Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Zeitschrift für Humor und Kunst t><><><)<><><><><><><><><^^ 18l

Das modernisierte Kegelspiel

— „'n Köni treff' i auf die erst' Kugell"

— „Dös is do jetz' da Präfident, wennst wos vom Kegelspiel vastehst!"

Der Schreibkünstler

Pumpbriefe für Anständige und Erpreffer. In allen Spra-
chen der zivilifierten Welt: toSkanisch, römisch, napolita-
"üch, piemontesisch. Besondere Spezialität der Firma:
Liebesbriefe. Kalte und heiße, zarte und stürmische. Für
alle Temperamente. An alle Stände: Gräfinnen und Stall-
a>ägde, Prinzen und Lazzaroni. Liebeserklärungen nach
utelfach erprobtcm Rezepte, Treuschwüre, aufrichtige und
unaufrichtige, Absagen und Körbe in allen Preislagen.
Klatschbriese und anonyme zu Vorzugspreisen."

Aus respeklvoller Ferne buchstabierte ein halbwüchsiger
Bengel mit zehnwöchiger Bildung dcm gaffenden Chor die
unerhörte Kunde l Und dann flog das junge Bolk aus-
kinander und johlle unter tollen Sprüngen Signor Bene-
dettos Kunst durch die buckligen Gäßchen von Monteearne

„8ignor Veneäetto LS rcrlvere," raunten sich die Wei-
ber zu, als wenn sie stch eine gruselige Gespenstergeschichte er-
iählten. Dte Männer zogen nur mit einem kurzen, stau-
uenden Ruck die Augenbrauen hoch, dann lächelten fie schon
wieder ungläubig: „ö un bullone, un cisrlstsnol" Dann
ging 's vor Signor Benedettos Torweg, zuerst einzeln,
barm in Gruppen und schließlich in Laufen. Lie und da
land fich wieder ein Lalbgebildeter, der buchstabieren konnte,
ber las dann die Wundermär vom Pappendeckel herunter,
bie unbegreisliche Wundermär von Signor Benedettos
Schreibkunst. Man staunte, verstummte, ergab sich in das
Ünbegreifliche, daß überhaupt jemand, besonders Signor
Benedetto schreiben, noch dazu alles schreiben konnte. Aber
die Kabbalistik der Schnörkel auf dem Pappendeckel ließ
keinen Zweifel zu. Man glaubte stumm an Benedettos
ichwarze Kunst. Bis der Spaßmacher des Städtchens,
der kleine Carlo, dcr Rofincnhändler vom Markte, das
rechie Wort fand, das die Zungen löfte: „Lcco II rnlo
slls^e! Schnell einen kleinen Brief an meine Laurettal"

Beherzt stürzte er hinein in das Laus, in dem fich so
schwarze Wunderkünste begaben.

Dem Eintretenden buckelke Signor Benedetto entgegen:
„Was steht zu Diensten, Signor Carlo?"

„Ein Brief an meine Laurelta — ste ist Dienstmagd
beim Bäcker am Markt, dem ich die Rofinen für scine
Kuchen verkaufe. Die erklärt nun auf einmal, ich sei ihr
nicht mehr gebildet genug, weil fie ein volles Jahr in die
Schule gegangen und ich bloß ein halbes. Der wahre
Grund aber ist der, daß ihr Lerr einen neuen Gesellen
eingestellt hat, der einen vorzüglichen crezpsllo, einen vor-
züglichen Kräuselkuchen bäckt. !lnd dieser Kräuselkuchen hat
ihre treue Liebe wankend gemacht. Lelfen Sie mir, Signore
Benedetto, helfen Sie mir, ich beschwöre Sie per Ssccko! Zch
weiß, Sie können mir helfen, großer mssstro der Schreibkunst I"

„Gerne, gerne zu Ihren Diensten, ausgezeichncter Signor
Carlo." Fräulein Lauretta wird mit Ihrer Bildung in
Zukunft zufrieden sein. Sie wird einen Brief von Ihnen
erhalten, als ob Sie zwanzig Iahre am collegio den Sallust
studiert hätten, Sie wissen, den großen Sallust oder gar
an der Aniversität in Pisa — haben Sie einmal von Pisa
gehört, Signor Carlo? Etne berühmte Stadt mit ebenso
berühmten Schulenl — oder, wie gesagt, an der Aniversität
von Pisa praktische Aebungen in Ovids srs smsnäl ge-
trieben hälte. Ein Buch, sage ich Ihnen, ein Buchl Wer
das einmal durchstudiert hat, den jagt der rettore gleich
davon, weil er ihm schon zu gelehrt geworden. Aber ein
solcher Brief wird nicht aus dem Aermel geschüttelt; dazu
bedarf es des Nachdenkens, der Aeberlegung, aller Fineffen
des Stiles, aller Weisheit der Gelehrten, aller Schläue des
Schwindlersl And Sie, Signore Carlo, sind ein gebildeter
Mann der gegenteiligen Meinung von Fräulein Lauretta
und wissen, daß Raffael, der weltberühmte Raffael Sanki
— haben Sie schon von Raffael gehört? Den großen Maler
 
Annotationen