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Zeitschrift für Humor und Kunst

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Der hiestge Auror

besonders, da so viele Leute zusammen
brüteten. Schließlich hat dann der Ren-
tier Groschkus auf einmal gesagt: „Mehr
Licht!" und dann ift der Doktor Ober-
müller entzückt aufgesprungen, hat den
Kerrn Groschkus umarmt und gejauchzt:

^La — das ist's!" Dann haben auch
alle anderen, Damen und Lerren, ge-
jauchzt: „La — das ift's!" — freilich
ohne einander zu umarmen, und es ist
allgemeiner Iubel und riestge Freude
gewesen, und dem Rentier Groschkus
wurden von allen Seiten Komplimente
gemacht, den Verein so wunderschön ge°
tauft zu haben, was er sich auch ganz
ruhig gefallen ließ. Ein paar Leute
haben zwar nachher behauptet, der Lerr
Groschkus hätte das gar nicht mit Be-
ziehung auf Goethe gerufen, sondern
sich nur an den Kellner gewendet, daß
er noch ein paar Gasflammen anzünden
sollte, weil der Refsourcesaal, in dem
der Verein tagte, gar so miserabel be-
leuchtet war. Der Nessoureewirt mochte
nicht viel Licht spendteren, weil der Ver-
ein mehr auf geistige Genüffe bedacht
war und nicht viel verzehrte. Aber das
war egal; es ist ja auch gar nicht ficher,
wie Goethe diese Worte gemeint hat.

Iedensalls hatte nun der Verein einen
schönen Namen, und das war die Laupt-
sache.

Die Vereinsmitglieder müffen sehr
viel Zeit übrig gehabt haben. Nun ja,
es woren ja viele Beamte dabei. Ich
glaube, jede Woche haben sie eine Tra-
gödie oder ein Schauspiel oder eine Ko-
mödie bewältigt. Iedesmal hielt der
Doktor Obermüller vorher einen Vor-
trag zur sogenannten „Einführung in JngriMM
das Verständnis der Dichtung"; dann
lasen fie mit verteilten Rollen, hierauf
kam wieder der Obermüller mit einer
Schlußbetrachtung, und zuletzt unter-
hielten sie stch, wie herrlich das alles gewesen wäre.
Die Leute schwollen förmlich an vor literarischer Bildung.
Als ich nun ankam, war das gerade so, als wenn einem
der Teufel einen schön bestellten und sonst sehr ertragreichen
Acker zollhoch mit Salz bestreut hat. Denn gingen die
Lerrschaften aus dem „Storchenburger Literarischen Verein
und dramatischen Lesekränzchen: Mehr Licht" in mein
Theater? Fiel ihnen gar nicht ein. Sie sagten sich: „Gibt
dieser kleine Theaterdirektor da irgend ein belangloses Luft-
spiel, so steht das unter unserm geistigen Niveau; bemüht
er sich aber mit einem klasfischen Werk, — ach, du lieber
Gott, man weiß ja, was so eine wandernde Truppe dem
Dichter schuldig bleiben muß. Nein, da haben wir in unserm
Verein einen weit reineren Genuß." Natürlich, die meisten
wären eigentlich ganz gern zu mir gekommen, besonders
zu den belanglosen Lustspielen, die unter ihrem geistigen
Niveau waren, aber ihr Verein war noch zu jung, sie
mußten noch vornehm damit tun. Was aber dem Litera-
rischen Verein und dramatischen Lesekränzchen nicht gut
genuq war. das paßte nun auch vielen andern Leuten nicbt.

Bettler lder anstatt etnes Geldgeschenks heute die Erbssuppe
gekriegt hat, dte der kleine Fritz übrtg ließ): „Wenn d' noch-
mal dei' Supp'n nicht essen willft, du Lausbub..!"

die gar nicht Mitglieder waren, denn die Meinung, daß
etwas nicht gut genug sei, greift leider in der Welt tausend-
mal schneller um sich, als der Glaube, daß eine Sache
etwas tauge.

Mein sonst so braves Storchenburg begegnete mir also
mit Kälte, und eine dicke Eisschicht lag über dem munteren
Ouell, aus dem die Storchenburger sonst bei mir Zerstreu-
ung und Lufibarkeit geschöpft hatten. Aber, zum Donner-
wetter, das Eis mußte gebrochen werden! Nun, ich kenne
mancherlei Mittel, das Interesse eines spröden Publikums
zu wecken. Für Storchenburg aber mußte es mit Rücksicht
auf die durch den „Mehr Licht Verein" geschaffene geistige
Atmosphäre ein ganz besonderes Mittel sein. Ich fand es
und brachte es sofort in Anwendung; zögern durfte ich
nicht, denn allabendlich gähnte mich ein leeres Laus an.
Aebrigens, ein Mitglied des Vereins besuchte doch mein
Theater. Das war der Lerr Nentier Groschkus. Er hatte
zwar den Namen sür den Verein gefunden, langweilre fich
aber bei dessen Veranstaltungen entsetzlich und hatte fich
überhaupt nur aufnehmen lassen. weil er sonft als titel-
 
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