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3-itschrift für Humor und Kunst lZ5




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Dte Strafe

„Na," meinle Wachtel, als ich geendet hatte,

„ist das nicht klassisch?"

„Na, lieber Gott," erwiderte ich, „ein Leirats-
gesuch wie hundert andere auch. Ein wenig über-
spannt und anspruchsvoll vielleicht."

„Ein wenig nur?" spottete Wachtel. „Na, da
brat' mir doch einer 'nen Storch. Wenn die nicht
total vom Größenwahn befallen ift, laffe ich mich
frikasfieren. Aber der dummen Gretel wollen wir's
besorgen. Der schreiben wir einen Brief, daß fie hupft."

,Wir-— ?" sagte ich kopfschüttelnd.

,Na dann — wenn du rücht mittun willst, so
mache ich es allein," beharrte Wachtel. „Aber ge-
macht wird's!" And sogleich ließ er sich vom Kellner
Briefpapier und Schreibzeug bringen. Llnd dann
schrieb er, und die Bosheit leuchtete ihm aus den
Augen. Nach etwa zehn Minuten lehnte er sich mit
einem zufriedenen Scknaufer in seinen Stuhl zurück
und sagte: „So jetzt hab' ich's. And hören mußt du
wenigstens, was ich geschrieben habe. Denn insoweit
muß ich dich mitschuldig machen, sonst ift der Spaß
nur halb."

Ich nickte ihm lächelnd Gewährung. und mit ge-
dämpfter Stimme las er mir seinen Lerzenserguß
vor. Folgendes war der Inhalt seines Briefes.

Lochgeehrte Angebetete! Durch Fügung oder
Zufall kam mir heute Ihr Inserat zu Gesicht, und
es traf mich wie ein elektrischer Schlag. Ihre holden
Worte riffen mich wie durch Zaubergewalt aus meiner
stumpfen Gleichgültigkeit, mit der ich bisher dahin-
gelebt, und ließen in mir die hohe, hehre Flamme der
Liebe auflodern. Ich fühle einen nie geahnten see-
lischen Schwung in mir, und alle meine Gedanken
drängen sich in den einen glühenden Wunsch zujammen,
an Ihrer Seite, göttliche Dame, die Pforten des
Paradieses zu sprengen, um dort mit Ihnen zusammen ein
ideales, ungetrübtes Glück zu genießen.

Ehe ich indeffen meinen beschwingten Gefühlen weiter
die Zügel schießen laffe, will ich gehorsam und wunschge-
mäß zur wahrheitsgetreuen Darlegung meiner Verhältnisse
schreiten und mich dabei so rückhaltlos offen zeigen, wie
mir das die Achtung vor Ihren hohen Vorzügen gebietet.

Ich bin Photograph von Beruf und nicht mehr in der
ersten Iugend, jedoch auch noch nicht so alt, wie mein vor
der Zeit entlaubtes Laupt das vermuten läßt. Meine
äüßere Erscheinung ist, abgesehen von einer etwas hohen


Bewegung

— „Geben Sie noch immer Gesangsstunden, Lerr Professor?"

— „Ietzt im Winter nicht. Da nehmen die Leute nur Klavier-
fiunden, weil das beffer wärmt."

Lüfte und einer erfrorenen Nase, vorteilhafter als die
manch anderen Mannes und mein Gesundheitszustand nur
vorübergehend durch Gicht- und Asthmaanfälle beeinträchtigt.
Eine starke Neigung zum Alkohol dürfte zweifellos unter
dem veredelnden Einfluß einer hochgesinnten Frau auf den
Weg der zeitweiligen Abstinenz zu bringen sein, im übrigen
würde ich gar nichts dagegen haben, wenn auch meine zu-
künftige Gattin bisweilen Anregung im Genuß geifiiger
Getränke suchen'und so ein Band schöner Gemeinsamkeit
zwischen>nsssschaffen würde.

Vermögen besitze ich keines, und meine Schulden find

Der eingegangene Schleichhändler





Paniiirei'kam
 
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