52 Meggendorfer-Blätter, München
Ein kleiner Irrturn
— „Ach Fräulein, haben Sie aber schöne Äaare und diese wunder-
vollen Zöpfe!"
Dorfschöne: „Die Zöpfe sind vom Bäcker Laibl für Großmutters
Geburtstag!"
Äer grofke ^tbin Von Peter Robinson
Die Stadt hatte bei der lehten Volkszählung 24 783
Gnwohner. Ein Teil davon hat am Sonntag das Bedürf-
nis, sich zu erbolen. Sie tun das, indem sie. je rwch invi-
viduellem Geselmack, besonders aber je nach ibrer Zuge-
hörigkeit zu den verschiedenen Geskllschaftsktafsen, auf einer
der vier Cbaufseen hinaus wandern, die aenau nach den vier
Limmelsrichtungen von der Stadt aus deren reizlose Um-
gebung durchschneiden. Die L'eblingspromenade des guten
Miltelstandes ist die nach Westen führende Chauffee, und
an dieser liegt dae beliebte Aueflugslokal Zur Le''mgrube",
bequem in einer kleinen Viertelfiunde von der Stadt aus
zu erreichen, wie der Besitzer, Lerr Gustav Stöbbke, be-
hauptet und auf einer am wefilichen Tore der Stadt zur
Anlockung aufgestellten Tafel verkündet. Einmal nämlich
hat Lerr Stöbbke den Weg, und zwar in der Richtung
von der Lehmarube nach der Stadt in einer sogenannten
guten Vrertelstunde zurückgelegt. Das war damals, als er
für seine Frau so schnell den Arzt holen mußte.
Gleich am nächften Tage aber bestellte er die
Anlage eines Telephons. „Denn," so sagte
er, „das will ich nicht noch einmal machen
müffen; ich habe mir ja beinahe die Schwind-
sucht an den Lals gelaufen!"
Außerdem bebauptet Lerr Stöbbke von
seinem Etablissement noch, daß es .romantisch
im Tal" gelegon sei. Tatsächlich ist auch ein
Tal vorhanden; ob es auch wirklich romantisch
ist, darüber freilich müßte man erst einmal
die Meinung eines Poeten hören. Einen
Poeten aber hat die Stadt bisher noch nicht
in ihren Mauern beherbergt; wenigstens ist
nichts davon zu allgemeiner Kenntnis gekom-
men. Das Tal ist keine Schöpfung der Na-
tur; Menschenkrast, die ja manchmal auch An-
sehnliches vermag, hat es geschaffen, denn es
ist eigentlich nur eine alte riesige Lehmgrube.
Danach hat auch Lerrn Stöbbkes Lokal den
Namen bekommen.
Im vorigen Iahr ist die „Lehmgrube" des
schlechten Wetters wegen recht mäßig besucht
worden. Lerr Gustav Etöbbke empfand den
Ausfall in seiner Kaffe peinlich, und diese
Empfindung weckte eine seit der Gründung
seines Etablissements in ihm eingeschlafene
Anternehmungslust wieder auf. Er beschloß.
da auf dem ihm gehörenden Terrain noch ganz
ansehnüche Lehmlager zu vermuten waren, eine
kleine Ziegelbrennerei einzurichten. Das Anter-
nehmen wurde zunächst auf einen bescheidenen
Maßstab angelegt; Lerr Stöbbke meinte, er
wollte erst einmal sehn, wie ter Lase laufen
würde.
Gerade acht Tage war der Lase gelaufen,
da kam er an ein Lindernis. Lerr Stöbbke
wurde dnrch den Vorarbeiter Iakob Zameike
vom Frühstück fortgeholt, — man war im
Lehm auf einen großen Stein gestoßen. „Einen
aasig großen Stein," sagte Iakob Zameike; „als
wenn ihn uns der Deiwel grad' in den Weg
'rein gelegt hat." — And wirklich: Lerr Stöbdke
mußte sich überzeugen, daß in der neu ent-
ftehenden Lehmgrube, in etwa fünf Meter Tiefe,
sich ein gewaltiger Stein fand von genau vier
Meter Länge und zwei Meter Breite. And
als man ihn mit vieler Mühe ganz frei gelegt hatte, da
zeigte sich, daß er zwischen zwei und drei Meter hoch war.
O ja, an der Stelle seiner größten Dicke maß er sogar noch
etwas über drei Meter.
„Als wenn ihn uns der Deiwel 'rein gelegt hat!" sagte
Ickob Zameike noch einmol. „Wenn wir nu' zu dicht bei
ihm graben, dann sackt er tiefer, und am End' gibt's später
ein Anglück. Der Satan muß 'raus, Lerr, sonst kommen
wir hier nich' weiter."
„Ia, 'raus muß er!" meinte auch Lerr Stöbbke und
nickte verdrießlich, als Jakob Zameike nun weiter sprach:
„Aber wer holt uns den Satan 'raus? Der wiegt ja seine
paar tausend Zentner! Der muß zerkloppt werden, Lerr.
Na, und das geht nu auch nich' sehr schnell. Da können
wir wohl so lang' feiern."
„Zerklovpen? Ansinn, da kommt doch nichts bei 'raus;
da ist er doch viel zu schade zu!" meinte Lerr Sröbbke und
ging dann nach Lause, denn miltlerweile war es Essenszeit
Ein kleiner Irrturn
— „Ach Fräulein, haben Sie aber schöne Äaare und diese wunder-
vollen Zöpfe!"
Dorfschöne: „Die Zöpfe sind vom Bäcker Laibl für Großmutters
Geburtstag!"
Äer grofke ^tbin Von Peter Robinson
Die Stadt hatte bei der lehten Volkszählung 24 783
Gnwohner. Ein Teil davon hat am Sonntag das Bedürf-
nis, sich zu erbolen. Sie tun das, indem sie. je rwch invi-
viduellem Geselmack, besonders aber je nach ibrer Zuge-
hörigkeit zu den verschiedenen Geskllschaftsktafsen, auf einer
der vier Cbaufseen hinaus wandern, die aenau nach den vier
Limmelsrichtungen von der Stadt aus deren reizlose Um-
gebung durchschneiden. Die L'eblingspromenade des guten
Miltelstandes ist die nach Westen führende Chauffee, und
an dieser liegt dae beliebte Aueflugslokal Zur Le''mgrube",
bequem in einer kleinen Viertelfiunde von der Stadt aus
zu erreichen, wie der Besitzer, Lerr Gustav Stöbbke, be-
hauptet und auf einer am wefilichen Tore der Stadt zur
Anlockung aufgestellten Tafel verkündet. Einmal nämlich
hat Lerr Stöbbke den Weg, und zwar in der Richtung
von der Lehmarube nach der Stadt in einer sogenannten
guten Vrertelstunde zurückgelegt. Das war damals, als er
für seine Frau so schnell den Arzt holen mußte.
Gleich am nächften Tage aber bestellte er die
Anlage eines Telephons. „Denn," so sagte
er, „das will ich nicht noch einmal machen
müffen; ich habe mir ja beinahe die Schwind-
sucht an den Lals gelaufen!"
Außerdem bebauptet Lerr Stöbbke von
seinem Etablissement noch, daß es .romantisch
im Tal" gelegon sei. Tatsächlich ist auch ein
Tal vorhanden; ob es auch wirklich romantisch
ist, darüber freilich müßte man erst einmal
die Meinung eines Poeten hören. Einen
Poeten aber hat die Stadt bisher noch nicht
in ihren Mauern beherbergt; wenigstens ist
nichts davon zu allgemeiner Kenntnis gekom-
men. Das Tal ist keine Schöpfung der Na-
tur; Menschenkrast, die ja manchmal auch An-
sehnliches vermag, hat es geschaffen, denn es
ist eigentlich nur eine alte riesige Lehmgrube.
Danach hat auch Lerrn Stöbbkes Lokal den
Namen bekommen.
Im vorigen Iahr ist die „Lehmgrube" des
schlechten Wetters wegen recht mäßig besucht
worden. Lerr Gustav Etöbbke empfand den
Ausfall in seiner Kaffe peinlich, und diese
Empfindung weckte eine seit der Gründung
seines Etablissements in ihm eingeschlafene
Anternehmungslust wieder auf. Er beschloß.
da auf dem ihm gehörenden Terrain noch ganz
ansehnüche Lehmlager zu vermuten waren, eine
kleine Ziegelbrennerei einzurichten. Das Anter-
nehmen wurde zunächst auf einen bescheidenen
Maßstab angelegt; Lerr Stöbbke meinte, er
wollte erst einmal sehn, wie ter Lase laufen
würde.
Gerade acht Tage war der Lase gelaufen,
da kam er an ein Lindernis. Lerr Stöbbke
wurde dnrch den Vorarbeiter Iakob Zameike
vom Frühstück fortgeholt, — man war im
Lehm auf einen großen Stein gestoßen. „Einen
aasig großen Stein," sagte Iakob Zameike; „als
wenn ihn uns der Deiwel grad' in den Weg
'rein gelegt hat." — And wirklich: Lerr Stöbdke
mußte sich überzeugen, daß in der neu ent-
ftehenden Lehmgrube, in etwa fünf Meter Tiefe,
sich ein gewaltiger Stein fand von genau vier
Meter Länge und zwei Meter Breite. And
als man ihn mit vieler Mühe ganz frei gelegt hatte, da
zeigte sich, daß er zwischen zwei und drei Meter hoch war.
O ja, an der Stelle seiner größten Dicke maß er sogar noch
etwas über drei Meter.
„Als wenn ihn uns der Deiwel 'rein gelegt hat!" sagte
Ickob Zameike noch einmol. „Wenn wir nu' zu dicht bei
ihm graben, dann sackt er tiefer, und am End' gibt's später
ein Anglück. Der Satan muß 'raus, Lerr, sonst kommen
wir hier nich' weiter."
„Ia, 'raus muß er!" meinte auch Lerr Stöbbke und
nickte verdrießlich, als Jakob Zameike nun weiter sprach:
„Aber wer holt uns den Satan 'raus? Der wiegt ja seine
paar tausend Zentner! Der muß zerkloppt werden, Lerr.
Na, und das geht nu auch nich' sehr schnell. Da können
wir wohl so lang' feiern."
„Zerklovpen? Ansinn, da kommt doch nichts bei 'raus;
da ist er doch viel zu schade zu!" meinte Lerr Sröbbke und
ging dann nach Lause, denn miltlerweile war es Essenszeit