Zeitschrift für Huuwr und Kuust 39
Wamprecht
Ein Wink, der Priesterkontordiener zün-
dete die Spiritusflamme unter der Rösttrom-
mel an. Ein zweiter Wink, ich durfte einen
Musterdüteninhalt in die Trommel schütten.
Scheu und zitternd tat ich's. Die Bohnen
praffelten. Gerüche stiegen auf. Nebel wallten.
Brasilien hob sich aus der Ozeanbläue. Kaffee-
wälder rauschten. Bahnen keuchten. Dampfer
tuteten. Federn schrieben auf Fakturen:
Kramer L Friemann Sollen
An 100 Sack Mokka klein perlbohnig
vollschmeckend ...
Ein dritter Wink, die PrieftergehilM Putz-
frau Schräder kurbeltedie Rösttrommel. Gletch-
mäßig feierlich. Choralmusik, kein Lehrlings-
herz vergißt sie. Aus dem Nebel heben sich
Kontore, rollen Wagen, knallen Knechte mit
den Peitschen, fahren Ladendiener mit den
Schaufeln in die Kästen: „Gnädige Frau,
diese Sorte Maracaibo kann ich Ihnen ganz
besonders empfehlen ..."
Die Riesennase schnuppert leicht. Das
Rösten ist zu Ende. Ein vierter Wink, Frau
Schräder hört zu kurbeln auf. Auf die Trommel.
Wieder wallen Opferdämpfe. Braun und
glänzend perlt's aus der Löhle.
„Na, Lerr Wamprecht," platzt der Pro-
't.K,
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Der Don Iuan in Nöten - „Verdammt noch
ämal, was sitzt doch
dort drüben auf der Bank for ä hübsches Kind! Wenn 'ch nich zehn
Fenge for den Stuhl bezahlt hätte, tät 'ch mich gleich zu ihr setzen."
kurist ins Musterzimmer, „ist der Maracaibo was für unsre Mittel-
kundschaft?"
„Ds, ds, ds," macht's mißbilligend unter der
Augurennase, „muß mir's überlegen — über Mittag
— nicht so einfach — ds, ds, ds."
Der Prokurist nickt und geht. Einen Lehrling
fiicht der Lafer: „Entschuldigung, Lerr Wamprecht,
der alte Kassendiener sagt, früher hätten Sie sofort
aus dem Landgelenk —
„Ds, ds, ds, der alte Kaffendiener ist ein altes
Rindvieh."
„Ia, und warum können Sie erst nach dem
Mittageffen —?"
„Ds, ds, ds, Sie sind ein junges Nindvieh."
Erkenntnis — „Das hab' ich davon, daß
ich für den Satansgaul den guten Lafer beiseit' geschafft hab'.
Ganz recht haben sie in den Zeitungen geschrieben, aus dem
Lafer sollt' was für die Kranken und Kinder gemacht werden."
Des alten Wamprechts Tod fiel noch in meine
Lehrzeit. Ein Stück der alten Firma sank mit ihm
ins Grab. Wehmütig hab ich seine Nase mitbegraben
helfen. „Alle müffen einmal fterben," sagte am an-
dern Tage der Vorstand der Kaffeeabteilung, „auch
unser Wamprecht. In Gottesnamen, wenn er seine
Nase nur vererben hätte können. Sie ist unersetzlich.
Nie hat jemand den Kaffeegeschmack der Kundschaft
so genau getroffen, als — was gibt's denn?"
„Eine Frau ift draußen —"
„Meinetwegen."
„Sie sagt, sie sei die Laushälterin unsres Wamp-
recht und —"
„In welcher Sache —?"
„In Sachen Kaffee, sagt sie."
„Ich lasse bitten."
Sie kommt herein, rotkarriert, zahnluckig, freund-
lich zwinkernd. Lausdiener Vogl, der die Volks-
gestalten kennt, wie irgendeiner, zwinkert gleichfalls
und faßt sein Flüfterurteil so zusammen: „Kaffee-
urschel."
Kaffeeurschel ist in meiner Leimatsstadt ein
Frauenzimmer, das mit Kaffee aufsteht, mit Kaffee
zu Bett geht und dazwische» einundzwanzigmal am