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Gefahr der Abrüstung — „Lassen Sie sich gur zureden, Bracklow, und Sie auch, Gallen-

kamp! Einen Streit darf man jeht nicht zu weit treiben, —
mit Duell ift das jetzt 'ne faule Sache; wenn die Festungen abgeschafft werden, muß man am Ende dafür brummen."

Äbr htöfjgb Antor Von Peter Robinson

Dies ist eine von den Geschichten, die mir der Äerr
Theaterdirektor Willibald Leman nach und nach erzählt
hat, — wenn ich ihn gerade einmal unterwegs getroffen
hatte, irgendwo zwischen der Oder und dem Pregel, der
Ostsee und der polnischen Grenze. Denn diesem Teil des
deutschen Vaterlandes vermittelte er mit seiner tüchtigen
Schauspielertruppe — und mit der Souffleusel — allerlei
Bekanntschasten mit mehr oder minder edlen Erzeugnissen
der dramatischen Dichtkunst. Wenn Äerr Direktor Leman
auf diesen Reisen bei den Ortspolizeibehörden fich anmeldet,
schreibt er seinen Namen um eine ganze Kleinigkeit anders,
nämlich Lehmann. Das verlangt die Polizei. Für den
sonstigen Gebrauch aber hat er das „h" aus seinem Namen
entfernt, weil es ihn etwas gestört hat. Warum sollte er
das auch nicht tun? Es sind ja so viele „h" aus deutschen
Wörtern, wo fie viel nötiger wären, erbarmungslos hinaus-
geschmissen worden, daß man den Ton des Töpfers nicht
mehr vom Ton der Flöte und ein Schiffstau nicht mehr
vom Morgentau unterscheiden kann. Darauf paßt aber
die Polizei nicht auf. Wenn dem Äerrn Millionär N. N.
hundert Mark gestohlen werden, nimmt fich die Polizei
der Angelegenhett an, und der Äerr N. N. hat doch noch
so viel mehr, dem machen die hundert Mark gar nichts.
Wenn aber einem armen kleinen Wort sein einziges „h",
das es so notwendig braucht, ruchlos gestohlen wird, ist

das der Polizei ganz egal. Wir haben eben keine Polizei
für die Sprache. Deshalb gibt es auch so viele Leute,
denen die Sprache ruhig gestohlen werden kann.-

Also, Äerr TheaterdirekLor Willibald Leman erzählte
mir: In den zwanzig Iahren, die ich nun als ein wandern-
der Kulturfaktor umherziehe, bin ich jedesmal mit Ver-
gr.ügen nach Storchenburg gekommen, immer im Frühjahr,
vor den ersten Schwalben. Ich habe dort stets recht gute
Geschäfte gemacht, und es ist mir gewiß nicht übel zu neh-
men, daß ich die Kultur lieber dorthin trage, wo sie mir
gut bezahlt wird, als an einem Platz, von dem ich wo-
möglich mit Schulden wieder abziehen muß.

Storchenburg ist eine freundliche Stadt von etwa zehn-
tausend Einwohnern. Anter diesen sind eine größere Menge
Beamte, als man sie sonst in solchen Städten findet. Denn
in Storchenburg ist die Regierung; außerdem befinden fich
dort ein Amtsgericht, ein Steueramt, die sogenannte „Land-
schaft," unter welchem Pseudonym sich bekanntlich eine
Kreditanstalt verbirgt, von deren Nützlichkeit ich mich per-
sönlich freilich nicht habe überzeugen können, da sie Theater-
direktoren finanziellen Beistand nicht angedeihen lassen will,
ferner ein Landratsamt, ein Gymnafium, eine Reichsbank-
nebenstelle und ein Postamt erster Klasse. Alle diese An-
stalten beschästigen zusammen natürlich einen ganzen Laufen
von Beamten. Am Kleinftädte mit vielen Beamten mache
ich im allgemeinen mit meiner Truppe lieber einen Bogen;
 
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