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<XX><><><><>(XX>0< Zeitschrift für Humor und Kunst <xx><x><><x>(><><><^^ 18l

Warum Papa Lase in Penston ging

gange kannst du dir ja den Tod holen. 's ift rein zum
Gruseln, dich da draußen stehen zu sehen."

„Wird nicht mehr recht gehen, Freund Zwenger," wandte
Papa Äase ein, indem er eine Ahr im Gewicht von einem
Pfund zog und einen kritischen Blick darauf warf. „Nein,
es geht wahrhaftig nicht!"

„Dann nimm dir wenigfiens ein halbes Fläschchen mit,
Ieremias," drängte Zwenger. „Kannst es mir ja über-
morgen zahlen, wenn's dir wirklich heute so presfiert."

„Da sage ich nicht nein," lachte Papa Lase. „Ein guter
Magentroft ist immer auch ein guter Seelentrost, denn wie
der Magen Pfeift, so tanzt die Seele." Der Bäckermeister
schmunzelte zustimmend, griff in ein hinter ihm stehendes
Negal, langte eine bauchige Flasche aus demselben hervor
und wickelte fie geschäftsmäßig in zartes Seidenpapier.
Dann reichte er fie durch das Schiebefenster hinaus.

„Laß es dir schmecken, Ieremias!"

„Danke schön, Zwenger, und nun gute Nacht!"

Das „gute Nacht" verschlang bereits der zausende
Lerbstwind, und mit gewaltigen Schritten eilte Papa Lase
durch das Dunkel der Straßen seinem Bestimmungsort zu.

Es gibt nun Menschen, die beständig in Bewegung
find, die rast- und ruhelos umherrollen wie eine Quecksilber.
kugel und denen jenes gesunde Phlegma fehlt, das so wohl
konserviert und das Gemüt mit beschaulicher Gelassenheit
ersüllt. Pflichtersüllung und Arbeit ist sür sie gleichbedeutend
mit Schweiß und fliegenden Rockschößen, und ein solches
Lerrgottschäfchen war auch Papa Lase. Das Stadttheater
lag noch im tiefften Dunkel, als er fast atemlos daselbft
anlangte. Kopfschüttelnd und mit hochgezogenen Augew
brauen, als setze ihn das höchlich in Erstaunen, ging er die
Lauptfront entlang und bog dann nach der Linterseite ein,
wo eine schmale Tür den Eingang für die Bühnenmitglieder
bildete. Selbst die Loge des Pförtners war noch dunkel,
und nur in dem gewölbten Gange, der fich wie ein enger
Stollen nach dem Innern zog, brannten die vorschrifts
mäßigen, von einem starken Drahtgitter umgebenen Lampen.
Wohlvertraut mit der Oertlichkeit, schlängelte sich der
Klarinettenspieler durch den Korridor und tauchte kurze Zert
darauf in dem ebenfalls noch dunklen Orchesterraum auf.
Ein Lichtlein brannte dort zwar schon und es brannte über-
haupt Tag und Nacht, aber das vergrößerte eigentlich nur
die Finsternis, die fich wie ein ungeheurer Rachen vor dem
Eintretenden austat. Aber die düstere Romantik des
schweigenden Musentempels machte auf den alten Theater-
veteranen nicht den mindesten Eindruck; zu sehr war er
daran gewöhnt, und nur der Umftand, daß keiner von seinen
Kollegen noch anwesend war, schien ihn zu alterieren.

„Keine Seele noch da," brummte er entrüstet. „Und
in einer Stunde beginnt die Vorstellung. Leichtsinniges
Volk das! In der letzten Minute kommt es dann angesetzt
und fiürzt sich in die Arbeit hinein ohne Andacht und
Sammlung."

Dann setzte er sich gedankenvoll auf seinen Platz und
zog sein Abendbrot hervor. Oder richtiger gesagt, eine Art
Zwischenmahlzeit, denn seine gewohnte Abendsuppe pflegte
er erst nach erfolgter Leimkehr einzunehmen, wie das alle
Künstler machen, die etwas auf ihre Leistungssähigkeit halten.
Allerdings hätte ihn darin sein bescheidenes Mahl kaum
beeinträchtigt; denn es bestand lediglich aus einer Knackwurst
und der schon erwähnten Zeilensemmel. Gemächlich deckte
er sich seine Tafel auf den hochgezogenen Knieen, da war
es ihm, als ob ein leifes Frösteln seinen Körper durchliefe.

Prüfend hob er den Kopf und schaute sich um.

Der lusttge Onkel

reiniger sagt."

„L>m, hm," murmelte er, „das ist abscheulich, wie's heut
in dem alten Kasten zieht. Gewiß stehen wieder mal auf
dem Schnürboden alle Löcher auf. Aber, hm, dem kann
abgeholfen werden."
 
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