100 vvvvvvvvvvvvvvvvv Meggendorfer-Blätter, München ^vvvvvvvvvvvvvvvvv
vie slten, müäen I)äuler
lehnen
Äie ölinlle sn cier 8->lle äi'chl,
llnä Irübe lenllerlcheiben seknen
Nach kimmel lich unä
Zonnenlichb
k.in ekler lühlichlsurer öroäem
(välrt l'ch «ur jeäem ksu;
hervor.
llrrgiltet ilt äer rcine Oäem
llnä Ilrmut grinlt su; Lür
unä Lor.
Und dann war da so eine wehmütig-getragene und dabei
doch traftvolle Tonwelle, die an allen Ecken und Enden
wieder auftauchte, das ganze mit einem weihevollen Fluidum
übergießend.
Wir nannten ste das Leichenbittermoliv.
Es war das Knochengerüst unseres Gesanges.
Was sonst noch etwa an Melodie vorhanden war,
glich einer gallertartigen Masse, die stch ganz dem jeweiligen
Bedürfnis anzupassen vermochte.
Auch der Text war variabel.
Nicht etwa, als ob wir irgendwelche unerlaubten Zu-
sätze gemacht hätten.
Jch kann beschwören, daß nie eine Silbe mehr in unseren
Gesängen vorgekommen ist als die oben genau verzeichneten.
2lber innerhalb dieser festgezogenen Grenzen gefialteten
wir unser Spiel zu einem wunderbar abwechslungsreichen.
Es ist vorgekommen, daß der zweite Baß einen ganzen
Abend hindurch die beiden Silben „Fahr wohl" für stch mit
Beschlag belegt hat.
Er vermochte fich nicht davon zu trennen.
Niemand aber kann behaupten, daß er flch dabei auch
nur ein einziges Mal wieterholt hat.
Dieses Bravourstück vermochte cr allerdings nur des-
halb durchzuführen, weil ihm jederzeit fretstand, in ein an-
deres Stimmengebiet überzugehen und mit seinen unheil-
drohenden Vokalen Verwüstungen anzurichten, wo er nur
wollte.
Während er dann dem ersten Tenor die Luft wegnahm,
ritt dieser auf dem „Lenzesmorgen" in den Baßtönen der
Unterwelt herum.
Streng war es verpönt, einen halben Satz hinterein-
ander herunterzufingen.
Eher durste man mit der vorletzten Silbe abbrechen, mit
der zweiten wieder anfangen, auf der drittletzten ausruhen,
neuerdings bei der dritten wieder ansetzen, um schließlich
auf der vierten, die glcichzeitig die vtertletzte war, die
wunderbarsten Kapriolen auszufuhren.
Das alles war nicht nur erlaubt, es war sozusagen
zur Pflicht geworden.
Lieder ohne Worte Von Martln Deiertng
In meiner Iugend hatte ich drei Freunde.
Mit diesen gründete ich selbfiverständlich
ein Quartett.
Wir pflegten den Männergesang.
Unser einziges Vortragsstllck bestand aus
zwei Zeilen, die wir selbst gedichtet und selbst
vertont hatten.
Die Verse lauteten:
„Fahr wohl, du schöner Lenzesmorgen!
Fahr wohl, du holde Maienzeit!"
Die Mustk war dementsprechend.
Es war fabelhaft, was wir mit diesem
Minimum von Stoff für ein Maximum von
Kraft vergeuden konnten.
Wen eigentlich die Schuld an diesen Versen
traf, und wer von uns für die Musik verant-
wortlich zeichnete, ist niemals festgestellt worden;
wir fühlten uns alle vier gleich schwer belastct.
Auch wage ich nicht zu behaupten, daß
die Singweise stets dieselbe gewesen wäre;
nur der Anfang hatte im Laufe der Zeit eine
etwas sestere Form angenommen.
— „Vom Standpunkt der Korpserziehung war das Fehlen der Mensuren
während des Krieges sehr zu bcklagen. Ietzt, wo der Krieg aus ist,
wollen wir unseren jungen Leuten endlich einmal zeigen, was Selbst-
beherrschung, Mannesmut und Lingabe an eine -
vie slten, müäen I)äuler
lehnen
Äie ölinlle sn cier 8->lle äi'chl,
llnä Irübe lenllerlcheiben seknen
Nach kimmel lich unä
Zonnenlichb
k.in ekler lühlichlsurer öroäem
(välrt l'ch «ur jeäem ksu;
hervor.
llrrgiltet ilt äer rcine Oäem
llnä Ilrmut grinlt su; Lür
unä Lor.
Und dann war da so eine wehmütig-getragene und dabei
doch traftvolle Tonwelle, die an allen Ecken und Enden
wieder auftauchte, das ganze mit einem weihevollen Fluidum
übergießend.
Wir nannten ste das Leichenbittermoliv.
Es war das Knochengerüst unseres Gesanges.
Was sonst noch etwa an Melodie vorhanden war,
glich einer gallertartigen Masse, die stch ganz dem jeweiligen
Bedürfnis anzupassen vermochte.
Auch der Text war variabel.
Nicht etwa, als ob wir irgendwelche unerlaubten Zu-
sätze gemacht hätten.
Jch kann beschwören, daß nie eine Silbe mehr in unseren
Gesängen vorgekommen ist als die oben genau verzeichneten.
2lber innerhalb dieser festgezogenen Grenzen gefialteten
wir unser Spiel zu einem wunderbar abwechslungsreichen.
Es ist vorgekommen, daß der zweite Baß einen ganzen
Abend hindurch die beiden Silben „Fahr wohl" für stch mit
Beschlag belegt hat.
Er vermochte fich nicht davon zu trennen.
Niemand aber kann behaupten, daß er flch dabei auch
nur ein einziges Mal wieterholt hat.
Dieses Bravourstück vermochte cr allerdings nur des-
halb durchzuführen, weil ihm jederzeit fretstand, in ein an-
deres Stimmengebiet überzugehen und mit seinen unheil-
drohenden Vokalen Verwüstungen anzurichten, wo er nur
wollte.
Während er dann dem ersten Tenor die Luft wegnahm,
ritt dieser auf dem „Lenzesmorgen" in den Baßtönen der
Unterwelt herum.
Streng war es verpönt, einen halben Satz hinterein-
ander herunterzufingen.
Eher durste man mit der vorletzten Silbe abbrechen, mit
der zweiten wieder anfangen, auf der drittletzten ausruhen,
neuerdings bei der dritten wieder ansetzen, um schließlich
auf der vierten, die glcichzeitig die vtertletzte war, die
wunderbarsten Kapriolen auszufuhren.
Das alles war nicht nur erlaubt, es war sozusagen
zur Pflicht geworden.
Lieder ohne Worte Von Martln Deiertng
In meiner Iugend hatte ich drei Freunde.
Mit diesen gründete ich selbfiverständlich
ein Quartett.
Wir pflegten den Männergesang.
Unser einziges Vortragsstllck bestand aus
zwei Zeilen, die wir selbst gedichtet und selbst
vertont hatten.
Die Verse lauteten:
„Fahr wohl, du schöner Lenzesmorgen!
Fahr wohl, du holde Maienzeit!"
Die Mustk war dementsprechend.
Es war fabelhaft, was wir mit diesem
Minimum von Stoff für ein Maximum von
Kraft vergeuden konnten.
Wen eigentlich die Schuld an diesen Versen
traf, und wer von uns für die Musik verant-
wortlich zeichnete, ist niemals festgestellt worden;
wir fühlten uns alle vier gleich schwer belastct.
Auch wage ich nicht zu behaupten, daß
die Singweise stets dieselbe gewesen wäre;
nur der Anfang hatte im Laufe der Zeit eine
etwas sestere Form angenommen.
— „Vom Standpunkt der Korpserziehung war das Fehlen der Mensuren
während des Krieges sehr zu bcklagen. Ietzt, wo der Krieg aus ist,
wollen wir unseren jungen Leuten endlich einmal zeigen, was Selbst-
beherrschung, Mannesmut und Lingabe an eine -