— „Sie schreiben ja nur noch Dramen, die im Irrenhaus spielen."
— „Rein zu meiner Bequemlichkeit. Da kann ich mir nämlich jeden Blödsinn gestatten."
Telepathie
Transzendenz in den Bereich des Möglichen. Man zer-
marterte um der tausend Mark willen die abends sonst feiern-
dcn Gehirne, zergrübelte die reftliche Intelligenz, den fetten
Ienseitler mit diesseitiger Schläue hereinzulegen. Der Te°
lepath flehte jctzt um die Assistenz des Publikums. Aber nie-
mand erhob sich. Niemand traute es seiner restlichen In-
telligenz zu, in der Spanne von einer Minute zur andern,
Faltboote oder Skunksboas erlisten zu können. !lnd dann
wollte man seinc Nuhe haben, fiir dic man bezahlt hatte.
Man ging nicht ins Theater, um sich selbst zu produziercn,
wenn man sich schon den ganzen Tag hinter Ladentijch und
Sekrctär produziert hatte. And man setzte sich nicht gerne
der unerbittlichen Oeffentlichkeit aus, von der man jetzt noch
selbst ein wohlgeborgcnes Stück war. Wie leicht konnte man
stch lächerlich machen, wenn die Krawatte schief gerutscht,
die Lose dreckbespritzt war! Man konnte zu leicht scine
bürgerliche Reputation aufs Spiel sctzen. Der fette Ien-
seitler lächelte immer gewinnender. Aber er gewann niemand.
Also schritt er selbst zur Auslese. Er stieg suchend herab in den
Saal. Man blickte herzklopfend weg, um nicht von seinen
wählenden Augen getroffen zu werden. Doch die waren
schonungslos. Äolten mitten aus den Reihen gerade die
Anbeherztesten. Äochrot stiegen ein käseverkaufender Iüng-
ling und eine kochende Iungfrau auf die Bühne, Proben
ihrer Begabtheit abzulegen. Die glücklich Linterbliebenen
drunten weideten sich behaglich an deren dummen Gesichtern.
Es ist ein seltener Genuß fürs Publikum, flch selbst begaffen
zu können. Das hebt das menschliche Selbstbewußtsein,
insofern man nicht aktiv beteiligt ist. Der Magier instru-
ierte seine Auslese. Er schickte die Iungfrau in die Welt
hinab, sein Schnupftuch zu verstecken. Sie wählte ihren
Bräutigam zum Treuhänder des anvertrauten Gutes, in
der sicheren Erwartung, daß es bei allenfallsiger Anauffind-
barkeit in ihren rechtmäßigen Besitz kam. Der Ienseitler
hatte sich mit verbundenen Augcn abgewandt, er wollte von
den schwarzen Manipulationen der kochenden Dame nichts
wissen. Er war ja sicher, daß er auch das Schwärzeste an
den Tag brachte. Die Iungfrau kehrte zurllck, strahlend
vor Schläue, als wenn sie ihrer Lerrschaft ein Stück Pud-
ding unterschlagen hätte. Sie löste mit ihren feisten Länden
die Binde des Magiers. Der griff um ihr ansehnliches Land-
gelenk, was sie nicht sonderlich unangenehm empfand; denn
er erschien in seiner Feistheit ihrcm Küchenverständnis als
ein schöngemästeter Adonis. Doch der Magier wollte
andere Gedanken lesen, nicht die ihrer Küchenästhetik.
Er fuhr sich zu diesem Zweck mit der ihm verbliebenen Land
durch die göttliche Mähne, gelocktes Ueberbleibsel aus Fri-
seurstagen, strich drei Mal über die Augen, die sich zu-
sehends verjenseitigten. Das Publikum merkte auf den
ersten Blick: Er war jetzt offenbar in einer andern Welt.
Ueberirdische Ehrfurcht erwachte wieder in den auf den
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— „Rein zu meiner Bequemlichkeit. Da kann ich mir nämlich jeden Blödsinn gestatten."
Telepathie
Transzendenz in den Bereich des Möglichen. Man zer-
marterte um der tausend Mark willen die abends sonst feiern-
dcn Gehirne, zergrübelte die reftliche Intelligenz, den fetten
Ienseitler mit diesseitiger Schläue hereinzulegen. Der Te°
lepath flehte jctzt um die Assistenz des Publikums. Aber nie-
mand erhob sich. Niemand traute es seiner restlichen In-
telligenz zu, in der Spanne von einer Minute zur andern,
Faltboote oder Skunksboas erlisten zu können. !lnd dann
wollte man seinc Nuhe haben, fiir dic man bezahlt hatte.
Man ging nicht ins Theater, um sich selbst zu produziercn,
wenn man sich schon den ganzen Tag hinter Ladentijch und
Sekrctär produziert hatte. And man setzte sich nicht gerne
der unerbittlichen Oeffentlichkeit aus, von der man jetzt noch
selbst ein wohlgeborgcnes Stück war. Wie leicht konnte man
stch lächerlich machen, wenn die Krawatte schief gerutscht,
die Lose dreckbespritzt war! Man konnte zu leicht scine
bürgerliche Reputation aufs Spiel sctzen. Der fette Ien-
seitler lächelte immer gewinnender. Aber er gewann niemand.
Also schritt er selbst zur Auslese. Er stieg suchend herab in den
Saal. Man blickte herzklopfend weg, um nicht von seinen
wählenden Augen getroffen zu werden. Doch die waren
schonungslos. Äolten mitten aus den Reihen gerade die
Anbeherztesten. Äochrot stiegen ein käseverkaufender Iüng-
ling und eine kochende Iungfrau auf die Bühne, Proben
ihrer Begabtheit abzulegen. Die glücklich Linterbliebenen
drunten weideten sich behaglich an deren dummen Gesichtern.
Es ist ein seltener Genuß fürs Publikum, flch selbst begaffen
zu können. Das hebt das menschliche Selbstbewußtsein,
insofern man nicht aktiv beteiligt ist. Der Magier instru-
ierte seine Auslese. Er schickte die Iungfrau in die Welt
hinab, sein Schnupftuch zu verstecken. Sie wählte ihren
Bräutigam zum Treuhänder des anvertrauten Gutes, in
der sicheren Erwartung, daß es bei allenfallsiger Anauffind-
barkeit in ihren rechtmäßigen Besitz kam. Der Ienseitler
hatte sich mit verbundenen Augcn abgewandt, er wollte von
den schwarzen Manipulationen der kochenden Dame nichts
wissen. Er war ja sicher, daß er auch das Schwärzeste an
den Tag brachte. Die Iungfrau kehrte zurllck, strahlend
vor Schläue, als wenn sie ihrer Lerrschaft ein Stück Pud-
ding unterschlagen hätte. Sie löste mit ihren feisten Länden
die Binde des Magiers. Der griff um ihr ansehnliches Land-
gelenk, was sie nicht sonderlich unangenehm empfand; denn
er erschien in seiner Feistheit ihrcm Küchenverständnis als
ein schöngemästeter Adonis. Doch der Magier wollte
andere Gedanken lesen, nicht die ihrer Küchenästhetik.
Er fuhr sich zu diesem Zweck mit der ihm verbliebenen Land
durch die göttliche Mähne, gelocktes Ueberbleibsel aus Fri-
seurstagen, strich drei Mal über die Augen, die sich zu-
sehends verjenseitigten. Das Publikum merkte auf den
ersten Blick: Er war jetzt offenbar in einer andern Welt.
Ueberirdische Ehrfurcht erwachte wieder in den auf den
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