52 Meggendorfer-Blätter, München
Der schlaue Bettler
Die Löwenbändigertn
sondere Kunst, aber bei Löwen! Dadurch allein hätte ich
schon gewarnt sein sollen; aber wann läßt sich ein Mann
warnen, wenn er sich verlieben will? Denn — warum soll
ich es geheim halten? Sie würden es doch bald merkenl
— ich verliebte mich sofort in die Löwenbändigerin, mitten
in ihrer Glanznummerl Ich verliebe mich immer gleich in
der ersten Minute ganz unsterblich; bei der Kurzlebigkeit
unsterblicher Liebe muß man jede Minute ausnützen. Die
Liebe zu einer Löwenbändigerin ist etwas Großes und
Schönes l Da kann niemand mitreden, der nicht eine Löwen-
bändigerin geliebt hat. Ich war ganz hingerissen von ihrer
Kunst. Sie sprang mit dem König der Tiere um wie, na,
sagen wir meinetwegen, wle mit meinesgleichen. Ich fühlte
mich überhaupt innigst beteiligt an ihrem Spiel. Ich schlug
mit ihr auf die Tiere ein, triumphierte mit ihr über die
wilden Bestien, alles natürlich von meiner Loge aus. O
du Bändigerin, wie liebte ich dich unbändig! Ich ricf
den Logendiener herbei und bestellte bei ihm einen
Riesenblumenstrauß von ebenso unbändigen Dimensionen.
!lnd in diese tropenhaft üppige Flora steckte ich meine Vi-
sttenkarte, vvller Luldigungen an die Bändigerin der
Fauna. Als die Löwen zu Ende gebändigt waren, brach
ich mit Anterstützung des übrigen Publikums in einen
frenetischen Applaus aus, in einen Applaus ohne Ende.
Ich zwang die Bändigerin, sich immer wieder vor mir zu
verneigen. Ich war ungeheuer stolz, eine Löwenbändigerin
zu etwas zwingen zu können. Sie wurde schließlich die
ewige Verneigerei satt und zog ab. Ihre Löwen hätten
das nie satt kriegen dürfen! Aber ich tofie weiter, weiter
ohne Anterlaß, bis der Zirkusdirektor höchstpersönlich in
metner Loge erschien und unter tausend Dankesausdrückungen
um Einfiellung des Applauses bitten mußte. Ich stellte thn
ein mit Rücksicht auf die Vorstellung. Nach deren Schluß
harrte ich am Ausgang, ob mir die Bändigerin nicht ein
Billett senden würde, wenigstens ein Dankbillett. Aber
Frauen sind undankbar. Sie sandte nichts, nicht einmal
ein Freibillett für den nächsten Abend. Ich gab jedoch
meine Loffnung nicht auf. Ich war zu unsterblich verliebt,
um schon nach der ersten Minute meine Liebe ersterben zu
lassen. Ich kaufte mir wieder ein Logenbillett für den
nächsten Abend, applaudierte wieder wahnsinnig, schickte
ihr einen noch größeren Blumenstrauß. Ich bestellte sogar
ein Souper von zehn Gängen im ersten Weinrestaurant
in der Gewißheit, daß ich dieses Mal siegen würde, im
Kampfe um die Löwenbändigerin. Ich mußte meine zehn
Gänge allein essen. Ich harrte aus, jeden Abend in der
Loge, jeden Abend allein beim Souper. Ich legte mein
ganzes Vermögen in Logenplätzen an und in einsamen
Soupers. Alles nur aus Liebe. Wer nie sein Souper mit
einsamen Tränen aß, der kennt sie nicht, die unbändige Liebe.
Schließlich blieb mir kein Pfennig mehr übrig. Zch
faßte einen verzweifelten Entschluß: Ich ging zum Zirkus-
direktor und bot ihm meine Dienfie als Clown an. Das
war das Einzige, wozu ich mich innerlich berufen fühlte;
zum Seiltänzer oder Feuerfresser hatte ich doch keine An-
lagen. Er engagierte mich sofort, er mußte mein Talent
auf den ersten Blick erkannt haben, denn er sagte nur:
„Sie sind ein richtiger Clownl" Anscheinend hatke er 's
mir vom Gesicht abgelesen.
Der schlaue Bettler
Die Löwenbändigertn
sondere Kunst, aber bei Löwen! Dadurch allein hätte ich
schon gewarnt sein sollen; aber wann läßt sich ein Mann
warnen, wenn er sich verlieben will? Denn — warum soll
ich es geheim halten? Sie würden es doch bald merkenl
— ich verliebte mich sofort in die Löwenbändigerin, mitten
in ihrer Glanznummerl Ich verliebe mich immer gleich in
der ersten Minute ganz unsterblich; bei der Kurzlebigkeit
unsterblicher Liebe muß man jede Minute ausnützen. Die
Liebe zu einer Löwenbändigerin ist etwas Großes und
Schönes l Da kann niemand mitreden, der nicht eine Löwen-
bändigerin geliebt hat. Ich war ganz hingerissen von ihrer
Kunst. Sie sprang mit dem König der Tiere um wie, na,
sagen wir meinetwegen, wle mit meinesgleichen. Ich fühlte
mich überhaupt innigst beteiligt an ihrem Spiel. Ich schlug
mit ihr auf die Tiere ein, triumphierte mit ihr über die
wilden Bestien, alles natürlich von meiner Loge aus. O
du Bändigerin, wie liebte ich dich unbändig! Ich ricf
den Logendiener herbei und bestellte bei ihm einen
Riesenblumenstrauß von ebenso unbändigen Dimensionen.
!lnd in diese tropenhaft üppige Flora steckte ich meine Vi-
sttenkarte, vvller Luldigungen an die Bändigerin der
Fauna. Als die Löwen zu Ende gebändigt waren, brach
ich mit Anterstützung des übrigen Publikums in einen
frenetischen Applaus aus, in einen Applaus ohne Ende.
Ich zwang die Bändigerin, sich immer wieder vor mir zu
verneigen. Ich war ungeheuer stolz, eine Löwenbändigerin
zu etwas zwingen zu können. Sie wurde schließlich die
ewige Verneigerei satt und zog ab. Ihre Löwen hätten
das nie satt kriegen dürfen! Aber ich tofie weiter, weiter
ohne Anterlaß, bis der Zirkusdirektor höchstpersönlich in
metner Loge erschien und unter tausend Dankesausdrückungen
um Einfiellung des Applauses bitten mußte. Ich stellte thn
ein mit Rücksicht auf die Vorstellung. Nach deren Schluß
harrte ich am Ausgang, ob mir die Bändigerin nicht ein
Billett senden würde, wenigstens ein Dankbillett. Aber
Frauen sind undankbar. Sie sandte nichts, nicht einmal
ein Freibillett für den nächsten Abend. Ich gab jedoch
meine Loffnung nicht auf. Ich war zu unsterblich verliebt,
um schon nach der ersten Minute meine Liebe ersterben zu
lassen. Ich kaufte mir wieder ein Logenbillett für den
nächsten Abend, applaudierte wieder wahnsinnig, schickte
ihr einen noch größeren Blumenstrauß. Ich bestellte sogar
ein Souper von zehn Gängen im ersten Weinrestaurant
in der Gewißheit, daß ich dieses Mal siegen würde, im
Kampfe um die Löwenbändigerin. Ich mußte meine zehn
Gänge allein essen. Ich harrte aus, jeden Abend in der
Loge, jeden Abend allein beim Souper. Ich legte mein
ganzes Vermögen in Logenplätzen an und in einsamen
Soupers. Alles nur aus Liebe. Wer nie sein Souper mit
einsamen Tränen aß, der kennt sie nicht, die unbändige Liebe.
Schließlich blieb mir kein Pfennig mehr übrig. Zch
faßte einen verzweifelten Entschluß: Ich ging zum Zirkus-
direktor und bot ihm meine Dienfie als Clown an. Das
war das Einzige, wozu ich mich innerlich berufen fühlte;
zum Seiltänzer oder Feuerfresser hatte ich doch keine An-
lagen. Er engagierte mich sofort, er mußte mein Talent
auf den ersten Blick erkannt haben, denn er sagte nur:
„Sie sind ein richtiger Clownl" Anscheinend hatke er 's
mir vom Gesicht abgelesen.