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130 Meggendorfer-Mätter, München

Das Titelbild
dieser Nummer:
„Reiterin am
Strande"
ist von Prof.
MaxLiebermann
Berlin.

— „Schau nur, wie unser Alter da sitzt, der.wird schon langsam a lebender Paragraph!"

Der Tabak und das Ziegenhaar

Lange Iahre hindurch rauchte ich eine vorzügliche —
wenigstens meiner Meinung nach war sie vorzüglich, andern
Leuten, die darum nicht unrecht zu haben brauchten, mag
sie vielleicht nicht so gut geschmeckt haben, denn die Ge-
schmäcker, wie manche Deutsche mit einer greulichen Plural-
bildung sagen, find bekanntlich verschieden — also lange
Iahre hindurch rauchte ich eine vorzügliche Tabakmischung.
Sie hieß „Sultan von Marokko", wurde hergestellt von der
Firma „Auguft Wilhelm Kolderjahn Sohn und Stiefsohn"
und war in hübsch lackierten Blechbüchsen zu kausen, die
etwa ein halbes Pfund enthielten.

Solch eine Blechbüchse hatte ich immer auf meinem
Schreibtisch stehn, damals, als es noch den „Sultan von
Marokko" gab, denn inzwischen ift er, wie vieles andere
Gute, verschwunden, und wer weiß, ob er überhaupt ein-
mal wiederkommt. Zn jener glücklichen Zeit aber griff ich

soetwaallehalbeStunde

in die Büchse und füllte
mir eine neue Pfeife,
— wenn ich am Schreib-
tisch saß, selbfiverständ-
lich. Eines Morgens
nun — es war gerade
die erste Pfeife des
Tages, die ich präpa-
rieren wollte — fühlten
meine in den Tabak
gefieckten Finger eine
Subftanz, von der mir
schon das Gefühl sagte,
daß sie keineswegs in
eine Pfeife hineinge-
hörte. Meine Augen,
die ich hierauf zu Äilfe
nahm, bewiesen mir, daß
die Finger sich nicht ge-
täuscht und meinePfeife
und damit auch mei-
nen Gaumen vor etwas
Entsetzlichem bewahrt
hatten. Denn was holte
ich aus dem „Sultan
von Marokko" heraus?
Einige dichte Flocken
gelblicher, weicher aber
doch starker Laare.
Menschenhaare waren
es nicht, aber von wel-
chem Tier stammten sie?
Ich durchfiöberte meine
Erinnerungen aus der
Zoologie. Diese Art
Laar kam mir eigentlich
sehr bekannt vor, ich mußte es schon ost gesehen haben.
Lalt, — Ziegenböcke haben solch zottiges Laar. Vielleicht
stammte es auch von einer Angoraziege. Ich entschied mich
für den Ziegenbock und schrieb sofort an die Firma August
Wilhelm Kolderjahn Sohn und Stiefsohn diesen Bries:

„Sehr geehrte Lerren,

in einer Büchse Ihres sonst vortrefflichen Rauchtabaks
,Sultan von Marokko^ fand ich heute die beigefügte Sub-
stanz, die ich mit ziemlicher Sicherheit als vom Fell eines
Ziegenbocks herrührend bezeichnen möchte. Wenn ich auch,
ohne Landwirt und Viehzüchter zu sein, den Nutzen von
Ziegenböcken begreife, bin ich doch der Meinung, daß sie
auch nur teilweise nichts im Tabak zu suchen haben, dies
umsoweniger, als Ziegenböcke, wie Ihnen vielleicht bekannt
ist, beträchtlich stinken, so sehr, daß man durch Einsteüen
eines Ziegenbocks sogar Ratten aus dem Lause zu ver-
treiben vermag. Da ich aber keine Natten in meiner

e»p»rt«ht 1S1S htz I. r. «chrether
 
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