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18V Meggendorfer-Blätter, München

— „Ma g'wöhnt stch doch fei an aü's. Früher ist's jedes
mol in der Zeitung g'standen, und heuer legt ma selbst
am Tag sechsmal an Waldbrand an — in der Pfeifen."

Der Schretbkünstler

Signor Benedetlo Rosst, der Krämer, lehnte unter
dem breiten Torbogen seines Äauses und redete. Redete
mit Mund, Augen, Länden auf dcn jungen Mann ein, der
vor ihm stand, im staubigen Wandererkittel, schwarzschäbiger
Samtmütze und ausgetretenen Stiefeln und mit bittend-
schüchternem Blick zu ihm aufsah.

„Ob ich Euch brauchen kann ... Liiisss, cdisss/ seine
Schultern stießen ein dutzendmal lebhaft in die Luft. Dann
graulte er sich überlegend am feisten Doppelkinn: „Schreiben
könnt Ihr, sagt Ihr. Schreiben?" Er sah an dem zu-
sammengeschrumpsten Staubklumpen mit einem scheuen Bick
der Achtung hinunter: „Schreiben, das ist was Schönes,
was Großes, was Lerrlichesl^ Seine Arme machten eine
weltumfassende Gebärde der Begeisterung; aber im nächsten
Augenblick war er schon wieder der Krämer Benedetto,
kaufmännisch-vorfichtig, mißtrauisch: „Könnt Ihr alles
schreiben, olle Buchstaben, das ganze Alpha ... Alpha ...?"
Er quälte fich krampfhaft, gelehrt zu erscheinen vor dem
Burschen von der Landstraße.

„Das Alphabet meint Ihr/ fiel der lebhaft ein, „o
natürlich, natürlichl Ich bin ein studierter Mann, Lerr,
kenne den Sallust und weiß Euch Ovids srs smsnci! wunder-
voll zu deklamieren. War nicht umsonst sieben volle Iahre
am coiiegio. !lnd weil ich diese srs smsnäi bei einem
nächtlichen Ständchen vor des retiors Laus nicht ihm selbst,
sondern seiner Dienstmagd deklamierte, hat er mich aus
Rache davonqejaqt."

„Könnt Jhr Rechnungen schreiben, Briefe, Doku-
mente, tutts Is robs, das ganze Zeug?" forschte der
Krämer weiter, den auch die Bekanntschaft mit Ovid
noch nicht ganz übcrzeugte.

„Alles was Ihr wollt, Signore, Rechnungen,
Liebesbriefe, Glückwünsche, Amtliches, Echtes und
Falsches."

„Falschesl" Signor Rossi machte einen Sprung
der Verzückung. „Ihr seid angestellt, Signore," —
ja, er sagte Signore, eine solche Achtung hatten ihm
des Studenten Fälschungskünste eingeflößt — „be-
kommt bei mir zu essen, was die alte Angela kocht —
und sie kocht gut, die Alte, fie kocht con srriore, wie
man sagt, trotz ihres Alters, kocht einen risotio mi-
isnsss, ah, ah, uri cspovsioro, ein Meisterwerk, und
eine poierits, ah eine poients, süß wie ein poems.
!lnd dann bekommt Ihr eine hübsche Kammer, die
schönste im Lause, gleich unter dem Dache, wo Ihr
den ersten Sonnenfirahl am Morgen habt, früher
als wir andern alle, die wir zu ebener Erde wohnen
müssen — Ihr seid wirklich beneidenswert mit Euerer
Dachkammer, Signore — und darin ist ein ganz
neuer Teppich, voll lauter gewebter Blumen, daß
es eine Pracht ist, und noch überdies bekommt Ihr
eine eigene Waschschüffel. Ich kenne die feinen Sitten,
Signore, und weiß, daß ein csvsilsrs wie Ihr manch-
mal das Bedürfnis hat, fich zu waschen. Aber das
ist lange nicht alles. Ihr sollt auch soicil haben,
klingende solcli, zwanzig Lire im Monat, zwanzig
volle Lire. Ein Schatz, ein Vermögen, ein Reichtum!"
Der Krämer begeisterte sich an seiner eigenen Frei-
gebigkeit: „Io, Signor Rosfi weiß die Kunst zu schätzen,

un sltro /vlecsnsts!"-—

Eine Stunde späker trug Signor Benedetto
zeremoniell einen großen Pappendeckel vors Laus,
hämmerte mit viel Umständlichkeit und Geschäftig-
keit einen großen Nagel in das graue Gemäuer und
hing dran, während fchon die Zugend in romantischer
Schmutzigkeit und abenteuerlicher Zerlumptheit wildlärmend
um ihn fich sammelte, bing dran feierlich den ehemaligen
Schachteldeckel. Drauf stand in schön verschnörkelten, großen
blauen Lettern:

„Lier, bei Signor Benedetto Rosfi, wird alles ge-
schrieben, was man überhaupt schreiben kann. Rech-
nungen, Karten, Briefe, Schulaufgaben, Denunziationen,

— „!ln i sags no amal: Bal ma unser anständigs
Bier no hätten, qäbs koan Kommunismus in Bapern "
 
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