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Zeitschrift für Humor und Zkunft 5Z


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Verdorbener Appetit

— „Seit ich pensioniert bin, schmeckt mir's Frühftück
nicht mehr. Zetzt hab' ich's raus: früher mußt' ich
immer schon frühstücken, ehe die Zeitung da war."

Der lebendiqe Chroiwmeter

jeden Tag nach der Bahnhofsuhr meine Taschenuhr zu
stellen, nach dieser wieder alle Uhren im Lause zu kontrollieren,
und, auf diese Art gegen jeden möglichen Irrtum bezüglich
der Zeit gefichert, stets genau 35 Minuten vor Abgang
des Zuges das Äaus zu verlaffen. Das war eine vielleicht
etwas pedantische Methode, aber sie bewährte sich sehr gut.
Ich mußte niemals lausen und hatte immer Vergnügen am
Wege. Bis Sines Tages Äerr Nuschke sich einstellte.

Äerr Nuschke fuhr auch jeden Morgen in die Stadl;
er wohnte in meiner Nachbarschaft, ich mußte immer an
seinem Lause voriiber. Ehe ich ihn näher kennen lernte,
hatte ich ihn schon oft morgens gesehn: manchmal war er
früher als ich auf dem Bahnhof, manchmal kam er erst im
lehten ^lugenblick angekeuckt, — hln und wieder mag er
auch den Zug versäumt haben. Eines Morgens aber traf
ich ihn gerade vor seinem Äause, und da sprach er mich an.
»Erlauben Sie, §>err Nachbar," sagte er, und trotzdem ich
noch gar nich's erlaubt hatte, setzte er hinzu: „Nuschke ist
mein Name, 5?orbwarenfabrikant." 5lnd dann, gleichfalls

ohne Erlaubnis, erllärte er: „Zch habe Sie schon längst
bewundert, daß Sie gar so regelmäßig zum Zuge gehn.
Weiß der Kuckuck, — ich bringe das nie fertig. Mal bin
ich viel zu früh und muß auf dem Bahnfteig herumftehn,
und mal muß ich mir die Lunge aus dem Leib rennen.
-Meine Frau schimpft schon lange deshalb mit mir. ,An
dem Lerrn von Nummer els solltest du dir ein Beispiel
nehmen, Gottlieb/ hat sie gesagt, ,der geht immer zur
richtigen Zeit fort/ And wirklich, Sie sind ja ein leben-
diger Chronometer, ha ha! Ich werde mich jetzt immer nach
Zhnen richten."

Es ift ja recht schmeichelhaft, wenn andere Leute sich
nach einem richten wollen, aber von Lerrn Nuschke gesiel
mir das nicht. Er tat es nun aber doch, jeden Morgen.
Es war im Sommer, und er nahm sein Frühstück in der
Veranda vor seincm Äause, von der aus er die Straße
übersehen konnte. Wenn ich dann meines Weges kam, fteckte
cr schnell seine Morgenzigarre an, nahm §>ut und Stock und
ffchloß sich mir an, — ganz wie selbstverständlich. „Nun
kann mir nichts mebr passieren " sagte er vergnügt, „jctzt
 
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