<><><><)<><><><><x Zeitschrift für Humor und KunsL ^(XXXXXXX^^XXXXXX) 183
Warum Papa Lase tn Pension ging
And mit einem entschloffenen Ruck
packte er seine Siebensachen und zog sich
in einen Verschlag zurück, der sich unter
der Orchesterloge befand. Allerdings
war es dort noch finsterer, aber er saß
wenigftens geschützt vor der garstigen
Zugluft. Den Mund würde er schon
finden, und mehr war zu seiner der-
maligen Befchäftigung nicht nötig.
Die Knackwurft hätte ja nun frei-
lich größer und die Semmel dafür ent-
sprechend kleiner sein können, aber Papa
Lase war nicht allein äußerst genügsam.
sondern, und das war wohl die Laupt-
sache, er war ein gewaltiger Sparer.
Seine Bekannten meinten sogar, er sei
ein ganz vertrackter Filz und Knicker,
aber dazu lächelte Papa Lase nur. O,
er wußte recht gut, warum er sparte
und den Pfennig dreimal in der Land
umdrehte, ehe er ihn ausgab. Warum
er sich noch immer abmühte und ab-
rackerte, anstatt sich eines wohlverdienten
Ruheftandes im Schlafrock und Pan-
toffeln zu erfreuen. War doch alles,
was er da gewiffenhaft zusammenkratzte
und -scharrte, nur für fie. Für seine
gute Nichte Ledwig, die er zärtlich liebte und die ihm seine
Liebe durch treueste Lingabe vergalt. Er hatte sie im zar-
testen Alter an KindeSstatt angenommen, und nun war sie
sein Lausmütterchen und führte ihm die Wirtschaft. And
wenn er einmal die Augen schloß, so sollte sie was auf der
hohen Kante finden, damit ste vor ärgfter Not geschützt war
und sich nicht unter fremden Leuten herumftoßen laffen
mußte. !lnd das, verehrte Gönner und Freunde, war es,
was Papa Lase die Kraft gab, kleine Einschränkungen zu
ertragen und auf seinem Posten auszuharren und noch lange.
lange nicht in Pension zu gehen. And er tat's gerne und
tat's mit Freuden und tat's mit tausend Freuden. Llnd zum
Beweise dessen holte er jetzt seine Klarinette hervor und
schmetterte ein so kräftiges „Tulu" daraus hervor, daß das
ganze Theater vom Parterre bis zur Galerie erzitterte,
die Logen mit eingeschlossen. In diesem winzigen „Tulu"
beftand zugleich seine ganze und einzige Aufgabe für den
heutigen Abend, aber der Komponist mußte es ja selbst am
besten wissen, warum er der Klarinette keinen breiteren
Raum im harmonischen Zusammenklang der Töne ange-
wiesen hatte, und selbst wenn diese noch weniger zu sagen
gehabt hätte, mußte die hocklöbliche Stadttheaterdirektion
die Klarinette im Chor der Instrumente haben. Llnd also
und darum faß Papa Lase in seinem Winkel und wartete,
daß endlich jemand kommen und die Sache überhaupt los-
gehen möchte.
Da überkam ihn plötzlich zum andern Male jenes unan-
genehme Fröfteln von vorhin.
„Nanu", sagte er erstaunt, „das ist mir arg verwunder-
lich. ES kann doch, meiner Seel', nicht bis hier herein in
meinen Wtnkel ziehen? Oder sollte mir doch der harsche
Novemberwind in die Knochen gefahren sein? Vielleicht
hat Zwenger nicht so ganz unrecht gehabt, wenn er mich
vor seinem kalten Lausgang warnte. Lm, hm, das wäre,
das wäre-1"
Da fiel ihm auf einmal das Fläschchen mit dem „Nürn-
berger Magentrost" ein.
Fremder: „Das ist aber ein langer Lochzeitszug."
Wirt: „Ia, bis dö letzten herin san, san dö erschten
scho b'soffen."
„Lurra", rief er aus, „und nochmals hurra! Ist das
Llebel wirklich da, so ist auch das Mittel dafür nicht weit.
Das war ein gescheiter Gedanke von dem Zwenger. Will
doch gleich mal einen Schluck nehmen."
Llnd er holte die Flasche hervor, entkorkte fie mit den
Zähnen und tat einen gehörigen Zug.
„Lm, nicht übel," rief er anerkennend. „Wirklich ein
respektabler Tropfen. Wie das feuert!" And er nahm
einen zweiten, gehörigen Schluck.
Aber das Frösteln kam ebenfalls wieder, diesmal sogar
noch stärker. „Wart', dich will ich-" knurrte er. „Man
muß den Teufel mit Beelzebub austreiben!"
Der Beelzebub war zur Land und das Austreiben stieß
auf keine Schwierigkeit. Die Art derselben war sogar eine
sehr angenehme, und das mochte wohl der Grund sein,
weshalb sich mit der Zeit die Linie zwischen sachgemäßer
Behandlung eines aufkeimenden Leidens und einer gewissen
Leckermäuligkeit, die die Güte der Medizin wohl rechtfer-
tigte, verwischte und unkontrollierbar machte. Erft als die
letztere nur noch in spärlichen Tropfen sioß, wurde fich
Papa Lase deffen bewußt, daß er nach dem Grundsatz:
„viel hilft viel" kuriert hatte, und eigentlich wären nun gewisse
moralische Bedenken am Platze gewesen, aber die Medizin
hatte gleichzeitig die wunderbare Eigenschaft, moralische An-
wandlungen sieghaft zu überwinden und an deren Stelle das
-höchst sanguinische Gefühl zu setzen, daß man nur einmal lebt.
„'s ift wirklich nicht zu glauben," meditierte er, „eine
ganze Bulle Schnaps auszutrinken. Mich muß schon —
ganz fürchterlich gefröstelt haben. Eine — ganze — Bulle —
Schnaps! Ach was, einmal ist keinmal! Llnd wegen der
paar Groschen, die fie koftet? Bah, bah! Doktor und
Apotheker machen ganz andere Rechnungen. Ganz — hor-
rende Rechnungen oft! Aber, hm, ein wenig stark, mein'
ich, ist der — der Magentrost. Wenn das Ledwig erfährt,
daß ich — daß ich —! Leviten lesenl — Auah!"
Dann wurde es ftill in dem Winkel unter der Orchester-
loge. And die Kollegen kamen und der Lerr Kapellmeister,
Berechnung
Warum Papa Lase tn Pension ging
And mit einem entschloffenen Ruck
packte er seine Siebensachen und zog sich
in einen Verschlag zurück, der sich unter
der Orchesterloge befand. Allerdings
war es dort noch finsterer, aber er saß
wenigftens geschützt vor der garstigen
Zugluft. Den Mund würde er schon
finden, und mehr war zu seiner der-
maligen Befchäftigung nicht nötig.
Die Knackwurft hätte ja nun frei-
lich größer und die Semmel dafür ent-
sprechend kleiner sein können, aber Papa
Lase war nicht allein äußerst genügsam.
sondern, und das war wohl die Laupt-
sache, er war ein gewaltiger Sparer.
Seine Bekannten meinten sogar, er sei
ein ganz vertrackter Filz und Knicker,
aber dazu lächelte Papa Lase nur. O,
er wußte recht gut, warum er sparte
und den Pfennig dreimal in der Land
umdrehte, ehe er ihn ausgab. Warum
er sich noch immer abmühte und ab-
rackerte, anstatt sich eines wohlverdienten
Ruheftandes im Schlafrock und Pan-
toffeln zu erfreuen. War doch alles,
was er da gewiffenhaft zusammenkratzte
und -scharrte, nur für fie. Für seine
gute Nichte Ledwig, die er zärtlich liebte und die ihm seine
Liebe durch treueste Lingabe vergalt. Er hatte sie im zar-
testen Alter an KindeSstatt angenommen, und nun war sie
sein Lausmütterchen und führte ihm die Wirtschaft. And
wenn er einmal die Augen schloß, so sollte sie was auf der
hohen Kante finden, damit ste vor ärgfter Not geschützt war
und sich nicht unter fremden Leuten herumftoßen laffen
mußte. !lnd das, verehrte Gönner und Freunde, war es,
was Papa Lase die Kraft gab, kleine Einschränkungen zu
ertragen und auf seinem Posten auszuharren und noch lange.
lange nicht in Pension zu gehen. And er tat's gerne und
tat's mit Freuden und tat's mit tausend Freuden. Llnd zum
Beweise dessen holte er jetzt seine Klarinette hervor und
schmetterte ein so kräftiges „Tulu" daraus hervor, daß das
ganze Theater vom Parterre bis zur Galerie erzitterte,
die Logen mit eingeschlossen. In diesem winzigen „Tulu"
beftand zugleich seine ganze und einzige Aufgabe für den
heutigen Abend, aber der Komponist mußte es ja selbst am
besten wissen, warum er der Klarinette keinen breiteren
Raum im harmonischen Zusammenklang der Töne ange-
wiesen hatte, und selbst wenn diese noch weniger zu sagen
gehabt hätte, mußte die hocklöbliche Stadttheaterdirektion
die Klarinette im Chor der Instrumente haben. Llnd also
und darum faß Papa Lase in seinem Winkel und wartete,
daß endlich jemand kommen und die Sache überhaupt los-
gehen möchte.
Da überkam ihn plötzlich zum andern Male jenes unan-
genehme Fröfteln von vorhin.
„Nanu", sagte er erstaunt, „das ist mir arg verwunder-
lich. ES kann doch, meiner Seel', nicht bis hier herein in
meinen Wtnkel ziehen? Oder sollte mir doch der harsche
Novemberwind in die Knochen gefahren sein? Vielleicht
hat Zwenger nicht so ganz unrecht gehabt, wenn er mich
vor seinem kalten Lausgang warnte. Lm, hm, das wäre,
das wäre-1"
Da fiel ihm auf einmal das Fläschchen mit dem „Nürn-
berger Magentrost" ein.
Fremder: „Das ist aber ein langer Lochzeitszug."
Wirt: „Ia, bis dö letzten herin san, san dö erschten
scho b'soffen."
„Lurra", rief er aus, „und nochmals hurra! Ist das
Llebel wirklich da, so ist auch das Mittel dafür nicht weit.
Das war ein gescheiter Gedanke von dem Zwenger. Will
doch gleich mal einen Schluck nehmen."
Llnd er holte die Flasche hervor, entkorkte fie mit den
Zähnen und tat einen gehörigen Zug.
„Lm, nicht übel," rief er anerkennend. „Wirklich ein
respektabler Tropfen. Wie das feuert!" And er nahm
einen zweiten, gehörigen Schluck.
Aber das Frösteln kam ebenfalls wieder, diesmal sogar
noch stärker. „Wart', dich will ich-" knurrte er. „Man
muß den Teufel mit Beelzebub austreiben!"
Der Beelzebub war zur Land und das Austreiben stieß
auf keine Schwierigkeit. Die Art derselben war sogar eine
sehr angenehme, und das mochte wohl der Grund sein,
weshalb sich mit der Zeit die Linie zwischen sachgemäßer
Behandlung eines aufkeimenden Leidens und einer gewissen
Leckermäuligkeit, die die Güte der Medizin wohl rechtfer-
tigte, verwischte und unkontrollierbar machte. Erft als die
letztere nur noch in spärlichen Tropfen sioß, wurde fich
Papa Lase deffen bewußt, daß er nach dem Grundsatz:
„viel hilft viel" kuriert hatte, und eigentlich wären nun gewisse
moralische Bedenken am Platze gewesen, aber die Medizin
hatte gleichzeitig die wunderbare Eigenschaft, moralische An-
wandlungen sieghaft zu überwinden und an deren Stelle das
-höchst sanguinische Gefühl zu setzen, daß man nur einmal lebt.
„'s ift wirklich nicht zu glauben," meditierte er, „eine
ganze Bulle Schnaps auszutrinken. Mich muß schon —
ganz fürchterlich gefröstelt haben. Eine — ganze — Bulle —
Schnaps! Ach was, einmal ist keinmal! Llnd wegen der
paar Groschen, die fie koftet? Bah, bah! Doktor und
Apotheker machen ganz andere Rechnungen. Ganz — hor-
rende Rechnungen oft! Aber, hm, ein wenig stark, mein'
ich, ist der — der Magentrost. Wenn das Ledwig erfährt,
daß ich — daß ich —! Leviten lesenl — Auah!"
Dann wurde es ftill in dem Winkel unter der Orchester-
loge. And die Kollegen kamen und der Lerr Kapellmeister,
Berechnung