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ZeiLschrift für Humor und Kunst O

1S7

Wte ich Detektiv wurde

seines Schicksals in den ungemütlichen Lof
v erbannte.

Für mich wurde nun dieses blöde Velfern
zu einer Quelle zitternder Wut. Zch verlor
die ganze Freude an meinem molligen Zimmer,
dem melancholischen Garten und den husten-
den Maikäfern. Erhöht wurde meine zornige
Nervosität noch dadurch, daß ich das stumpf-
sinnige Vieh selbst niemals zu Geficht kriegen
konnte, noch auch seine ohne Zweifel ebenso
stumpfsinnige Lerrin. Denn eine „Lerrin"
nur konnte es sein, die sich einen so abscheu-
lichen Köter hielt. Die schon erwähnte hohe
Mauer hinderte jeden Ausblick nach drüben,
und es plagte mich eine geradezu krankhafte
Sucht, wenigstens mit Augen einmal den
verwünschten Störer meiner Ruhe sehen zu
können. Es schwächt eine blinde Erregung
sichtlich ab, wenn man den Gegenstand der-
selben wahrnehmen und sich ein genaues Bild
von ihm machen kann, aber das war in diesem
Falle unmöglich. Denn es führte kein Zugang
zu meinem Lofe, außer durch das Kontor,
und das Fenster meiner Stube war vergittert.

So begnügte ich mich denn, gegen den unsicht-
baren Feind zu wüten und ihm die gräßlichsten
Verwünschungen über die Mauer hmüber
zuzuschleudern. Nahe daran war ich auch,
ihm einmal einen vergisteten Brocken Fleisch
hinüberzuschmeißen, aber ich verwarf den Plan
als feig und hinterliftig und wer weiß, ob
der verzärtelte Schoßbund den veldächtiqen
Bissen überhaupt gefressen hätte. Ein Ver-
such, die übrigen Lausbewohner gegen meinen
Peiniger aufzuhetzen und seine Abschaffung
zu erzwingen, führte zu dem betrübenden
Nesultat, daß diese überhaupt nicht wußten,
daß ein Lund in der Nachbarschaft exiftierte.

Glückliche Menschen!

Mich aber brachte der Köter allmählich
auf die schiefe Bahn. Zch vernachlässigte
meine Maikäfer, und wenn der Lund seine
Stimme erschallen ließ, riß ich einfach aus.

Zch ging spazieren oder, wenn das Wetter
dazu zu schlecht war, suchte ich ein Kaffee-
oder ein Weinhaus auf. Das letztere behagte
mir zum Schluß am besten, und so wurde aus
einem soliden, strebsamen Menschen in mittleren Iahren
ein trunkfälliges, arbeitsscheues Subjekt. Oder doch beinahe.
Denn plötzlich merkte ich zu meinem Erstaunen, daß ich das
sade Gekläff eigentlich gar nicht mehr hörte. Ich blieb aus-
drücklich mehrere Tage deswegen daheim und konnte fest-
stellen, daß vollständige Ruhe herrschte. Der Lund mußte
entweder ausaezogen oder in seinem eigenen Fett erstickt
sein. Eine Woche wartete ich noch zu, um ganz gewiß zu
sein, aber es rührte sich nichts mehr. Nun tat mir das
eigentlich recht leid, nicht wegen meines verflosienen Quäl-
geiftes, sondern wegen meiner alkoholischen Tröstungen.
Sie sind, wie die Liebe, eine Zaubermacht, aber nach ein-
fichtsvoller Einkehr bei mir selber erwiesen sich die huftenden
Maikäfer als stärker, und ich kehrte reumütig zu ihnen zurück.
Gleichzeitig wurde meine Aufmerksamkeit aus einen Kriminal-
fall gelenkt, der insofern mein besonderes Znteresse erweckte,
alS er in inniger Beziehung zu meiner Llmgebung stand.

Zensur

— „Nein, Kinder, ihr dürft nicht lesen,
was ich vorher nicht gelesen habe."

— „Aber, gnädigfte Tante, Sie schlafen
doch so oft bei einem Buch ein."

— „Gut, das dürst ihr dann lesen."

Es handelte fich um einen Iuwelenschwindel, der von einer
angeblichen Gräfin Strychninski verübt worden war. And
diese Gaunerin hatte in dem einftöckigen Lause hinter
meiner Lofmauer gewohnt.

Nein, so was!

And vielleichthatteihrsogar der abscheulicheLund gehört?

Auch das tras zu, wie dem Bericht zu entnehmen war.

Und nun waren beide spurlos verschwunden mitsamt
einem Schatze von Geschmeiden und Iuwelen. Lleber die
Persönlichkeit der Verschwundenen hatte man nur ganz
schwache Anhalte. Sie hatte das erwähnte Laus mit einer
Dienerin ganz allein bewohnt und war sehr wenig sichtbar
geworden. And wenn sie wirklich einmal ausgegangen war,
geschah das so dicht verschleiert und in allerhand Behänge
eingehüllt, daß ein nur halbwegs zutreffendes Signalement
von ihr nicht zu geben war. Daß fie einen Lund besessen
hatte, war nur ganz nebenher erwähnt, und so war ihre
 
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