192
Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, München
Nach Sibirien!
Wilson: „Mir scheint's, für einen so kurzen
Aufenthalt nimmt der Kerl zu viel Gepäck mit!"
Vogelfrei
England hat die Sovjetregierung für vogelfrei erklärt.
Das ist ein scklagender Beweis dafür, daß sein Pro-
gramm, für die Freiheit der Schwachen einzutreten, kein
leerer Schall ist.
i8 c8
Kilian ist zum Militär eingezogen worden. Obgleich seine
Frau behauptet, daß er im Leben nichts, und als Soldat
erst recht nichts tauge, kowmt er doch nach angemeffener
Zeit ins Feld. Trotz aller seiner Anvollkommenheiten fühlt
Frau Kilian nach eimm Iahre doch Sehnsucht nach dem
Eheherrn,und läßt an seinen Truppenteil ein G such um
Beurlaubung los. Der Landwebrmann Kilian kommt aber
nicht heim. Statt darüber untröstlich zu sein, geht sie er-
hobenen Lauptes einher und erzählt in ihren Kreisen von
der Tüchtigkeit des Gatten. Eine Nachbarin frägt:
„Ist er denn schon etwas geworden? Jch meine, ob
man >hn befördert hat."
„Vorläufig noch nicht. Aber nach dem Bescheide, den
mir seine Kvmpagnie gab, ist das wohl zu erwarten. Jetzt
scheint er m't ganz wichtigen Aufgaben berraut zu sein."
„Ach! W>eso denn?"
„Man schreibt mir, daß der Arlaub aus militärischen
Gründen verweigert werden mußte." C. F. G.
Einzige Abhilfe
DoktorWenzelmann ist Ortho-
Päde. Im Gegensatz zum Welt-
krieg hat er schon manche krummen
Leute gerade gemacht. Besonders
gern aber hat er mit Füßen zu tun,
Füße sind seine Spezialität, Füße
mit Plattsohlen, verkrümmten
Zehen und ähnlichen Fehlern, die
das in dieser Welt schon genug
schwierige und jedenfalls in Zu-
kunft noch viel schwerer werdende
Fortkommen behindern.
Zu diesem Doktor Wenzelmann
kam also neulich ein Lerr in den
sogenannten besten Iahren, der,
während er im Wartezimmer
harrte, fortwährend seine mit sshr
guten Stiefeln bekleideten Füße
ansah und manchmaldabei seufzte,
zuweilen auch ein bißchen stöhnte.
Endlich kam er an die Reihe.
„Nun, wo fehlt es denn?" erkun-
digte sich Doktor Wenzelmann.
Der Potient seufzte nock schnell
einmal. „Die Füße, Lerr Doktor,
äch Gott, die Füße! Die müssen
Sie schleunigst behandeln."
Doktor Wenzelmann freute
sich. „Nun, ich denke, da wird
sich schon helfen lassen. Ziehn Sie
einmal aus."
Der Patient zog seinen rechten
Stiefel aus. Aber dann hielt er
dem Doktor ganz unerwarteter-
weise nicht den Fuß, sondern den
Stiefel vor die Nase. „Sehen Sie
sich den Stiefel an, Lerr Doktor!
So was sieht man jeht selten, nicht
wahr? Bestes Kalbleder, aller-
feinste Friedensware. 1914 hab'
ich sechs Paar solcker Sti"fel ge-
kauft, ganz billig, so bei Gelegen-
heit. Ich hab' sie fortgestellt, und
als dann das allgemeine Stiefel-
elend kam, hab' ich mich gefreut.
Na, und gestern hab' ich dann
zum erstenmal ein Paar von den
Stiefeln angezogen, und nun den-
ken Sie sich, Lerr Doktor: die Dinger stnd zu klein. Alle
sechs Paar sind zu klein. Einfach unmöglich, daß ich darin
gehn kann. Sie können sich kaum vorstellen, wie mir die
Füße weh tun."
Doktor Wenzelmann wunderte sich. „Ia, was soll ich
denn dabei tun?"
„Aber das ist doch ganz klar, Lerr Doktor," rief da der
Patient. „Denken Sie doch, — sechs Paar solcher tadellosen
Stiefel hab'ich. Die Füße sollen Sie mir ändern!" —on.
Zeitgemäße Antwort
— „Na, wie gehts?"
— „Danke, man schleicht sich so durch."
Doppelsinnig
— „Nun, wie ist es Ihnen denn in der Sommerfrische
ergangen?"
— „Famos. Aeberall Schwein gehabt."
Moderne Annonee
Der Sommerfrischler im hellen Anzug sucht ehrbare
Annäherung an die blonde Sommerfriscklerin, die Freitag
abend mit ihm zusammen von den fremdenseindlichen Ein-
heimischen verprügelt wurde.
: 7. 86pl6vib6i 1918.
Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, München
Nach Sibirien!
Wilson: „Mir scheint's, für einen so kurzen
Aufenthalt nimmt der Kerl zu viel Gepäck mit!"
Vogelfrei
England hat die Sovjetregierung für vogelfrei erklärt.
Das ist ein scklagender Beweis dafür, daß sein Pro-
gramm, für die Freiheit der Schwachen einzutreten, kein
leerer Schall ist.
i8 c8
Kilian ist zum Militär eingezogen worden. Obgleich seine
Frau behauptet, daß er im Leben nichts, und als Soldat
erst recht nichts tauge, kowmt er doch nach angemeffener
Zeit ins Feld. Trotz aller seiner Anvollkommenheiten fühlt
Frau Kilian nach eimm Iahre doch Sehnsucht nach dem
Eheherrn,und läßt an seinen Truppenteil ein G such um
Beurlaubung los. Der Landwebrmann Kilian kommt aber
nicht heim. Statt darüber untröstlich zu sein, geht sie er-
hobenen Lauptes einher und erzählt in ihren Kreisen von
der Tüchtigkeit des Gatten. Eine Nachbarin frägt:
„Ist er denn schon etwas geworden? Jch meine, ob
man >hn befördert hat."
„Vorläufig noch nicht. Aber nach dem Bescheide, den
mir seine Kvmpagnie gab, ist das wohl zu erwarten. Jetzt
scheint er m't ganz wichtigen Aufgaben berraut zu sein."
„Ach! W>eso denn?"
„Man schreibt mir, daß der Arlaub aus militärischen
Gründen verweigert werden mußte." C. F. G.
Einzige Abhilfe
DoktorWenzelmann ist Ortho-
Päde. Im Gegensatz zum Welt-
krieg hat er schon manche krummen
Leute gerade gemacht. Besonders
gern aber hat er mit Füßen zu tun,
Füße sind seine Spezialität, Füße
mit Plattsohlen, verkrümmten
Zehen und ähnlichen Fehlern, die
das in dieser Welt schon genug
schwierige und jedenfalls in Zu-
kunft noch viel schwerer werdende
Fortkommen behindern.
Zu diesem Doktor Wenzelmann
kam also neulich ein Lerr in den
sogenannten besten Iahren, der,
während er im Wartezimmer
harrte, fortwährend seine mit sshr
guten Stiefeln bekleideten Füße
ansah und manchmaldabei seufzte,
zuweilen auch ein bißchen stöhnte.
Endlich kam er an die Reihe.
„Nun, wo fehlt es denn?" erkun-
digte sich Doktor Wenzelmann.
Der Potient seufzte nock schnell
einmal. „Die Füße, Lerr Doktor,
äch Gott, die Füße! Die müssen
Sie schleunigst behandeln."
Doktor Wenzelmann freute
sich. „Nun, ich denke, da wird
sich schon helfen lassen. Ziehn Sie
einmal aus."
Der Patient zog seinen rechten
Stiefel aus. Aber dann hielt er
dem Doktor ganz unerwarteter-
weise nicht den Fuß, sondern den
Stiefel vor die Nase. „Sehen Sie
sich den Stiefel an, Lerr Doktor!
So was sieht man jeht selten, nicht
wahr? Bestes Kalbleder, aller-
feinste Friedensware. 1914 hab'
ich sechs Paar solcker Sti"fel ge-
kauft, ganz billig, so bei Gelegen-
heit. Ich hab' sie fortgestellt, und
als dann das allgemeine Stiefel-
elend kam, hab' ich mich gefreut.
Na, und gestern hab' ich dann
zum erstenmal ein Paar von den
Stiefeln angezogen, und nun den-
ken Sie sich, Lerr Doktor: die Dinger stnd zu klein. Alle
sechs Paar sind zu klein. Einfach unmöglich, daß ich darin
gehn kann. Sie können sich kaum vorstellen, wie mir die
Füße weh tun."
Doktor Wenzelmann wunderte sich. „Ia, was soll ich
denn dabei tun?"
„Aber das ist doch ganz klar, Lerr Doktor," rief da der
Patient. „Denken Sie doch, — sechs Paar solcher tadellosen
Stiefel hab'ich. Die Füße sollen Sie mir ändern!" —on.
Zeitgemäße Antwort
— „Na, wie gehts?"
— „Danke, man schleicht sich so durch."
Doppelsinnig
— „Nun, wie ist es Ihnen denn in der Sommerfrische
ergangen?"
— „Famos. Aeberall Schwein gehabt."
Moderne Annonee
Der Sommerfrischler im hellen Anzug sucht ehrbare
Annäherung an die blonde Sommerfriscklerin, die Freitag
abend mit ihm zusammen von den fremdenseindlichen Ein-
heimischen verprügelt wurde.
: 7. 86pl6vib6i 1918.