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94

Meggendorfer-Blätter, MÄnchen

Nr. !4tz7

Maßstab

— „Lächerlich, wie der Autor die Bauern schil
dert! Der war, scheint es, nie beim Lamstern?

Gassperre

Als aber der erfie Tag der Gassperre da war, und
man nun am Nackmittag einmal nachsehn wollte, ob wirk-
lich gar kein Gas mehr in der Leitung wäre, — siehe, da
brannte das Gas noch. Necht schwach zwar, aber Kaffee
konnte man doch darauf kochen. Das erschien merkwürdig. Am
nächsten Tage aber stand in den Zeitungen eine Aufklärung
seitens der Gasanstalt: ganz abgestellt könnte die Leitung
aus technischen Gründen nicht werden, nur der Druck darin
würde erheblich herabgesetzt,undim übrigen wäre es beiStrafe
sofortigen Abschneidens der Gaszuleitung jedem verboten,
in den angezeigten Stunden Gas zu entnehmen; es würde
in dieser Linsicht eine genaue Kontrolle durchgeführt werden.

— So, nun wußte man Bescheid.-

Gestern nachmittag um drei !lhr, als bei uns gerade
der Kaffee fertig war, klingelte es, und dann kam das
Dienfimädchen mit rotem Kopf und meldete, ein Lerr wäre
da wegen der Gaskontrolle und wünschte sofort in die
Wohnung eingelassen zu werden. „Er ist sehr grob/ sagte
das Dienstmädchen.

Leute,dieinPrivatwohnungen kommenundkontrollieren,
tun das natürlich nicht aus eigener Niedertracht, sondern
in Elfüllung einer vorgeschriebenen Pflicht; man hat sie mit
dem Befehl dazu ausgesandt, und sie haben gehorcken müffen.

Sie können also wirklich nichts dafür, aber trotzdem ist man
nicht geneigt, sie mit Wohlwollen zu empfangen. Man ift
in den letzten Iahren so viel kontrolliert, es ift einem so viel in
die persönlichsten Angelegenheiten hineingeschnüffelt worden. daß
man bei solchen Gelegenheiten leicht gewiffe, durch kühle Lleber-
legung nickt zu dämpfende Auswallungen bekommt. Auch in mir
wallte es jetzt auf, und deshalb ging ich, den kontrollierenden Lerrn
selbst zu empfangen. Er legitimierte sich flüchtig, aber mit Eleganz,
drückte jedoch sofort seine Mißbilligung aus, nicht sofort eingelaffen
worden zu sein. Er hätte keine Zeit, er müßte noch viel kontrol-
lieren, saqte er. Und überhaupt, — während er vor der Tür hätte
warten müffen, wäre womöglich inzwischen-

Den Nest verschluckte er, aber seine Rede verdroß mich trotz-
dem; es wallte stärker in mir. „Belieben Sie, sich in die Küche
zu bemühen," sprach ich sehr freundlich und geleitete ihn.

Auf dem Küchentisch stand gerade die Kanne mit dem sertigen
noch tüchtig dampfenden Kaffee. Der kontrollierende Lerr sah fie
sofort. „Oho," sagte er, „hier ist ja Kaffee gekocht worden!"

Ich lächelte ihn an und sprach milde: „Soviel ich weiß, ift
es noch nicht untersagt, nachmittags ein Getränk zu kochen. Wenn
es geschieht, werde ich nur kaltes Waffer aus der Leitung trinken,
bis auch dies verboten wird."

Der Lerr räusperte sich sehr stark. Er ging an den Gasherd und
betastete ihn. „Schon kalt. Ia, aber Kaffee haben Sie doch gekocht."

Ich blieb weiter milde. „Es dürfte Ihnen nicht unbekannt
sein, daß es außer dem Gas noch andere Mittel gibt, den zum
Kochen nötigen Wärmegrad zu erzeugen."

Seine Nase krauste fich stark, große innere
Empörung ihres Besitzers verratend. Er sah in
den Lerd hinein. „Keine Spur von Kohlen-
oder Lolzfeuer," erklärte er; „ich muß Sie
bitten, keine Ausflüchte zu machen."

„Sie dürfen die Möglichkeit nicht übersehen,
daß noch andere Leizgelegenheiten in meiner
Wohnung vorhanden sein können," sagte ich
noch viel milder.

Aber gerade die Milde schien ihm zu miß-
fallen. „Das Laus hat dock Zentralheizung, —
haben Sie denn noch Oefen?" riefer; es war aber
schon mehr ein Schreien. And ohne eine Auf-
forderung abzuwarten, lief er durch die ganze
Wohnung und sah in jedes Zimmer. Dann
triumphierte er. „Kein einziger Ofen!" Jch
werdeIhnen die Gasleitung sperren lassen, mein
Lerr, wenn Sie mir nicht einwandfrei erklären,
wie der Kaffee gekocht worden ist."

„Bitte nehmen Sie Platz!" sagte ich, und so
liebenswürdig,als wollte ichGeld von ihm borgen,
erklärte ich dann: „Ich setze voraus, mein Lerr,
daß Ihnen die zuerst von Arago beobachtete
physikalische Erscheinung des Rotationsmagne-
tismus bekannt ist. Ebenso werden Sie zweifellos darüber un-
terrichtetsein,daß dies die außerordentlich wichtigeEntdeckung
der sogenannten IndukrionSströme zur Folge gehabt hat. Des
ferneren wird Ihnen auch dieTatsache nicht fremd sein, daß be
sagten Induklionsströmen gegenüber bei verschiedenen Kör-
pern ein verschiedener Wrderftand besteht.Nehmen wir zum
Beispiel den spezifischen Widerstand des Silbers gleich 100 an,
so ist der des Kupfers gleich 104, des Goldes gleich 135, des
Eisens gleich 625 und des Platins gleich 952. Stellen Sie
sich nun vor, daß durch einen dünnen Platindraht ein Induk-
tionSstrom geleitet wird, so wird infolge des erwähnten
hohen Wtderstandes der Platindraht erwärmt, unter Am-
ständen ganz außerordentlich erwärmt werden. Nehmen
Sie ferner an, daß solch ein Draht um einen Kochtopf ge-
wickelt ist, so werden Sie in dem Topf außerordemlich leicht
und bequem Waffer zum Sieden bringen können. Gemeinhin
wird solch ei.n Topf ein elektrischer Kochtopf genannt. Nun
wohl, mein Lerr, — der Kaffee ist mit Lufe eines elek-

trischen Kochtopfs zubereitet worden."-

Der kontrollierende Lerr hat gar nichts mehr gesagt,
— wenigstens laut hat er nichts gesagt, innerlich jedenfalls
sehr viel. Llnd die Tür hat er ein brßchen laut zugemacht.
Der Kaffee aber hat mir nachher so gut geschmeckt wie
noch nie, trotzdem es nur Ersatz war.

— on.

Gefährliches Llnternehmen

— „Ia, um Limmelswillen, Lerr Dimpfler, wo sind
Sie denn so zugerichtet worden?"

— „Ich brauche zwei Packer sür's Geschäft, und da
bin ich hingegangen, wo die Erwerbslosen - Anter-
fiützungen ausbezahlt werden, und hab' die Leute,
die da warteten, gefragt, wer arbeiten wollte."
 
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