterdeffenliefderWein
und lief und stand schon
knöcheltief im Keller.

hm ja, und wer weiß,
ob ich dann ein fixer L>äu-
sermakler geworden wäre,
der hin- und herverkauft
und den ganzen Tag nur
auf der Letze ist ... hm
ja, so daß für mein kleines
Frauchen eigentlich nichts
übrig bleibt von mir, als
ein bißchen Fixigkeit . . .
hm ja, und wenn wir
dann auch weniger ver-
dienten ... hm ja, ja hm,
dafür aber glücklich wären

— „Wenn man sich mal an seinen Mittagsschlaf gewöhnt hat, kann
man nicht dagegen ankommen. Laß wenigstens den Änverl aus dein
Portemonnaie aufpassen, Albert, damit dir niemand was stiehlt."

— „Geht nicht. Da sind zu viel Groschenstücke drin, und drüben
im Wirtsgarten steht ein Automat."

— hm ja, furchtbar glücklich, wahnsinnig glücklich, blödfinnig
glücklich.. nein, dasist ja Ansinn, einfach glücklich,das genügte."

Lier war es, daß der Wein ihm an die Waden reichte,
und daß das Schmuckelsche Dienstmädchen herunterkam,
um nachzuschauen, wo ihr Lerr so lange bliebe. „Aber
gnädiger Lerr," rief sie, „was machen Sie denn da?"

„Jch habe darüber nachgedacht, Kathi, wenn ich nicht
immer so fix gewesen wäre . . . hm ja, es hätte doch sein
können . . . hm ja, und wenn wir zweidimensional auf

Eierschalen lebten . . . hm
ja, und wenn wir dann
auch weniger verdienten...
hm ja, und wenn ich dann
mit meiner Frau viel glück-
licher wäre . . . hm ja,
Sie verftehen, Kathi? —"
Da wurde die Kathi
auch besinnlich, setzte sich
aus einen Kellerftuhl und
sagte langsam: „Lm ja,
freilich kann ich Sie ver-
stehn, Lerr Schmuckel .. .
hm ja, und wenn Sie dann
mit Jhrer Frau so glück-
lich wären ... hm ja, zwei-
simendialaufEierschalen...
hm ja, hm ja ..."

Anterdessen liefderWein
und lief, und er stand
ihnen schon bis beinahe
an die Knie, als die stille,
kleine und verträumteFrau
Schmuckel auch herunter-

— „Warum weinen Sie denn, Iohann? Es ist doch alles
gut abgelaufen."

— „Ich kann kein Blut sehn, Lerr Baron. Zu Laus hab'
ich auch immer beim Schweineschlachten geweint."
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