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Mcggendorfer-Blätter, München

So, und jetzt schnell an die Finger gezogenl"

Der Kanarienvogel V°n Fr>h sermann

Ich besihe einen Kanarienvogel, einen wund-rschönen,
safrangelben Lar,er Reller in einem Käfig von Messtng-
stäben. Diesen Kanarienvogel wollte... oder befser mußte
ich verkaufen. Die Tragödie — und es kann eine Tragödie

— „Maranl Iosefl Zu Lilfel Mas hab' ich denn sür Finger!"

Die Nache des Lehrbuben

— vielleicht etwas machen! Blasen wir zunächst 'mal
die Gedärme elwas aufl,

sein, eincn Kanarienvogel (Larzer Roller) verkaufen zu
müssen — begann, als Tante Emma die vollbustge, Gast-
freundschaft bei mir nachsuchte. Sie hatte keine eigene
Wohnung, weil fie es vorgezoaen hatte, während des Krieges
auf Reisen zu leben, um gesegnete Gefilve der Sommer-
und Wmterfrischen abzugrasen. Dann hatte sie den An-
schluß verpaßt. Ihre Möbel standen bei einem Spediteur
(vcrstcheri). !lnd sie entsann sich meiner liebevoll.

„Für etnige Wochen wird eS schon gehn, Fritz." meinte
ste, „bis ich eine passende Wohnung gefunden habe. Die
Lermanns stnd ja tmmer gastfrei gewesen."

Den Wavrheitsbeweis erbrachte fie dafür nicht. !1nd
sie blieb. Ich habe nie gemerkt. daß sie stck nach einer
„paffcnden" Wohnung umsah. Einmal warf ich eine Frage
ins Gespräb.

„Die Wohnungen find jrht so gräßlich teuer, Fritz."

Sie blieb also. Ich wollte ihr meine leere Mansarde
einräumen.

Sie fürchtete stch aber auf dem Boden, wie sie sagte.

„And dein Schlafzimmer gefällt mir."

Ich logiere seit achtzehn Wochen auf dcm Sopha.
Man ist letzt ja nicht zu sehr verwöbnt.

Tante Emma besaß aber eine Katze. Sie wollte ste
„aanz, ganz klein" auf der Etraße gefunden haben. And
es war e>n Akt des Mitleids, wie fie sagte. Ich harke
geqen die Kuye nichts, wohl aber die Kaye gegen meinen
Kanarienvogel.

„Metn Boael" nannte ihn Tante Emma.

Daß zwischen der Katze — Mietze oder Mausi gerufen
— und me'nem Vogel Fe ndschaft bestand, ist nichts Be-
sonderes und scll öfkers vorkommen.

Tante Emma aber war empört.

„Detn Vogel reizt Maust immer."

„Wte kann ein kleiner Kanarienvogel ... Tante . .

„Er zwitschert ihr zuviel. Es g'bt ein Anglück. Du
wirst sehen. Einer von beiden ist zuviel. Entweder,Deiw
Vogel oder die Katze."

„Ich werde den Vogel a'so verkaufen, Tante."

„Last du etwa erwartet, ich gebe meine Mausi fort?"

Zch halte es nicht erwartet und gab ein Iaserat in
der Zeitung auf.

Kanarienvogcl billig zu verkaufen.

Fritz Lermann.

Es meldeten fich am nächsten Morgen fiebzehn Käufer.
Neun ließ ich vor, dann wurde der störende Lärm Tante

— „Aha! Mir scheint, heut' hat der sekante Meister etwas
zu viel vom StnapS erwischtl — Stalt Würste zu machen,
ist er fest eingeschlafen — da läßt fich-
 
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