Zr. 1511
Zeitschrift für Humor und Kunst
169
TratuUeren
„Was für ein Gefühl hast du, Tante?" sprechen wir
es nach.
als ob heute ein besondrer Tag wäre," sagt Tant;
Äildegard, ohne sich vom Wandkalender abzuwenden.
„Freilich," sagt Mutter frcundlich, „Sonntag eben."
„Ach was — als ob wir heute jemand gratulieren
müßten, fühle ich — Geburtstag. Namenstag. Lochzeitslag
^ irgendsowas ist, ich laß mich rädern, heute fällig — irgend-
sowas — ich täusche mich da nie — nie — nie . . ."
Sie versank in Brüten. Multer sank in Brüten.
Vater sank in Brüten. Wir Kinder sanken In Vrüten.
Die Gemütlichkeit, deren dralle Beine oufgehört halten
übers Bücherbrelt zu schlenkern, sank in Brü'en.
„Iemandem gratulieren?" wiederholte Matter, „wcm
nur? — dem Onkel Bcnedikt vielleicht?"
Tantes Finger suhr im Wandkalender rückwärts: „Ach
was, Benedikt war schon am dritten."
„Wem nur?" wiederholte Multer bekümmert, „der
Base Schossefine vielleicht?"
Tantes Finger fuhr im Wandkalender vorwärts: „Ach
was, Schossefine tst ja erst in einem Monat."
„Wem nur?" sagte Multrr lroftlos, „Fräulein Britschki
inr dritten Stock vielleicht?"
Tantes Ftnger fuhr an die Stirn: „Du bist imstande,
dieser Per'on zu gratulieren, die uns selbst noch nicht
einmal gratulierte!"
„Wem nur?" spoltete die Gemütlichkeit und hopste
vom Bücherbrett auf den Schrank hinauf.
Lsi ^.utrL^en unä LsstsIIun^sn vroilsu 8is sisk uuk ciisss ^sitselirikt bs^islieu.
„Wem nur?" kouten wir Kinder verloren an dem
strohern werdenden SonntagSkuchen herum.
„Na ja," wagte Vater, „wenn wir's nicht wiffen,
brauchen wtr cben nicht zu gratulieren."
„So?" züngellen der noch immer nicht herumgedrehtcn
Tanke Finger gegen Vater, „sol und wenn er nun be-
leidigt wäre!"
„Wer?"
„Der, dem an seinem Ehrentag zu gratulieren wir so
schmählich unterlassen haben."
„Was sür einem Ehrentaae?"
„Iubiläum, glaub ich — jaja. Kinder, jctzt fällt's mir
ein — ein Iubiläum muß heute sein — irgendein Iubiläum
— wir müffen es herausbekommen — Kinder, helft mir —
zum Dounerwetter, Kinder, helft mir doch."
Mir halsen ihr. Wir strengten unlre Köpfe wahn-
finnig an nach I ibiläen. Mutter mußte in alten Brie>en
kramen. Bü einem vergilbten hielt fie an. Ihre Züge
wanderten verklärt zurück: .Leute vor dreißig Iahren —"
„Siehst dul" sagte Tante.
wurde ich koafirmiert."
„Golt, dul ich meine gra—tu—lie-ren —"
Ich kam mit einem Abreiskalcnder vom ersten Stock
herabgeschossen: „Amerika entdeckt," frohlockke ich, „gcnau
heute vor vierhundertsechsundzwanzig Iahrenl"
„Esel," sagten Tantes durchgeknackte Ellenbogen. Sie
stand noch immer mit dem Geficht aegen den Wandkalender.
„Schade," sagte Mutter schüchlern, „der Sonntags-
kaffse wird kalt und —"
Zeitschrift für Humor und Kunst
169
TratuUeren
„Was für ein Gefühl hast du, Tante?" sprechen wir
es nach.
als ob heute ein besondrer Tag wäre," sagt Tant;
Äildegard, ohne sich vom Wandkalender abzuwenden.
„Freilich," sagt Mutter frcundlich, „Sonntag eben."
„Ach was — als ob wir heute jemand gratulieren
müßten, fühle ich — Geburtstag. Namenstag. Lochzeitslag
^ irgendsowas ist, ich laß mich rädern, heute fällig — irgend-
sowas — ich täusche mich da nie — nie — nie . . ."
Sie versank in Brüten. Multer sank in Brüten.
Vater sank in Brüten. Wir Kinder sanken In Vrüten.
Die Gemütlichkeit, deren dralle Beine oufgehört halten
übers Bücherbrelt zu schlenkern, sank in Brü'en.
„Iemandem gratulieren?" wiederholte Matter, „wcm
nur? — dem Onkel Bcnedikt vielleicht?"
Tantes Finger suhr im Wandkalender rückwärts: „Ach
was, Benedikt war schon am dritten."
„Wem nur?" wiederholte Multer bekümmert, „der
Base Schossefine vielleicht?"
Tantes Finger fuhr im Wandkalender vorwärts: „Ach
was, Schossefine tst ja erst in einem Monat."
„Wem nur?" sagte Multrr lroftlos, „Fräulein Britschki
inr dritten Stock vielleicht?"
Tantes Ftnger fuhr an die Stirn: „Du bist imstande,
dieser Per'on zu gratulieren, die uns selbst noch nicht
einmal gratulierte!"
„Wem nur?" spoltete die Gemütlichkeit und hopste
vom Bücherbrett auf den Schrank hinauf.
Lsi ^.utrL^en unä LsstsIIun^sn vroilsu 8is sisk uuk ciisss ^sitselirikt bs^islieu.
„Wem nur?" kouten wir Kinder verloren an dem
strohern werdenden SonntagSkuchen herum.
„Na ja," wagte Vater, „wenn wir's nicht wiffen,
brauchen wtr cben nicht zu gratulieren."
„So?" züngellen der noch immer nicht herumgedrehtcn
Tanke Finger gegen Vater, „sol und wenn er nun be-
leidigt wäre!"
„Wer?"
„Der, dem an seinem Ehrentag zu gratulieren wir so
schmählich unterlassen haben."
„Was sür einem Ehrentaae?"
„Iubiläum, glaub ich — jaja. Kinder, jctzt fällt's mir
ein — ein Iubiläum muß heute sein — irgendein Iubiläum
— wir müffen es herausbekommen — Kinder, helft mir —
zum Dounerwetter, Kinder, helft mir doch."
Mir halsen ihr. Wir strengten unlre Köpfe wahn-
finnig an nach I ibiläen. Mutter mußte in alten Brie>en
kramen. Bü einem vergilbten hielt fie an. Ihre Züge
wanderten verklärt zurück: .Leute vor dreißig Iahren —"
„Siehst dul" sagte Tante.
wurde ich koafirmiert."
„Golt, dul ich meine gra—tu—lie-ren —"
Ich kam mit einem Abreiskalcnder vom ersten Stock
herabgeschossen: „Amerika entdeckt," frohlockke ich, „gcnau
heute vor vierhundertsechsundzwanzig Iahrenl"
„Esel," sagten Tantes durchgeknackte Ellenbogen. Sie
stand noch immer mit dem Geficht aegen den Wandkalender.
„Schade," sagte Mutter schüchlern, „der Sonntags-
kaffse wird kalt und —"