Zeitschrift für Humor und KunsL
199
Der Diplomat
Kurz nachdem Äacklmoos durch den
Bahnbau und einige Schilder auf dem
Bahnhofe, die Speisen, Getränke und
Bequemlichkeiten der „Gasthöfe" viel-
farbig anpriesen, Luftkurort geworden
war, fand man auf dem Gundlacher
seiner Leiten eine Quelle, die wie dünnes
Bier aussah und einen Geschmack hatte,
wie eine aufgeschmolzene Waffersuppen.
Der Bader Blattl, der in Reichen-
hall das Bartschaben erlernt hatte,
nahm fich der Sache an und bald wußte
es der ganze Ort, daß der Gundlacher
ein Glückspilz war und was für ganz
Lacklmoos diese Quelle bedeutete, in
der ein berühmter Chemiker siebenund-
zwanzig medizinische Delikatessen ge-
funden hatte.
Auf der Gundlacher Leiten entstand
ein Park, und ringsherum wuchsen die
Villen im Geldbeutelstil, an deren
Fenfter in vier oder fünf Sprachen zum
Mieten eingeladen wurde. Der Schmid-
wirt machte aus seiner Wagenremise
eine Dependance und nannte fich Grand-
hotel zum „Bayrischen Lofe", und der
Anterwirt verlegte eine unentbehrliche
Notwendigkeit ins Laus selbst und
wurde dadurch zum „Laus allerersten
Nanges."
Auch die übrigen Lausbefitzer be-
mühten fich, ihren Liegenschaften mit
wildem Wein, Pfeifenkraut, Oelfarbe
und Goldbronze einen badeortmäßigen
Anstrich zu geben.
Auf der „Lauptstraße" entstanden
allerhand neue Geschäfte mit Fremden-
bedarf, und auch beim Sagschneider lug-
ten im Schaufenster zwischen den ge-
diegenen Bedürfniffen des bäuerlichen
Lausrates die „Andenken an Lackl-
moos" wie der Speck aus den Mausfallen.
Aber der Sagschneider war nicht scharf aufdas Fremden-
geschäft. Von reichen Amerikanern und Engländern war
nichts zu sehen, und aus den rheumatischen Kleinbürgern
und Pensionären, die nach Lacklmoos kamen, war nicht
viel herauszuschlagVn.
So hatte man denn auch auf den Rat des Magistrats-
rates Sagschneider die Iahrmärkte sür die Bauern bei-
behalten, und das war gut so.
Für die Fremden waren fie eine Anterhaltung und für
die Bauern eine „Sensation", weil der aufblühende Bade-
ort Lacklmoos einen gewiffen Reiz auf fie ausübte.
An einem solchen Markttage hatte der Sagschneider
eines Tages alle Lände voll zu tun.
Da handelte ein Bauer um einen Anzugfioff, dort einer
um Roßdecken. Seine Ladenmädel bedienten die Bäuerinnen
mit Bettzeug und Lausbedarf aller Sorten und ein Laufen
Bauern stand herum, um geduldig zu warten, bis die Reihe
an fie kam.
Gerade im ärgsten Trubel kam eine Fremde und ver-
langte Stoff für eine Bluse. Sie schaute herausfordernd
herum, weil die Bedienung nicht gleich bei der Land war,
und als man ihr so zwischendurch etwas vorlegte, da tat
Die Platte
— „Was meinen Sie, Lerr Adjunkt, — das
Bild ist nichts geworden, die Platte ist nicht
genug belichtet? Das hätten Sie mir vorher
sagen sollen, da hätt'ich den Lut abgenommen.-
fie gar empfindlich, verachtete die Ware und sprach weg-
werfend über den Preis.
Wie der Sagschneider das hörte, gab es ihm einen Riß.
Die Bauern sind gar mißtrauisch, und wenn ein Landel
in ihrer Gegenwart zu ungunsten des Verkäufers ausging,
so verschwanden ficher die Wartenden, und die gerade im
Landel waren, wurden noch zäher, wie sie schon von Laus
aus waren.
Da mußte also was geschehen.
Schnell entschlossen unterbrach der Sagschneider seinen
Landel, trat auf die Dame zu und lächelte, soweit er das
überhaupt fertig brachte. Ob die Dame nicht einen ganz
neuen Blusenstoff im Schaufenster ansehen wolle, meinte er.
Das wäre ficher der rechte, und der Preis sei ganz besonders
nieder.
Richtig trat die Dame vor die Türe, und der Sag-
schneider ging hinterdrein.
Draußen aber machte der Sagschneider ein Geficht wie
ein Menschenfreffer und warf hinter buschigen Brauen ein
paar gefährliche Blicke auf die erstaunte Fremde. „So, und
jatz machen S', daß S' weiter kemma," sagte er. „An
Schnauzl hetz i' Eahna hi', bals nomal einigenga, Sie aus-
g sckamte Bißgurg'n, Sie."
199
Der Diplomat
Kurz nachdem Äacklmoos durch den
Bahnbau und einige Schilder auf dem
Bahnhofe, die Speisen, Getränke und
Bequemlichkeiten der „Gasthöfe" viel-
farbig anpriesen, Luftkurort geworden
war, fand man auf dem Gundlacher
seiner Leiten eine Quelle, die wie dünnes
Bier aussah und einen Geschmack hatte,
wie eine aufgeschmolzene Waffersuppen.
Der Bader Blattl, der in Reichen-
hall das Bartschaben erlernt hatte,
nahm fich der Sache an und bald wußte
es der ganze Ort, daß der Gundlacher
ein Glückspilz war und was für ganz
Lacklmoos diese Quelle bedeutete, in
der ein berühmter Chemiker siebenund-
zwanzig medizinische Delikatessen ge-
funden hatte.
Auf der Gundlacher Leiten entstand
ein Park, und ringsherum wuchsen die
Villen im Geldbeutelstil, an deren
Fenfter in vier oder fünf Sprachen zum
Mieten eingeladen wurde. Der Schmid-
wirt machte aus seiner Wagenremise
eine Dependance und nannte fich Grand-
hotel zum „Bayrischen Lofe", und der
Anterwirt verlegte eine unentbehrliche
Notwendigkeit ins Laus selbst und
wurde dadurch zum „Laus allerersten
Nanges."
Auch die übrigen Lausbefitzer be-
mühten fich, ihren Liegenschaften mit
wildem Wein, Pfeifenkraut, Oelfarbe
und Goldbronze einen badeortmäßigen
Anstrich zu geben.
Auf der „Lauptstraße" entstanden
allerhand neue Geschäfte mit Fremden-
bedarf, und auch beim Sagschneider lug-
ten im Schaufenster zwischen den ge-
diegenen Bedürfniffen des bäuerlichen
Lausrates die „Andenken an Lackl-
moos" wie der Speck aus den Mausfallen.
Aber der Sagschneider war nicht scharf aufdas Fremden-
geschäft. Von reichen Amerikanern und Engländern war
nichts zu sehen, und aus den rheumatischen Kleinbürgern
und Pensionären, die nach Lacklmoos kamen, war nicht
viel herauszuschlagVn.
So hatte man denn auch auf den Rat des Magistrats-
rates Sagschneider die Iahrmärkte sür die Bauern bei-
behalten, und das war gut so.
Für die Fremden waren fie eine Anterhaltung und für
die Bauern eine „Sensation", weil der aufblühende Bade-
ort Lacklmoos einen gewiffen Reiz auf fie ausübte.
An einem solchen Markttage hatte der Sagschneider
eines Tages alle Lände voll zu tun.
Da handelte ein Bauer um einen Anzugfioff, dort einer
um Roßdecken. Seine Ladenmädel bedienten die Bäuerinnen
mit Bettzeug und Lausbedarf aller Sorten und ein Laufen
Bauern stand herum, um geduldig zu warten, bis die Reihe
an fie kam.
Gerade im ärgsten Trubel kam eine Fremde und ver-
langte Stoff für eine Bluse. Sie schaute herausfordernd
herum, weil die Bedienung nicht gleich bei der Land war,
und als man ihr so zwischendurch etwas vorlegte, da tat
Die Platte
— „Was meinen Sie, Lerr Adjunkt, — das
Bild ist nichts geworden, die Platte ist nicht
genug belichtet? Das hätten Sie mir vorher
sagen sollen, da hätt'ich den Lut abgenommen.-
fie gar empfindlich, verachtete die Ware und sprach weg-
werfend über den Preis.
Wie der Sagschneider das hörte, gab es ihm einen Riß.
Die Bauern sind gar mißtrauisch, und wenn ein Landel
in ihrer Gegenwart zu ungunsten des Verkäufers ausging,
so verschwanden ficher die Wartenden, und die gerade im
Landel waren, wurden noch zäher, wie sie schon von Laus
aus waren.
Da mußte also was geschehen.
Schnell entschlossen unterbrach der Sagschneider seinen
Landel, trat auf die Dame zu und lächelte, soweit er das
überhaupt fertig brachte. Ob die Dame nicht einen ganz
neuen Blusenstoff im Schaufenster ansehen wolle, meinte er.
Das wäre ficher der rechte, und der Preis sei ganz besonders
nieder.
Richtig trat die Dame vor die Türe, und der Sag-
schneider ging hinterdrein.
Draußen aber machte der Sagschneider ein Geficht wie
ein Menschenfreffer und warf hinter buschigen Brauen ein
paar gefährliche Blicke auf die erstaunte Fremde. „So, und
jatz machen S', daß S' weiter kemma," sagte er. „An
Schnauzl hetz i' Eahna hi', bals nomal einigenga, Sie aus-
g sckamte Bißgurg'n, Sie."