Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
88


Meggendorfer-Blätter, München

Freunöliche Sta-t

Häuser, wte gute Bürgersfrauen,
Zreun-lich, sauber — Stuben und Gang —
UnL so mütterlich bergenL anzuschauen.
Man möcht' sich ihnen gleich anvertrauen,
Wenn möglich — Las ganze Leben lang.

UnL wer -rin wohnt, so sollte man meinen,
WirL ganz von selber bie-er un- brav.

Ist über sein Tagwerk sich stets im Reinen,
Und freut sich -es AbenLs beim MonLenscheine
Auf seinen gesunLen, ehrlichen Schlaf.

A

Etn König wtrd gcsuchl

betten kann wie weiland mein fabelhafter Vorfahr' Eber-
hard. Dann bin ich auch ficher, daß ihr nicht nur Gott
gebt, was Gottes ist. sondern noch mehr Leinrich, was
Leinrichs ist." Der Telcgraph, der bei dieser Gelegenheit
zum erstenmal richtiq funltionierte, lrug die Köntgsbot-
schaft durch das glückberauschte Land.

Als die hundert Empfänge und Luldtgungsfeierlich-
keiten, vom Landtag bis zum Iungfrauenverein, endlich
vorüber waren, atmete Leinrich auf. An zuviel Leimlich-
keiten von Iugend auf gewöhnt, war ihm die viele Oeffent-
lichkeit direkt unheimlich vorgekommen. Aber es war gut,
sehr gut gegangen. Das Regieren ließ fich ganz prächtig
an. Die Versprechungen an das Volk von Salvador hatte
er zuerst mal an sich verwirklicht. Er hatte fich auf Staats-
kosten einen umfangreichen Schnapskeller und einen Marstall
für Brathühner beigelegt. Seine Komplizen waren glücklich
in die zu diesem Zweck errichtelen Ministerien hinein prote-
giert. Die Steucrn für die nächfien beiden Iahre hatte er
schon pränumerando als erstes Monatsgehalt abgehoben.
Aus Freude über diese ersten Regierungserfolge lud er den
ehemaligen Präfidenlen, der bei der Einführung in die

Staatsgeschäfte so bereitwillig beide Augen zugedrückt hatte,
zu einer Flasche Salvadorer Nordhäuser ein. In vorge-
rückter Schnapslaune gab sich der Expräfident frei von allem
Zwang der neuen Etikelte. „Was mich am meisten gewundert
hat, ist Masestäls frappierend jugendliches Auösehen."
„Wieso?" fragte der König gnädig.

„Nun, die letzten Bilder in der Zeitschrift, die uns
gesandt wurden, zeigten Majestät doch einige Kleinigkeiten
älter. Niemand würde vermuten, daß Majestät schon in
vorgerücktem Mannesalter. Anscheinend hat die längere
Seereise Majestät außerordentlich wohlgetan."

„Ia, ja, . . . natürlich ... natürlich die Seereise . . ."
nickte der augenblicklich bleich-blaue Leinrich erregt. „llebri-
gens, Exzcllenz, bringcn Sie mir doch morgen mal den ganzen
Bilderkram. Ich brauch' ihn nämlich fürs königliche Fami-
lienarchiv."

Am nächstcn Tag, fchon in aller Frühe, kamen die
Gothas, die Zeitschriftenbände, der Telegrammwechsel. Lein
rich rief sofort seinen mitgebrachten Ministerrat zusammen:
„Alko, meine lieben Exzellenzen und Spezis, die Konkurrenz
ist schon im Anzugl Der Thron aus dem Leihhaus fängt
an zu wackeln! Die Salvadorer haben nämlich schon vor
 
Annotationen