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I9S

Zeitschrist für Humor und Kunst

Der praktische Familienvater

Frau: „Es ist schrecklich. mit unserm Ausflug ist's jetzt nichts! Die
Sohlen smd alle durch und Äolzsohlen sind auch nicht zu haben!"
Vater: „Nur langsam und keine Aufregung, das werden wir gleich

haben! — -

7'omme,

— — Zu was hab' ich denn da meine alten ,Schüh' aufgehobenl" —

Mir ttnna's unS letst'n!

'n Dreck o', i ko' ma's leist'n/ antwortete
fie einmal auf die harmlose Bemerkung einer
Dame, die zufällig dabet stand, als ste zwei
fette Enten zu hohem Preise kaufte.

Einer der schönsten Augenblicke im neuen
Lebensgang der beiden war der, als das
ganze Anwesen durch Kauf in ihren Besitz
überging. Ebenso schön der Tag, an dem sie
aus der elenden Dachwohnung des Linter-
hauses in die neu hergerichtete und neu mö-
blierte geräumige Wohnung im ersten Stock
des Vorderhauses übersiedelten, deren Tür
ein neues Schildchen zierte mit der Aufschrift:

„Sebastian Sterzl, Laus- und Fabrikbefitzer".

!lnd das erhebende Gefühl sür Frau Sterzl,
wenn sie von dem neuen Dienstmädchen, wenn
auch ein wenig zögernd und ironisch, mit
„Gnädige Frau" angesprochen wurde, oder
wenn sie in der neuen, rotseidenen Bluse aus
den Fenstern ihres „Salons" auf die Straße
hinuntersah. Da empfand sie so recht den
kraffen Anterschied zwischen einst und jetzt,
zwischen „Lausmoasterin" und „Laus- und
Fabrikbesitzersgattin". Freilich, die umfang-
reichen Lüften, der Kropf, das breite aufge-
dunsene Geficht mit dem zahnlucket'n Mund
und auch die „ordinäre" Sprechweise ließen
sich mit diesen Gefühlen nicht beseitigen. Das
bereitete ihr doch einigen stillen Kummer.

„Dös is Wurscht," beschwichtigte sie der
Wastl, als sie ihm einmal darüber klagte,

„mir san jatz wer, und wem's net paßt, der
soll die buckelfünferln."

Kurze Zeit nach dem Amzug besuchte Frau
Sterzl die befreundete, ebenfalls vom Kriegs-
glück begünstigte Familie Schneizl. Dort be°
merkte sie unter der neuen Einrichtung auch
ein nagelneues Klavier. Mein Gott — ein
Klavier! And fie haben zu Lause keines! Wie
hatte man das nur vergessen können? Ganz
„deschparat" kam fie heim und klagte ^ihren
Schmerz dem Wastl.

„Woaßt, Wastl," schloß sie, „a Blamasch
is 'as, daß soichene ordinär'n Leit' a Klavier
ham, un mir ham koans! I begreif net, daß ma dös
vagefsin ham. Aso an scheena Ssallohn — un koa Klavier
drinna! A Schand is!"

Sterzl beruhigte fie und versprach ihr gleich morgen
ein Klavier zu kausen.

„Bis morg'n Mittag host oans! Mir kinna's uns
ja leist'n!"

Am anderen Morgen füllte Sterzl seine Briestasche mit
Banknoten und begab sich in den nächstbesten Klavierladen.

„Sie wünschen?"

Diese kurze Frage und der gewiffe Ton darin mochten
unserem Sterzl unter dem Druck seiner dick gefüllten Brief-
tasche wohl ein wenig spitzig geklungen haben, zumal er die
prüfenden Seitenblicke auffing, mit denen der Ländler seine
vierschrötige, nicht gerade bestechende äußere Erscheinung mit
dem blatternarbigen Gesicht und den Plattfüßen musterte.
Dadurch ein wenig gereizt, antwortete er ziemlich unwirrsch.

„A Klavier wui i kaffa!"

„Sie möchteu gewiß ein billigeres, gebrauchtes In-

strument?"

Sterzl riß die Augen auf:

„Woos ham S' g'sagt — a' büllig's gebraucht's In-
strument? Schau denn i so aus, als ob i an oit's Glump
nimm — han? I wui Eahna wos sog'n —"

„Entschuldigen Sie, ich dachte, es handle sich am Ende
um ein Klavier für Anfänger oder für Ihre Kinder zum
Ueben, und da sich die gebrauchten Instrumente —"

„Ia Lerrschaft," unterbrach ihn Sterzl ungeduldig,
„i hab' jo goar ka Kinda! And übahaupts, was geht denn
dös Eahna o'? Aebrig'ns hab' i koa Zeit net zum disch-
k'riern. B'hüat Eahna Good!"

Schon war er draußen, im stillen schimpfend über die
unhöfliche Bedienung, die man heutzutage in den Geschäften
so oft antrifft. And schnurstracks ging er in einen anderen
Klavierladen. Der Inhaber, offenbar ein kluger, weit-
blickender Geschäftsmann mit feiner Witterung für gefüllte
Brieftgschen besonders auch da, wo man fie in srüheren
Zeiten am wenigsten vermutete, hatte den Eintretenden zu
deffen Freude sofort richtig eintaxiert.
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