Zeitschrift für Humor und Kunst 131
Stille Staöt
Das Stäötchen liegt still unü
verloren
2m Winkel von Hügel und Walö.
Was üraußen erwacht und gegoren,
An Haß in der Welt warL geboren,
Das läßt -ie Leutchen dort kalt.
Ach, könnt' lieber heute als
morgen
2ch fort in öie frieöliche Staöt.
Die glücklich verschont unö geborgen,
üoch ihre gemütlichen Sorgen
Unö gemütvollen Ireuöen hat.
Die Verlobungszettung
Ich tat, was ich konnte.
Wo ich hinkam, legte ich Äände
ineinander, murmelte etwas
von Gottes Segen und patrio-
t'scher Pflicht und notierte
Narnen, nachdem ich für unsere
Zeitung genügend Reklame
gemacht halte.
Ich verlobte um der guten
Sachewillenmeinelöjähr.Toch-
ter mit einem äußerst unsym-
Pathischen Menschen namens
Knollig,weilich gcradeniemand
anders bei der Äand hatte.
Jch drängte meine« Sohn,
der Obcrprimaner ist, zu einer
Verlobung mit unserem frü-
heren Dienstmädchen.
Jch verlobte mich selbst mit
nreiner 65jähr. Laushälterin.
Ich sorgte dafür, daß un-
sere Angestellten paarweise sich
verlobten und an Tischen füc
zwei Personen im Büro arbei-
telen, wie flch das für die
Ocedaktion einer Verlobungs-
»eitunq gehört.
Wer sich nicht verlobte,
dem wurde gekündigt.
Als alles nichts half, setzte
Theodor für jedes Pärchen,
das fich als verlobt bei uns
weidete, eine Prämie von
100 Mark aus.
Ietztkamen Tag und Nacht
Brautpaare, die Gruppierung
an unseren Bürotischen wurde
täglich anders unb wir mußten
auszahlen. Zuerst noch aus
der Kafle, dann aus unsercn
^aschen, und da Theodors
^aschen immer leer waren,
wußle die meine herhalten. Ich
halte eben das Risiko einer
Gründuug m>t übernommen
und fühlte mich verpflichlet,
wie ich im günstigen Falle den
Tewinn eingestrichen hätte, so
ietzt den Verlust mit zu tragen.
Als ich fast ruiniert war,
>ahlte ich mit Einrichtungs-
gegenständen undBüromöbeln.
2ch gab den Regulator, die
Kopiermaschinen, die Tisch-
telephone und den leeren Geld-
schrank hin. In einigen Stun-
den waren die Geschäftsräume
leer, denn die Brautpaare
standen mehrere Straßenzüge
entlanq.
Bloß das Schild „Privat-
kontor. Sprechstunden von
V-12 bis 12 Ahr" war übrig
und grinste höhnisch über
die Stärte zertrümmerter Gründerhoffnung.
Ansere Angestellten lösten ihre Verlöbnifle ostentalw
auf und verließen unter wüsten Drohunqen die Redaktwn.
Theodor kam schon lange nicht mehr zur Sprechstunde.
3ch schaffte, um durch nichts mehr an diese versehlte Grün-
dung erinnert zu werden, im Schweiße meines Angestchts
hunderttausende von Exemplaren der Verlobungszeilung in
den Fluß, erklärte mit meinen letzten 75 Pfennigen durch eine
Annonce in der .Morqenpost" die VerlobungSzeitung für
aufgelöst und meldete mich dann in der Armendirektion.
Theodor hatte schon vor drei Wochen eine Aktiengesell-
schaft gegründet, die unzerbrechliche Brillenfutterale aus
gebrauchten Teeblättern herstellte.
Gründungen sind mir seit dieser Zeit zuwider.
Arthur Wagner
Stille Staöt
Das Stäötchen liegt still unü
verloren
2m Winkel von Hügel und Walö.
Was üraußen erwacht und gegoren,
An Haß in der Welt warL geboren,
Das läßt -ie Leutchen dort kalt.
Ach, könnt' lieber heute als
morgen
2ch fort in öie frieöliche Staöt.
Die glücklich verschont unö geborgen,
üoch ihre gemütlichen Sorgen
Unö gemütvollen Ireuöen hat.
Die Verlobungszettung
Ich tat, was ich konnte.
Wo ich hinkam, legte ich Äände
ineinander, murmelte etwas
von Gottes Segen und patrio-
t'scher Pflicht und notierte
Narnen, nachdem ich für unsere
Zeitung genügend Reklame
gemacht halte.
Ich verlobte um der guten
Sachewillenmeinelöjähr.Toch-
ter mit einem äußerst unsym-
Pathischen Menschen namens
Knollig,weilich gcradeniemand
anders bei der Äand hatte.
Jch drängte meine« Sohn,
der Obcrprimaner ist, zu einer
Verlobung mit unserem frü-
heren Dienstmädchen.
Jch verlobte mich selbst mit
nreiner 65jähr. Laushälterin.
Ich sorgte dafür, daß un-
sere Angestellten paarweise sich
verlobten und an Tischen füc
zwei Personen im Büro arbei-
telen, wie flch das für die
Ocedaktion einer Verlobungs-
»eitunq gehört.
Wer sich nicht verlobte,
dem wurde gekündigt.
Als alles nichts half, setzte
Theodor für jedes Pärchen,
das fich als verlobt bei uns
weidete, eine Prämie von
100 Mark aus.
Ietztkamen Tag und Nacht
Brautpaare, die Gruppierung
an unseren Bürotischen wurde
täglich anders unb wir mußten
auszahlen. Zuerst noch aus
der Kafle, dann aus unsercn
^aschen, und da Theodors
^aschen immer leer waren,
wußle die meine herhalten. Ich
halte eben das Risiko einer
Gründuug m>t übernommen
und fühlte mich verpflichlet,
wie ich im günstigen Falle den
Tewinn eingestrichen hätte, so
ietzt den Verlust mit zu tragen.
Als ich fast ruiniert war,
>ahlte ich mit Einrichtungs-
gegenständen undBüromöbeln.
2ch gab den Regulator, die
Kopiermaschinen, die Tisch-
telephone und den leeren Geld-
schrank hin. In einigen Stun-
den waren die Geschäftsräume
leer, denn die Brautpaare
standen mehrere Straßenzüge
entlanq.
Bloß das Schild „Privat-
kontor. Sprechstunden von
V-12 bis 12 Ahr" war übrig
und grinste höhnisch über
die Stärte zertrümmerter Gründerhoffnung.
Ansere Angestellten lösten ihre Verlöbnifle ostentalw
auf und verließen unter wüsten Drohunqen die Redaktwn.
Theodor kam schon lange nicht mehr zur Sprechstunde.
3ch schaffte, um durch nichts mehr an diese versehlte Grün-
dung erinnert zu werden, im Schweiße meines Angestchts
hunderttausende von Exemplaren der Verlobungszeilung in
den Fluß, erklärte mit meinen letzten 75 Pfennigen durch eine
Annonce in der .Morqenpost" die VerlobungSzeitung für
aufgelöst und meldete mich dann in der Armendirektion.
Theodor hatte schon vor drei Wochen eine Aktiengesell-
schaft gegründet, die unzerbrechliche Brillenfutterale aus
gebrauchten Teeblättern herstellte.
Gründungen sind mir seit dieser Zeit zuwider.
Arthur Wagner