— „Schnell — meine Lerren — sonst mach' ich aus Ihnen 'n Lindernisrennen!
Kaspar Neblichs Erlebnlffe
Es war an einem schönen Märzmittag, als Kaspar Fried-
rich Neblich, bewaffnet mit der Mittagszeitung und ange-
füllt mit bisher unverdauten Streik- und Kriegsnachrichten,
den ungeduldig mit den Lufen stampfenden l> Zug bestieg.
Er fand noch einen leeren Eckplatz und entzündete sich eine
Zigarre. Es war alles in Ordnung. Der v- Zug — wir
bcfinden uns in Berlin — fuhr pünktlich ab. Draußen
wurde gewinkt und sich verabschiedet, und lange nachher,
als der Zug längst ver-
schwunden war, rasten
noch unerwiderte Land-
küsse, deren Besttzer fich in-
zwischen nach Lause be-
geben hatten. ratlos zwi-
schenBahnhofCharlotten-
burg und Zoo umher, bis
sie >e nach ihrem Naturell
vom Stationsvorsteher
verscbeucht wurden oder
sich dreist an den Vorort-
zug heranpürschten.
Eine Stunde schon
waren die Telegrapben-
stangen vorbeigehaspelt,
vom Zug jedesmal mit
einem neckisch dahin-
geratterten „Ei gucke mal,
ei gucke mall" begrüßt.
Neblich war schon am
Ende der zweiten Zigarre,
er hatte nur noch eine,
und diese wollte er sich
gerade anstecken. Er zog sein Etui und vffnete es. Lallo!
Da hatte er ja plötzlich noch drei Zigarren!
„Ei gucke mal!" meckerte der Zug. Lm! Jrrtum!
Also doch fünf gehabt! Wie man sich täuschen konnte! Er
hätte daranf geschworen, vorhin drei in das leere Etui ge-
steckt zu haben. Er steckte sich eine an und drückte dem
auskunftgebenden Schaffner eine zweite in die Land.
Dann griff er zur Mittagszeitung. Vlödsinn! Seit
wann brachte denn die B. Z. veraltete Nachrichten, die er
schon am Morgen im
Tageblatt gelefen hatte!
Er sah nach und bekam
einen kleinen Schrecken:
das war ja wirklich das
Tageblattvon heutefrüh!
Neblich war ein nüch-
ternerMensch,derwiealle
nüchternen Menschen ge-
nau wußte, was er tat.
Amso weniger begriff er
es, daß sich das am Bahn-
hof fragios richtig erstan-
dene Mittagsblatt in sei-
ner Rocktafche in eine
Morgenzeitung verwan-
deln konnte. Es konnte
nicbt anders fein: der
Berkäufer hatte ihn be-
schwindelt. Dazu war es
nötig, daß er unerhört un
aufmerksam gewesen war.
And das verwirrte ihn.
(Fortsetzung auf Seite 71)
69
— „Nanu, Sie werden sich doch nicht hier auf der Srraße häuslich
niederlaffen wollen! Wenn das jeder nach Belieben tun wollte —"
— „Warten Sie ab, Lerr Wachtmeister, — das kommt auch noch
bei der Wohnungsnot!"
Kaspar Neblichs Erlebnlffe
Es war an einem schönen Märzmittag, als Kaspar Fried-
rich Neblich, bewaffnet mit der Mittagszeitung und ange-
füllt mit bisher unverdauten Streik- und Kriegsnachrichten,
den ungeduldig mit den Lufen stampfenden l> Zug bestieg.
Er fand noch einen leeren Eckplatz und entzündete sich eine
Zigarre. Es war alles in Ordnung. Der v- Zug — wir
bcfinden uns in Berlin — fuhr pünktlich ab. Draußen
wurde gewinkt und sich verabschiedet, und lange nachher,
als der Zug längst ver-
schwunden war, rasten
noch unerwiderte Land-
küsse, deren Besttzer fich in-
zwischen nach Lause be-
geben hatten. ratlos zwi-
schenBahnhofCharlotten-
burg und Zoo umher, bis
sie >e nach ihrem Naturell
vom Stationsvorsteher
verscbeucht wurden oder
sich dreist an den Vorort-
zug heranpürschten.
Eine Stunde schon
waren die Telegrapben-
stangen vorbeigehaspelt,
vom Zug jedesmal mit
einem neckisch dahin-
geratterten „Ei gucke mal,
ei gucke mall" begrüßt.
Neblich war schon am
Ende der zweiten Zigarre,
er hatte nur noch eine,
und diese wollte er sich
gerade anstecken. Er zog sein Etui und vffnete es. Lallo!
Da hatte er ja plötzlich noch drei Zigarren!
„Ei gucke mal!" meckerte der Zug. Lm! Jrrtum!
Also doch fünf gehabt! Wie man sich täuschen konnte! Er
hätte daranf geschworen, vorhin drei in das leere Etui ge-
steckt zu haben. Er steckte sich eine an und drückte dem
auskunftgebenden Schaffner eine zweite in die Land.
Dann griff er zur Mittagszeitung. Vlödsinn! Seit
wann brachte denn die B. Z. veraltete Nachrichten, die er
schon am Morgen im
Tageblatt gelefen hatte!
Er sah nach und bekam
einen kleinen Schrecken:
das war ja wirklich das
Tageblattvon heutefrüh!
Neblich war ein nüch-
ternerMensch,derwiealle
nüchternen Menschen ge-
nau wußte, was er tat.
Amso weniger begriff er
es, daß sich das am Bahn-
hof fragios richtig erstan-
dene Mittagsblatt in sei-
ner Rocktafche in eine
Morgenzeitung verwan-
deln konnte. Es konnte
nicbt anders fein: der
Berkäufer hatte ihn be-
schwindelt. Dazu war es
nötig, daß er unerhört un
aufmerksam gewesen war.
And das verwirrte ihn.
(Fortsetzung auf Seite 71)
69
— „Nanu, Sie werden sich doch nicht hier auf der Srraße häuslich
niederlaffen wollen! Wenn das jeder nach Belieben tun wollte —"
— „Warten Sie ab, Lerr Wachtmeister, — das kommt auch noch
bei der Wohnungsnot!"