175a
Meggendorfer-Blätter, München
Nr.
Ikeol'ie
Isnge sls em brsvri' lllckitei'
Isl uns beksnnl üsstsnnes llclilsf.
llocli jel/I e!n U/ei'k vei>ölkenlllclil ei'.
lls relgl ei' slnli s>3 Knsmngi'spli.
kM ööcliLt enei'glsLlicii' lleböi'cjn
Uei'u/Ii'ft er, u/ss bls jelrt geösnlit,
Imlem ei> elnfscb unsre Lrcle
2um I^IIIelpunkt öeL U/ellsIls msclit.
Um unsim Lröe sntii'elbt ei>, öi'eben
^i'Lb sslsncl, ^IsnLlnn, llnnnenbsll,
llle feimstnn lllerne, clln u/Ii' snbnn,
llncl übei'bsupt clss gsnre llll.
llnnb uon nrgsnIsnbLN llubslsnren
llsl sllns cllnLns kelnn llpui':
llle llröe Ist cjLi> lllnn cies llsnren,
lllllcin suk Ibr glbl's llnben nur.
ll, llnblsk, u/SL bssl ciu cis ni>Lnnnen!
llle llccln u/sr' ön5 Knsmns 2u/nnk?
llle fnrnnn, bnbeilsunllnn llnnnen,
llle cllenten cllLLLm IIsuklLln lli'nnk,
llss 5ln gnbsnnl In nu/'gn tti'nlsn
Hl5 öLi' bbleble I^IIInlpunkI,
lleb' lleben beuln uni>rug5u/nl5n
sslll rlnmIInbLi' llnmnlnbnlt prunlcl?
llLln, 5nblsf, u/Ii' u/nllen Ilnbei' glsubnn,
U/S5 msn s>5 gutnn 7l'N5l gLU/INNt, —
llu u/irst UN5 nlnbt clle blnffnung rsuben,
llsk bess'i'n, snbnn'i'n StLime sincl.
I/ei'u/ii'f, U/S5 Irübn öu ei>clsnbte5l,
llib snbönni'Li' lli>I<Lnninl5 f^suml
Lesinnn cHnbl ll llnblsk, clu bi'snblnsl
llN5 nlnnn bässn, U/Ü5lnn Icsum.
OsucleÄMUs >§itur, iuvenes clum sumus . . .
Die schöne Rheinstadt Köln hat sich in- lehter Zeit zu
einer der bedeutendsten deutschen Schieberzentralen empor-
entwickelt. Selbst Gymnasiasten beteiligen sich dort a»
den großen Zigarettenschiebungen nach dem unbesetzten
Gebiet und sollen dabei an einer Schiebung oft mehr als
20 000 Mark verdienen. Da man allein eine Familie heut-
zutage einfach nicht mehr ernähren kann, habe ich meinen
zehnjährigen Äans aufs Gymnasium nach Köln geschickt,
mit einem kleinen Betriebskapital. Mit einem Betriebs-
kapital von 1000 Mark, ohne das wird man in die Sexta
der Kölner Gymnasien nicht aufgenommen. Die Aufnahme-
prüfung in so moderne Gymnasien wie die Kölner sind,
besteht darin, daß der Prüfling darllber Rechenschaft ablegt,
ob er die vielen Sorten echten und falschen deutschen
Papiergeldes unterscheiden kann. Mein Lans bestand die
Aufnahmeprüfung glänzend, er ist überhanpt ein Finanz-
genie. Da er ausier seinem Talent, wie gesagt, auch noch
1000 Mark Kapital mitbrachte, wurde er ohne weiteres in
den grosien Schieberkonzern aufgenommen, den die Serta
gebildet hat und dem der Ordinarius der Klasse vorsteht.
Das Äauptfach der Sexta ist die Zigarettenschieberei, das
Nebenfach Latein. In der ersten Woche lernte mein Äans
die erste lateinische Deklination und die wichtigsten Schieber-
kniffe kennen. In der zweiten Woche wurde die zweite
Deklination einstudiert und die Lauptsorten der ausländischen
Zigarettenfabrikation. In der dritten Woche wurde die
erste Schulaufgabe abgehalte», in der die Fabriknamen der
wichtigsten Auslandsprodukte ins Lateinische zu übertragen
waren. Mein Lans erhielt Note „Vorzüglich", weil er
„Maryland" mit „tsrrs /^sriss" und „Navy cut" mit
„nnvis Lscsts" übersetzt hatte. Seitdem die Sextaner mit
der dritten Deklination begonnen haben, werden die Schul-
stunden zum Abschlusi großer Transaktionen verwendet.
Dem Llnterricht wohnen meist ausländische Schieberautori-
tüten von Weltruf bei. Wichtige Fächer sind außerdem
Arithmetik, Deutsch, Kalligraphie und die neu eingeführte
Bürgerkunde. In der Arithmetik wird besonderer Wert
auf die flinke Berechnung 500 und 1000 prozentiger Auf-
schläge gelegt. Die Deutsch-Stunde dient zur Abfassung
geriffener Geschäftsbriefe. In der Kalligraphie üben die
Sextaner möglichst raffinierte ünterschriftsfälschungen. In
derBürgerkundewerdenWechselreiterei,Bestechungsversuche
der Behörden sowie überhaupt praktische Amgehung des
Reichsstrafgesetzes gelehrt. Der Ordinarius führt außer
dem Zensurbuch noch das Scheckkonto für jeden mitschieben-
den Sextaner. Ieden Tag wird am Schluß des Anterrichts
der Stand der einzelnen Konti bekanntgegeben. Gestern
hat mir mein Lans seine bisherigen Noten im Latein
mitgeteilt und einen Scheck auf 2000 Mark für seine not-
leidenden Eltern beigefügt. Wir werden uns eine gute
Woche machen. Wir können uns das jetzt leisten, seitdem
sich der lateinische Anterricht so gut rentiert. L>ans schrieb
uns, daß er die Weihnachtsferien zu einer Geschäftsreise
nach Berlin benützen wird, wo er mit seinen Geschäfts-
freunden von der Sexta des Dorotheengymnasiums einen
Schluß auf 10 Millionen englischer Opiumzigaretten zu
tätigen gedenkt. Kommt das Geschäft zustande, so wird
er einen Abstecher hierher machen und uns einige praktische
ünverfroren Professor: „Der Anzug, den ich Ihnen geschenkt,
scheint nicht so recht nach Ihrem Geschmack zu sein?" Bittsteller:
„Schwarzer Rock, braune West', gelbe Los' . . . wie paßt das zu-
sammen!" — „Ich hab's doch auch so getragen!" — „Ia, Äerr
Professor, können's sich erlauben ... Sie sind als Original bekannt!"
Ii.eclLktioQ38od1u6: 21. llovbr. 1919.
Meggendorfer-Blätter, München
Nr.
Ikeol'ie
Isnge sls em brsvri' lllckitei'
Isl uns beksnnl üsstsnnes llclilsf.
llocli jel/I e!n U/ei'k vei>ölkenlllclil ei'.
lls relgl ei' slnli s>3 Knsmngi'spli.
kM ööcliLt enei'glsLlicii' lleböi'cjn
Uei'u/Ii'ft er, u/ss bls jelrt geösnlit,
Imlem ei> elnfscb unsre Lrcle
2um I^IIIelpunkt öeL U/ellsIls msclit.
Um unsim Lröe sntii'elbt ei>, öi'eben
^i'Lb sslsncl, ^IsnLlnn, llnnnenbsll,
llle feimstnn lllerne, clln u/Ii' snbnn,
llncl übei'bsupt clss gsnre llll.
llnnb uon nrgsnIsnbLN llubslsnren
llsl sllns cllnLns kelnn llpui':
llle llröe Ist cjLi> lllnn cies llsnren,
lllllcin suk Ibr glbl's llnben nur.
ll, llnblsk, u/SL bssl ciu cis ni>Lnnnen!
llle llccln u/sr' ön5 Knsmns 2u/nnk?
llle fnrnnn, bnbeilsunllnn llnnnen,
llle cllenten cllLLLm IIsuklLln lli'nnk,
llss 5ln gnbsnnl In nu/'gn tti'nlsn
Hl5 öLi' bbleble I^IIInlpunkI,
lleb' lleben beuln uni>rug5u/nl5n
sslll rlnmIInbLi' llnmnlnbnlt prunlcl?
llLln, 5nblsf, u/Ii' u/nllen Ilnbei' glsubnn,
U/S5 msn s>5 gutnn 7l'N5l gLU/INNt, —
llu u/irst UN5 nlnbt clle blnffnung rsuben,
llsk bess'i'n, snbnn'i'n StLime sincl.
I/ei'u/ii'f, U/S5 Irübn öu ei>clsnbte5l,
llib snbönni'Li' lli>I<Lnninl5 f^suml
Lesinnn cHnbl ll llnblsk, clu bi'snblnsl
llN5 nlnnn bässn, U/Ü5lnn Icsum.
OsucleÄMUs >§itur, iuvenes clum sumus . . .
Die schöne Rheinstadt Köln hat sich in- lehter Zeit zu
einer der bedeutendsten deutschen Schieberzentralen empor-
entwickelt. Selbst Gymnasiasten beteiligen sich dort a»
den großen Zigarettenschiebungen nach dem unbesetzten
Gebiet und sollen dabei an einer Schiebung oft mehr als
20 000 Mark verdienen. Da man allein eine Familie heut-
zutage einfach nicht mehr ernähren kann, habe ich meinen
zehnjährigen Äans aufs Gymnasium nach Köln geschickt,
mit einem kleinen Betriebskapital. Mit einem Betriebs-
kapital von 1000 Mark, ohne das wird man in die Sexta
der Kölner Gymnasien nicht aufgenommen. Die Aufnahme-
prüfung in so moderne Gymnasien wie die Kölner sind,
besteht darin, daß der Prüfling darllber Rechenschaft ablegt,
ob er die vielen Sorten echten und falschen deutschen
Papiergeldes unterscheiden kann. Mein Lans bestand die
Aufnahmeprüfung glänzend, er ist überhanpt ein Finanz-
genie. Da er ausier seinem Talent, wie gesagt, auch noch
1000 Mark Kapital mitbrachte, wurde er ohne weiteres in
den grosien Schieberkonzern aufgenommen, den die Serta
gebildet hat und dem der Ordinarius der Klasse vorsteht.
Das Äauptfach der Sexta ist die Zigarettenschieberei, das
Nebenfach Latein. In der ersten Woche lernte mein Äans
die erste lateinische Deklination und die wichtigsten Schieber-
kniffe kennen. In der zweiten Woche wurde die zweite
Deklination einstudiert und die Lauptsorten der ausländischen
Zigarettenfabrikation. In der dritten Woche wurde die
erste Schulaufgabe abgehalte», in der die Fabriknamen der
wichtigsten Auslandsprodukte ins Lateinische zu übertragen
waren. Mein Lans erhielt Note „Vorzüglich", weil er
„Maryland" mit „tsrrs /^sriss" und „Navy cut" mit
„nnvis Lscsts" übersetzt hatte. Seitdem die Sextaner mit
der dritten Deklination begonnen haben, werden die Schul-
stunden zum Abschlusi großer Transaktionen verwendet.
Dem Llnterricht wohnen meist ausländische Schieberautori-
tüten von Weltruf bei. Wichtige Fächer sind außerdem
Arithmetik, Deutsch, Kalligraphie und die neu eingeführte
Bürgerkunde. In der Arithmetik wird besonderer Wert
auf die flinke Berechnung 500 und 1000 prozentiger Auf-
schläge gelegt. Die Deutsch-Stunde dient zur Abfassung
geriffener Geschäftsbriefe. In der Kalligraphie üben die
Sextaner möglichst raffinierte ünterschriftsfälschungen. In
derBürgerkundewerdenWechselreiterei,Bestechungsversuche
der Behörden sowie überhaupt praktische Amgehung des
Reichsstrafgesetzes gelehrt. Der Ordinarius führt außer
dem Zensurbuch noch das Scheckkonto für jeden mitschieben-
den Sextaner. Ieden Tag wird am Schluß des Anterrichts
der Stand der einzelnen Konti bekanntgegeben. Gestern
hat mir mein Lans seine bisherigen Noten im Latein
mitgeteilt und einen Scheck auf 2000 Mark für seine not-
leidenden Eltern beigefügt. Wir werden uns eine gute
Woche machen. Wir können uns das jetzt leisten, seitdem
sich der lateinische Anterricht so gut rentiert. L>ans schrieb
uns, daß er die Weihnachtsferien zu einer Geschäftsreise
nach Berlin benützen wird, wo er mit seinen Geschäfts-
freunden von der Sexta des Dorotheengymnasiums einen
Schluß auf 10 Millionen englischer Opiumzigaretten zu
tätigen gedenkt. Kommt das Geschäft zustande, so wird
er einen Abstecher hierher machen und uns einige praktische
ünverfroren Professor: „Der Anzug, den ich Ihnen geschenkt,
scheint nicht so recht nach Ihrem Geschmack zu sein?" Bittsteller:
„Schwarzer Rock, braune West', gelbe Los' . . . wie paßt das zu-
sammen!" — „Ich hab's doch auch so getragen!" — „Ia, Äerr
Professor, können's sich erlauben ... Sie sind als Original bekannt!"
Ii.eclLktioQ38od1u6: 21. llovbr. 1919.