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36 Meggendorfer-Blätter, Miinchen


Weitreichknde Folgen — „Die Folgen des Krieges
machen sich auch in der Geifierwelt bemerkbar, — immer,
wenn sich einer manifefiiert, riecht's nach Limburger Käse."

Warnprecht Von Fritz Müller

Früher gab es Kaffeeriecher, die in Laus und
Straße nach verbotnem Kaffee forschten. Auch bei
Kramer L Friemann gab cs einen Kaffeeriecher.
Wamprecht hieß er, der alte Wamprecht. Er forschte
aber in erlaubtem Kaffee. Wir Lehrlinge konnten
seinen Nutzen lange nicht begreifen: „Kriegt den
doppelten Gehalt eines Buchhalters," kritisierten wir,

„und was hat er groß zu tun? Angebotene Kaffee-
sorten durchzuriechen und mit wichtig hochgezogenen
Brauen zu behaupten: ,Ischt guat ... ischt schiach'

— als ob das auch was wäre — für das Sünden-
geld mach' ich zehnmal einen Kaffeeriecher."

„Ich auch," sagte Buchhalter Vater, „wenn's nur
auf den guten Willen ankäm'."

„Worauf denn sonft noch?"

„Auf die Nase."

Alles was recht ist, eine Naff hatte Wamprecht,
eine Riesenzinke, mit der siebzehn naseweise Lehr-
lingsnasen, zusammengebacken, nicht hätten konkur-
rieren können.

„!lnd auf die Größe kommt es nicht mal an,"
belehrte Vater weiter, „sondern auf den Riecher."

„Gott," schnüffelten wir Lehrlingsnasen, „daß
der eine Kaffee voller oder schwächer als der andre
riecht, das wissen unsre Nasen auch."

Der Buchhalter holte schweigend eine Nechnung
aus dem Fach. „Michelson Brothers, Nio de Ianeiro,

Pfund Sterling 5017. 2. 3," lasen wir.

„Das sind hunderdtausend Mark für fünfzehn-
hundert Sack Kaffee," fttgte er hinzu.

„Na ja," beharrte unsre Lehrlingsklugheit, „und was
weiter?"

„Was weiter? Plus Wamprechts Nase verdienen
wir 'ne schöne Stange Gold daran."

„And ohne?" zwinkerten wir.

„Wär' es möglich, daß wir nichts verdienten oder gar
noch draufbezahlten."

Langsam fingen jetzt auch wir die Wamprechtsnase zu
verehren an. Einen mystischen Glanz bekam fie. Einen
metallischen hatte sie schon ohnehin. x

„Schaut ihm mal zu," sagte der Prokurist, „es ift eben
eine neue Mustersendung aus Lamburg eingetroffen."

Da ftellten wir uns ehrfurchtsvoll im Musterzimmer
an die Wand und schauten zu. Der Kontordiener legte
Feierlich die blauen Musterdüten auf den langen Tisch.
Weiß erglänzten auf den blauen Körpern die rechteckigen
Zettelbrüste mit der Aufschrift Zooä g-vsraAo Ernte

1891", „Maracaibo flachbohnig Aooä miäälo", „Guatemala
1890 großbohnig voll" ... und in Reihen lagen die spitzigen
Dreiecksgesichter mit den Einaugen der Messingmusterklam
mer, erwartungsvoll wie wir: Was nun?

Nun ging zum zweitenmal die Türe auf. Frau Schräder,
die Putzfrau, stellte die kleine NöstLrommel mit der Spiritus
beheizung auf den Tisch. Nicht minder feierlich.

Erft das drittemal trat langsam Wamprecht durch die
Türe. Vielmehr seine Nase. Denn was sonst noch an ihm war,
schlenkerte nur nebensächlich um die Wamprechtsnase. Wir
hatten das Gefühl» daß ein Posaunenchor jetzt blasen müßte,
als die Nase schweigend glänzend in das Musterzimmer schritt.

Ans sah er an, wie Priester Meffeknaben anschaun,
die den Weihrauch streun. Die erste Düte griff er, „Pre
anger Gold perlbohnig mild," drückte gütig in die Nänder,
daß das Opfer bauchig wurde, sich blähte, und daß Kaffee-
blut herausrann in die hvhle Wamprechtshand: „Lerr,
hier bin ich, was soll ich tun zu deinem Lob und Preis?"

Langsam und strahlend senkte sich die Riesennasenampel

Verdächtkg

— „Daß Sie Ihre Liebeserklärung in Versen machen, ist sehr schön,
Lerr Adolar, aber Sie haben ja gar nicht aufmeinen Namen gereimt,

— sollten Sie die zu wiederholtem Gebrauch gedichtet haben?"
 
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