180 Q^<X><><><><><><><><><><><><> Meggendorfer-Blätter, München
Der lustige Onkel
— „Die Kinder freuen fich ja so auf die Ankunft des
Onkels, der bringt wohl immer hübsch was mit?"
— „Das nicht, aber sie schauen so gern zu, wenn er
ku -
Warum Papa Lase in Pension ging
Zylinderhut rutschte bei jedem Schritt einen Viertelzoll in
den Nacken und mußte von Zeit zu Zeit immer wieder
zurechtgerückt werdcn, und die langen, in karrierten Losen
steckenden Beine machten Schritte, daß einem Menschen
mit normalen Proportionen das Grauen ankommen konnte.
So lies er also, wie gesagt, an einem windigen November-
abend durch die Straßen, bis er plötzlich vor einem hohen
schmalen Lause, in dessen Erdgeschoß fich eine Bäckerei
befand, halt machte. Ein wenig verschnaufend, schob er sich
seinen Lut in die Stirn, dann betrat er den engen Laus°
gang und klopfte mit dem Griff seines Regenschirms an
ein kleines, hellerleuchtetes Schiebefenster, das einen Blick
in die mit herrlichen Waren angefüllte Bäckerstube bot.
Aus das Signal hin tauchte, wie die rote Sonne im Früh-
nebel, der Besitzer der Stube im Lintergrunde derselben
aus und zog das Fensterchen in die Löhe.
„Ei schönen guten Abend, Ieremias," sagte er. „Immer
noch munter auf den Füßen? And das noch dazu bei einem
so sündhaften Novemberwetter!"
„Muß wohl, muß wohl, alter Freund," gab Papa
Lase zurück. „Du weißt, die Pflicht!"
„A bah," machte Bäckermeister Zwenger und firich stch
mit den fetten Fingern über sein rosiges Gesicht, „du und
deine ewige Pflicht! Wer sie vierzig Iahre lung redlich
getan hat, könnte wohl endlich mal die Beine gemütlich
unter den Tisch strecken."
„Akkurat wie die Ledwig, meine Nichte!" ereiserte sich
Papa Lase. „Die liegt mir auch beständig in den Ohren
mit der gleichen Tonart. Ia, wenn das Leben nichts koftete!
Aber so wie die Verhältnisse heut' liegen, kann man ja
kaum genug zusammenscharren, um anständig durchzukommen.
And außerdem — ich mit meinen zweiundsechzig kann's ganz
gut noch ein halbes Dutzend Iährchen mitmachen."
„Na, wie der Mensch will," philosophierte Zwenger.
„And mit einem Abendschöppchen im Schwan ist's dann wohl
auch nichts?"
„Leut' nicht, Zwenger. Leut' bin ich beschäftigt. Aber
übermorgen. Da geben wir einen so unmusikalischen Klasstker,
und da bin ich frei."
Denn daß es nur gleich gesagt ift: Papa Lase war
Orchestermusiker im Stadttheater und blies die Klarinette.
„And jetzt, Freund Zwenger, gib mir nur rasch eine
Semmelzeile, eine große für zwei Groschen," suhr er dann
fort, indem er ein Geldstück aus der Westentasche kramte
und aus den Zahlteller legte. „Ich muß heut' ein bißchen
selber sür mein Abendbrot sorgen. Denn Ledwig ist bei
den Geschwistern Schulze zum Geburtstagskaffee eingeladen
und da habe ich ihr Dispens gegeben."
„So, bei den Schulzes?" erwiderte Zwenger. „Der
Lerr Bruder hat ja wohl ein Auge aus deine Nichte?"
„Ach, papperlapapp," wars Papa Lase ein. „Auge
auf Nichte! mit so was hat's noch Zeit. Ledwig ift keine
von denen, die sich von jedem den Kopf verdrehen läßt.
Und überhaupt, solange ich lebe, denkt sie gar nicht daran,
mich zu verlassen."
„Na, na," entgegnete der Bäckermeister, „mit den
Mädels soll man nichts verreden, da schlägts plötzlich ein
wie der Blitz und brennt auch schon lichterloh. Aber was
mir da einfällt: gestern habe ich eine neue Sendung „Nürn-
berger Magentrost" erhalten. Das ist ein Likörchen, Ieremias,
das sich gewaschen hat. Schmilzt aus der Zunge dahin wie
ein Iungfernkuß und wärmt das Inwendige durch und
durch wie ein mildes Feuer. Willft du nicht hereinkommen
und ein Schlückchen probieren? In dem zugigen Laus-
Der lustige Onkel
— „Die Kinder freuen fich ja so auf die Ankunft des
Onkels, der bringt wohl immer hübsch was mit?"
— „Das nicht, aber sie schauen so gern zu, wenn er
ku -
Warum Papa Lase in Pension ging
Zylinderhut rutschte bei jedem Schritt einen Viertelzoll in
den Nacken und mußte von Zeit zu Zeit immer wieder
zurechtgerückt werdcn, und die langen, in karrierten Losen
steckenden Beine machten Schritte, daß einem Menschen
mit normalen Proportionen das Grauen ankommen konnte.
So lies er also, wie gesagt, an einem windigen November-
abend durch die Straßen, bis er plötzlich vor einem hohen
schmalen Lause, in dessen Erdgeschoß fich eine Bäckerei
befand, halt machte. Ein wenig verschnaufend, schob er sich
seinen Lut in die Stirn, dann betrat er den engen Laus°
gang und klopfte mit dem Griff seines Regenschirms an
ein kleines, hellerleuchtetes Schiebefenster, das einen Blick
in die mit herrlichen Waren angefüllte Bäckerstube bot.
Aus das Signal hin tauchte, wie die rote Sonne im Früh-
nebel, der Besitzer der Stube im Lintergrunde derselben
aus und zog das Fensterchen in die Löhe.
„Ei schönen guten Abend, Ieremias," sagte er. „Immer
noch munter auf den Füßen? And das noch dazu bei einem
so sündhaften Novemberwetter!"
„Muß wohl, muß wohl, alter Freund," gab Papa
Lase zurück. „Du weißt, die Pflicht!"
„A bah," machte Bäckermeister Zwenger und firich stch
mit den fetten Fingern über sein rosiges Gesicht, „du und
deine ewige Pflicht! Wer sie vierzig Iahre lung redlich
getan hat, könnte wohl endlich mal die Beine gemütlich
unter den Tisch strecken."
„Akkurat wie die Ledwig, meine Nichte!" ereiserte sich
Papa Lase. „Die liegt mir auch beständig in den Ohren
mit der gleichen Tonart. Ia, wenn das Leben nichts koftete!
Aber so wie die Verhältnisse heut' liegen, kann man ja
kaum genug zusammenscharren, um anständig durchzukommen.
And außerdem — ich mit meinen zweiundsechzig kann's ganz
gut noch ein halbes Dutzend Iährchen mitmachen."
„Na, wie der Mensch will," philosophierte Zwenger.
„And mit einem Abendschöppchen im Schwan ist's dann wohl
auch nichts?"
„Leut' nicht, Zwenger. Leut' bin ich beschäftigt. Aber
übermorgen. Da geben wir einen so unmusikalischen Klasstker,
und da bin ich frei."
Denn daß es nur gleich gesagt ift: Papa Lase war
Orchestermusiker im Stadttheater und blies die Klarinette.
„And jetzt, Freund Zwenger, gib mir nur rasch eine
Semmelzeile, eine große für zwei Groschen," suhr er dann
fort, indem er ein Geldstück aus der Westentasche kramte
und aus den Zahlteller legte. „Ich muß heut' ein bißchen
selber sür mein Abendbrot sorgen. Denn Ledwig ist bei
den Geschwistern Schulze zum Geburtstagskaffee eingeladen
und da habe ich ihr Dispens gegeben."
„So, bei den Schulzes?" erwiderte Zwenger. „Der
Lerr Bruder hat ja wohl ein Auge aus deine Nichte?"
„Ach, papperlapapp," wars Papa Lase ein. „Auge
auf Nichte! mit so was hat's noch Zeit. Ledwig ift keine
von denen, die sich von jedem den Kopf verdrehen läßt.
Und überhaupt, solange ich lebe, denkt sie gar nicht daran,
mich zu verlassen."
„Na, na," entgegnete der Bäckermeister, „mit den
Mädels soll man nichts verreden, da schlägts plötzlich ein
wie der Blitz und brennt auch schon lichterloh. Aber was
mir da einfällt: gestern habe ich eine neue Sendung „Nürn-
berger Magentrost" erhalten. Das ist ein Likörchen, Ieremias,
das sich gewaschen hat. Schmilzt aus der Zunge dahin wie
ein Iungfernkuß und wärmt das Inwendige durch und
durch wie ein mildes Feuer. Willft du nicht hereinkommen
und ein Schlückchen probieren? In dem zugigen Laus-