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0<x><><><><><><><><^ Zeitschrift für Humor und Kuilst 0<>O-<>O<i<)<>-0^^ 183

Geschäftskniff — „Sieh mal an, der Schmier-

meier, dein schärffter Konkurrent,
hat sich mit deiner früheren Frau verlobt." — „Na, der will
aus ihr auch nur meine Fabrikatiönsgeheimnifse rausbringen."

Der Schreibkünstler

und Klatsch. And Signor Benedetto batte die schätzens-
werte Eigenschaft — im klassischen Land des Geschwätzes
und Klatsches doppelt schätzenswert — er war diskret, war
schweigsam. Schweigsam deshalb, weil der Arme, dem er
heute einen gemeinen Brief zu schreiben hatte, vielleicht
morgen schon einen noch gemeineren und darum noch
teuereren bestellte. Diskretion ist nur erlaubt. wo sie be-
zahlt wird. And Signor Benedetto war nicht umsonst
Krämer; er verkaufte fie en ästsil. Man konnte ein Lalb,
ein Viertel, ein Achtel davon haben. Gott, das kam auf
die Kunden an, mancher wollte für einen solchen Artikel
mehr, mancher weniger anlegen. Aber Signor Benedettos
neues Geschäft blühte, wie nur der Schwindel blühen kann.

Da kam ein Zirkus nach Montecarne, ein Zirkus! Ein
Zirkus das war eine ganz, ganz ferne, fremde Welt, das
war Abenteuerlichkeit, die in das Kleinftädtchen eindrang,
das war ein Weltwunder, das herabstieg in den engen
Alltag. Ein unbegreiflickes StauneN, ein unermüdlickes
Raunen ging durck den Ort: Ein Zirkus! Signor Bene-
detto bekam den Auftrag — denn für das glückliche Monte-
carne war die Buchdruckerkunst noch nicht erfunden wor-
den — Zirkusplakate zu malen. Wenig Worte — denn
Worte auf dem Papier waren nun einmal in Montecarne
verhaßt — aber desto mehr Btlder. Phantastische. ver-
wegene, unmögliche Bilver, das war eine volkstümliche
Reklamel Signor Benedetlos Student war ein Genie; er
konnte nicht nur schreiben, er malte auch. Ec malte galop-
pierende Esel, reifspringende Lunde, seiltanzende Damen.
Wenn Leonardo da Vinci für den Zirkus gearbeitet hätte,
er würde es nicht besser gemacht haben. Signor Bene-
detto erhielt zwei Freibillette, er nahm seinen Schreiber
mit. Sie sahen die von ihnen gemalte Seiltänzerin in
Natur. Die Natur hatte schon besser gemalt als Leonardo
da Vinci. Was Wunder also? Sie verliebten fich in die
natürliche Seiltänzerin, in die gemalte hätten sie sich nie
verliebt. Die gemalte war nur da als Lockmittel fürs große
Publikum. And beim Publikum kommt's auf die Schönheit
nicht so genau an.- Sie verliebten sich also beide urplötzlich,
katastrophal, eruptiv, wie man sich nur in jenem Lande

vcrliebt, verliebten fich wie weiland Orlando furioso.
Sie und keine andere, das stand bei ihnen sofort fest,
keine andere als die mmcckess äells Locäs, die Gräfin
vom Seil, wie ste sich so wohlklingend hieß.

Signor Benedetto schwärmte seinem Schreiber
während der ganzen Vorstellung vor von ihren Vor-
zügen in Lymnen, so exaltiert, wie er fie nie seinen
Kunden von der Güte seiner snguilotti gesungen
hatte. And der arme Schreiber, der Bedauerns-
werte! mußte schweigen! Doppelt arm, doppelt be-
dauernswert, wer in jenem Lande des Plauderns
und Schwätzens schweigcn muß, wenn er mit Engels-
zungen fingen und jubeln möchte. Signor Benedetto
schwärmte fort, ununterbrochen, auf dem Leimwege,
in der Ladenhinterstube, er licß den Armen nicht
seine Dachkammer aufsuchen, gönnte ihm keine Ruhe.
Gleich mußte er ans Schreibpult, sofort einen Liebes-
brief aufsetzen an die seiltänzelnde Gräfin, ihr Bene-
dettos stammelnde Luldigung schwarz auf weiß zu
Füßcn zu legen. Es ist wahrlich kein Vergnügen
für andere Liebesbriefe an eine Donna schreiben zu
müssen, die man selber liebt. Dafür war schließlich
auch die komfortablest ausgestattete Dachkammer mit
eigener Waschschüssel und die süßeste Polenta der
alten Angela kein tröstender Ersay. Aber ein Trost
ist es wenigstens, stch für eine schlaflose Nacht rächen zu
können. Zu schreiben und stch doch zu rächen! Drum schrieb
der Sludent, schrieb die ganze Nacht, schrieb con smors
und con furors, schrieb die halbe scs smsnä!, schrieb Prosa,

er selbst einst mit 750 Francs bezahlt bekam!"
— „Da siehst du wieder, wie gut es ist, daß
uns niemand was abkauft."
 
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