199
Zeitschrift für
Humor und Kunst
Das zurückgekommene Mauuskript
Vermieterin: „Diesen Morgen hat mich der Postbote wieder aus
'm Bett geklopft, um mir den dicken Brief für Sie abzugeben . . . .
Sie follten doch Sachen schreiben, die in den Briefkasten hineinpafsen."
Meine erste Iagd
was zur Folge hatte, daß auch sie mich mit
argwöhnischen und mißgünstigen Blicken trak-
tierten. Wenn auch nur verstohlen.
„Aha," dachte ich, „alles Konkurrenten
und fiille Teilhaber meiner Firma. Aber ich
will auch ihnen auf ihre langen Finger sehen!"
Diese ungemütliche Entdeckung hatte mich
indes verftimmt und die unerwünschte Auf
merksamkeit, die man mir zollte, bestimmte
mich, das Feld zu räumen und mich auf mein
Zimmer zurückzuziehen. Ich ließ mir eine
Flasche vom „Besten" nachbringen und poku-
lierte nun droben im stillen weiter. Allerdings
hatte ich mir den Einzug in meine neue Lerr-
lichkeit ganz anders vorgestellt. Ich hoffte eine
lustige Lonoratiorengesellschaft vorzufinden, als
deren bewunderter Mittelpunkt ich ein paar
angenehme Stunden verbringen würde, und
nun saß ich da wie ein Oelgötze und blies den
blauen Dunst meines Iagdknasters zum Fenster
hinaus. Ich hatte eben wieder mal die Rechnung
ohne den Wirt gemacht. Diesmal buchstäblich.
So mochte etwa eine Stunde vergangen
sein und es war bereits dunkel draußen ge°
worden, da hörte ich auf einmal verdächtiges
Geräusch unter meinem Fenster. Verhaltene
Tritte nahten, Stimmen murmelten und da-
zwischen erklang gelegentliches Klirren und Klappern metal-
lischer Gegenfiände. Wollte man mir ein Ständchen bringen?
Vielleicht unter gütiger Mitwirkung der Feuerwehr? Denn
die verursachte ja wohl das eigentümliche Klirren. Da hieß
es keine vorzeitige Neugier zu verraten, um den guten
Leuten nicht die Freude zu nehmen, und so verhielt ich mich
mäuschenstill auf meinem Platz.
Plötzlich aber — mein Körper wurde jäh zu einer
Schlangenlinie — erscholl ein wüstes Durcheinander von
Tönen und Lauten, das man in gesitteten Gegenden als
ruhestörenden Lärm bezeichnet haben würde, das pfiff und
johlte, schrie und tobte,
blökte und grunzte, daß die
Flasche auf meinem Tische
tanzte, und nebenher ging
zur orcheftralen Verstär-
kung ein Rasseln und
Schrillen wie von zehn-
tausend Topfdeckeln. War
das ein Ständchen? Wenn
auch nach ländlichen Be-
griffen? Jch war deffen
nicht ganz gewiß und war-
tete noch. Vielleicht kam
noch Klarheit in die Situa-
tion. Aber da wurde ich
auch schon gerufen.
„Iäger raus, Iäger
raus!" tönte es aus rauhen
Kehlen.
Ich erschrak ein wenig
und überlegte. Sollte ich
jetzt eine geehrte Ansprache
halten oder sollte ich lieber
die leere Flasche zum Fen-
ster hinausschmeißen? Da
fuhr auch schon eine Mist-
gabel in die Oeffnung meines Fensters und nun gab es
kein Zögern mehr. Vorsichtig steckte ich den Kopf hinaus
und sah zu meinen Füßen das brandende Meer einer em°
pörten Volksseele. „Meine Damen und Lerren," begann
ich höflich, aber man wollte keine Rede von mir.
„Der Lerr soll wieder fort! Wir wollen keinen Iäger
hier!" überschrie man mich.
„Aber ich bin doch gerade erst gekommen," wandte ich ein.
Da zischte von neuem eine Mistgabel an meinem Kopfe
vorbei und wer weiß, wie fich die Ovation noch weiter
entwickelt hätte, als mit mächtig langen Schritten ein hagerer
Schatten aus dem Linter-
grunde auftauchte und eine
Stimme rief: „Seid ihr
denn des Teufels, Leute,
was habt ihr hier vor?"
„Gar nichts. Nur der
fremde Iäger soll wieder
fort!" erwiderten zehn an-
dere Stimmen. „Aber das
ist ja Ausruhr, Leute, be
denkt doch," mahnte wieder
die erste.
„Wirleiden aberkeinen
Iäger hier! Nein, nein,"
grollte die Opposition.
„Gehtjetztruhigheim,"
ließ sich derSchattenwieder
vernehmen. „Ich werde
mit dem Lerrn reden, und
die Sache wird sich in Güte
regeln."
And daraufhin wurde
die Mtstgabel zurückgezo-
gen und die Volksseele ging
heim. Der Schatten aber
huschte ins Laus, stolperte
— „And jetzt einen Augenblick den Kopf
ganz ruhig halten, sonst kann es sein,
daß ich einen falschen Zahn erwisch."
Zeitschrift für
Humor und Kunst
Das zurückgekommene Mauuskript
Vermieterin: „Diesen Morgen hat mich der Postbote wieder aus
'm Bett geklopft, um mir den dicken Brief für Sie abzugeben . . . .
Sie follten doch Sachen schreiben, die in den Briefkasten hineinpafsen."
Meine erste Iagd
was zur Folge hatte, daß auch sie mich mit
argwöhnischen und mißgünstigen Blicken trak-
tierten. Wenn auch nur verstohlen.
„Aha," dachte ich, „alles Konkurrenten
und fiille Teilhaber meiner Firma. Aber ich
will auch ihnen auf ihre langen Finger sehen!"
Diese ungemütliche Entdeckung hatte mich
indes verftimmt und die unerwünschte Auf
merksamkeit, die man mir zollte, bestimmte
mich, das Feld zu räumen und mich auf mein
Zimmer zurückzuziehen. Ich ließ mir eine
Flasche vom „Besten" nachbringen und poku-
lierte nun droben im stillen weiter. Allerdings
hatte ich mir den Einzug in meine neue Lerr-
lichkeit ganz anders vorgestellt. Ich hoffte eine
lustige Lonoratiorengesellschaft vorzufinden, als
deren bewunderter Mittelpunkt ich ein paar
angenehme Stunden verbringen würde, und
nun saß ich da wie ein Oelgötze und blies den
blauen Dunst meines Iagdknasters zum Fenster
hinaus. Ich hatte eben wieder mal die Rechnung
ohne den Wirt gemacht. Diesmal buchstäblich.
So mochte etwa eine Stunde vergangen
sein und es war bereits dunkel draußen ge°
worden, da hörte ich auf einmal verdächtiges
Geräusch unter meinem Fenster. Verhaltene
Tritte nahten, Stimmen murmelten und da-
zwischen erklang gelegentliches Klirren und Klappern metal-
lischer Gegenfiände. Wollte man mir ein Ständchen bringen?
Vielleicht unter gütiger Mitwirkung der Feuerwehr? Denn
die verursachte ja wohl das eigentümliche Klirren. Da hieß
es keine vorzeitige Neugier zu verraten, um den guten
Leuten nicht die Freude zu nehmen, und so verhielt ich mich
mäuschenstill auf meinem Platz.
Plötzlich aber — mein Körper wurde jäh zu einer
Schlangenlinie — erscholl ein wüstes Durcheinander von
Tönen und Lauten, das man in gesitteten Gegenden als
ruhestörenden Lärm bezeichnet haben würde, das pfiff und
johlte, schrie und tobte,
blökte und grunzte, daß die
Flasche auf meinem Tische
tanzte, und nebenher ging
zur orcheftralen Verstär-
kung ein Rasseln und
Schrillen wie von zehn-
tausend Topfdeckeln. War
das ein Ständchen? Wenn
auch nach ländlichen Be-
griffen? Jch war deffen
nicht ganz gewiß und war-
tete noch. Vielleicht kam
noch Klarheit in die Situa-
tion. Aber da wurde ich
auch schon gerufen.
„Iäger raus, Iäger
raus!" tönte es aus rauhen
Kehlen.
Ich erschrak ein wenig
und überlegte. Sollte ich
jetzt eine geehrte Ansprache
halten oder sollte ich lieber
die leere Flasche zum Fen-
ster hinausschmeißen? Da
fuhr auch schon eine Mist-
gabel in die Oeffnung meines Fensters und nun gab es
kein Zögern mehr. Vorsichtig steckte ich den Kopf hinaus
und sah zu meinen Füßen das brandende Meer einer em°
pörten Volksseele. „Meine Damen und Lerren," begann
ich höflich, aber man wollte keine Rede von mir.
„Der Lerr soll wieder fort! Wir wollen keinen Iäger
hier!" überschrie man mich.
„Aber ich bin doch gerade erst gekommen," wandte ich ein.
Da zischte von neuem eine Mistgabel an meinem Kopfe
vorbei und wer weiß, wie fich die Ovation noch weiter
entwickelt hätte, als mit mächtig langen Schritten ein hagerer
Schatten aus dem Linter-
grunde auftauchte und eine
Stimme rief: „Seid ihr
denn des Teufels, Leute,
was habt ihr hier vor?"
„Gar nichts. Nur der
fremde Iäger soll wieder
fort!" erwiderten zehn an-
dere Stimmen. „Aber das
ist ja Ausruhr, Leute, be
denkt doch," mahnte wieder
die erste.
„Wirleiden aberkeinen
Iäger hier! Nein, nein,"
grollte die Opposition.
„Gehtjetztruhigheim,"
ließ sich derSchattenwieder
vernehmen. „Ich werde
mit dem Lerrn reden, und
die Sache wird sich in Güte
regeln."
And daraufhin wurde
die Mtstgabel zurückgezo-
gen und die Volksseele ging
heim. Der Schatten aber
huschte ins Laus, stolperte
— „And jetzt einen Augenblick den Kopf
ganz ruhig halten, sonst kann es sein,
daß ich einen falschen Zahn erwisch."