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1l6 Meggendorfer-Blätter, München

Der Kurzsichtiqe

2 »^V)

Ein Glücklicher

Larun al Rasckid. der große Beberrscker aller Gläu-
biaen, Dioqenes mit der Laterne und versckiedene andere
Lerren der alten und der neuen Zeit find schon au-gezocen,
um einen wahrbafl gliickiichen Menschen zu suchen. Db»r
es isi bieher eine veibürgle Nackr^cht darüber, ob sie ihn
gefunden u, d wor'n sein Glück bcstanden habe, nicht zu
vns gekommen. Selbü ganze Klaffen unter sackverständiger
LeUuni ihrer Lehrer haben siü daran gemackt an schur-
freien Nackrmttagen über Berge unv durch Täler zu zieben,
um das sckwierige Prodlem zu lösen, aber auch ihnen ist
es nicht ge?ungen. Der unbezäbmbare Trieb indessen, der
die Menschen abwechselnd zum Nordpol und zum Aequator
jaqt, rnht und rasiet nickt. den noch unentdeckten Glücklichen
zu finden, um nach dessen Nezept die ganze Welt in ein

Paradres zu verwandeln. Zmmcr und immer
wieder machen sich dieie Piomere der Philo-
sophie auf und steigen auf dem dornigen Pfade
der forschenden Wissenschaft in die dunklen
Tiefen der menschlichen Seele. Llnd so ging
auch ick eines Tages auf die Reise, die Ant-
wort auf die große Fraqe nach dem Glück zu
suchen, frech wie ein Reporter schnurgerade
auf mein Ziel los'teuernd.

Bei den Iunggesellen finq ich an. doch
da tras ich auf lauter verdrießliche Gesichter,
die mir das wayre Glück nicht zu bedeuten
schienen. Dann ging ich zu den Verbeirateten,
die schlugen mir die ungewaschenen Mindeln
um den Kopf, was wicder nicht recht nach
Glücklichsein aussah. Berufsstände aller Arten
warsen mich kurzerhand zur Türe hinaus, und
ein Vertreter der Beamtenschaft erklärte mir,
daß sie höchsiens zufrieden. aber nicht qlücklich
seien. Ein reicker Lerr, bei dsß, ich vorsprach,
erschrak derart, daß er den Krampf in die
Fmger kriegte, als er eincn Sckinken unter
dem Sofa verfteckcn wollte; alle Dichter ohne
Ausnahmepumptenmich an; Leute, dieLotterie-
lose spielten, nannten mich ein D'vmedar,
und hundcrt andere Zeitgenossen hielten mich
für übergeschnappt.

So kc>m ick auf meiner Wanderung auch
an ein Läuschen, daS nach einern Schildchen
an der Tür einem Kesselflicker gehörte. Weniger
nun, um ihn nach seinen Glücksumständen zu
fragen, als vielmehr in der Absicht, mir einen
Drahtreifen um meinen arq mitqenvmmenen
Zylinderhut legen zu laffen, betrat ich die
Stätte bescheidenen Gewcrb»fleißes. DerKessel-
fiicker schten mir indes so guter Dinqe zu sein,
daß ich nicht umbin konnte, auch ihm die
brennende Frage vorzulegen.

Ob er glücklich ser? das wisse er nickl.
Er tue seine Arbeit und um das andere kümmere
er fick nicht.

„WaS heißt das," erwiderte ich etwas
gereizt, „— kümmere mich um nichts. Sie
müssen doch wissen was in der W» lt vorgeht."
„Woher sollke ich denn das w'ssm?'
„Na, aus den Zeitungen. Sie mussen
doch Zhre Zeitung lesen!"

„Lab' noch nie eine gelesen und lese auch
heute noch kewe," versickerte mir der Kefsel-
flicker mit gloubwürdiqem Ernst.

Da schlug eS plörlich wie ein Llck tstrahl in das Dunkel
meines Äirns und voü Begcisterung fiel ich dem Kessel-
fltcker um den Lals.

„Dann lassen Sie uns Freunde sein," sckluckzte ich
gerührt. „Denn Sle sind der einzig wahrhaft Glückliche
auf d,eser Welt!"

And ich trat als Lehrling bei ihm ein. C. A. Lennig

Zunger Mann (zum Wlrt in der Vorstadt): „Könnten Sie
mir nicht zehn Dkark vumpen? .... Fahre ich da mit der
Elektrischen aus der Stadl heraus und lasse mein Porte-
monnme zu Äause liegen!"

— „Nee,... aber fünfzehn Pfennigc kann ich Zbnen geben,
daß Sie heimfahren und sich 's Portemonnaie holen!"
 
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