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Jm kklystum

>vo ste wollten. Frau Knöchel
war eine höfliche Frau, da-
rum erkundigte sie stch immer
zuerst nach dem Befinden
ihrer Großtante. Gottlob,
ging es der Tante immer
gut, ste schien die allabend-
liche Reise ins Elystum trotz
ihres ansehnlichen Alters
leidlich zu ertragen. Sie war
llberhaupt von rührender Ge-
duld, die gute Tante, beant-
wortete d!e diimmsten Fra-
gen ohne nennenswerte Er-
regung. Ich glaube, wenn
ich gestorben gewesen wäre,
ich hätte mir selbst eine ein-
malige Einladung ins Eli-
stum verbeten. Frau Knöchel
stellte dann gewöhnlich noch
einige persönliche Fragcn,
ob die Anna die goldran-
dige Mokkatasse vom seligen
Grostonkel mit der Aufschrift
„Mein Liebling" zerbrochen
habe oder ob es der Kater
„Lump" gewesen sei. Die
gute Tante antwortete nach
Wunsch. Arme Anna, was
mußtest du am nächsten Mor-
gen zu hören bekommen, auf
das Attest der Großtante
hin! Dann wandte sich Frau
Knöchel an mich: „Lerr
Nulpe, haben Sie eine Frage
an meine Tante?" Ich dankte höflichst, was hättc ich auch
die alte Dame fragen sollen? Wenn ich im Examen durch-
flog, das erfuhr ich noch friih genug. So lange mir Frau
Knöchel die Examensantworten durch ihre Großtante nicht
einflüstern laffen konnte, half es mir doch nichts. And das
hätte die Großtante trotz ihres guten Willens nicht gekonnt,
denn damals studierten die Damen noch nicht so viel. In
einem halben Iahrhundert wird's man in dieser Linsicht
leichter haben. Es kam also Fräulein Niedlich, die be-
kanntlich im Schatte» der Zwanziger monumental verankert
war, an die Reihe. Sie fragte, in wie viel Monaten sie
sich verloben würde. Tante Eulalia wackelte dreimal mit
dem Tisch. Das Gesicht der Niederwaldkassierin schwamm
in fetter Verklärung. Sie ward kühn, den Namen ihres
Bräutigams wollte sie wiffen. Die Tante mußte buch-
stabieren. Eine solche Zumutungl Wie leicht konnte sich
Tante Eulalia blamieren mit ihrer veralteten Orthographiel
And es war doch nicht notwendig, daß noch lange nach
ihrem Tode aufkam, daß sie nicht richtig schreiben gelernt
hattel Aber die gute Tante buchstabierte, sogar richtig,
wenn auch sehr langsam, offenbar hatte es ihr im Leben an
rascher Auffassungsgabe gemangelt. Frau Knöchel zählte,
wie oft der Tisch nickte: a...b...c...d... Bei „g"
hielt er inne. Frau Knöchel kommandierte: „Dcr zweite
Buchstabel" Der Tisch nickte zum Verrücktwerden durchs
ganze Alphabet hindurch, bei „u" hielt er. Gu, der hieß
wohl Gustav, der Arme. O, Gustav, wenn du wüßtest! Aber
gerade recht geschieht dir! Warum mußt du auch Gustav
heißen? Menscb, laß dick rasch umtaufen, sonst ereilt dich

das monumentale Schicksal!
„Der dritte Buchstabe" kom-
mandierte Frau Knöchel. „i"
nickte die Tante. Gui? „Der
vierte!" „d" weissagte die
Tante. Guid...? Löchstens
Guido! Ließ der Arme aus-
gerechnet wie ich! Na, da
hätte er sich schon einen bes-
seren Namen aussuchen kön-
men! Die elegische Kaffee-
kassierin warf mir einen
Blick zu, Frau Knöchel warf
mir einen Blick zu, ganz Ger-
manien warf mir einen Blick
zu! Ich lächelte ingrimmig:
Nee, da täuscht ihr euch! So
dumme Guidos gibt's mehre-
re! Aber die Niederwald-
kaffierin gab sich mit dem
Vornamen nicht zufrieden,
sie wollte auch den Familien-
namen wiffen! Als wenn ste
nicht dreiMonate hätte war-
ten können! Die Lauptsache
war ja, daß sie unter dieLaube
kam, ob mit einem Guido
Meier oder Müller das war
doch einerlei! Aber die gute
Tante buckstabierte geduldig
weiter. Der Name begann
mit „N", dann folgte „u".
Alle Augen lagen auf mir,
am verklärtesten die der
monumcntalen Kaffeedame.
Nu? Donnerwetter, sollte
der auch meinen Familiennamen haben! Da mußte ich
morgen gleich aufs Einwohnermeldeamt, der Mensch mußte
gewarnt werden. Am besten wars, er heiratete sofort, auf
der Stelle, gleich wen, damit das Anglück verhütet wurde.
Richlig, er hieß Nulpe! Eine schöne Nulpe mußte das seinl
Wie jetzt alle mich anstrahlten! Als wenn ich der glückliche
Bräutigam wärc! Gott sei Dank, daß sie nicht reden durften!
Das Fräulein vom Niedcrwald legte sogar ihre Fleisch-
hand zärtlicher an die meine. And zurückziehen durfte ich
die meine nicht, sonst verflüchtete ja die Tante. Nun fragte
die Musikantin. Sie verlobte flch auch in drei Monaten
Die Sache schien allmählich epidemisch zu werden. Den
Namen wollte die natürlich auch wiffen, die Weiher sind
doch alle gleich. Guido hieß er auch. Natürlich, jede wollte
einen Guido haben! Als wenn es die gerade zur Auswahl
gäbe! Nun war ich schon gespannt, wie der Kerl sonst
hieß. Das mußte schon ein schönes Rindvieh sein! Der
Name war sicher danach. War es auch, Nulpe hieß er!
Nulpe! Nun schmachteten schon Kaffierin und Musikantin
im Chor zu mir herüber und dann platzten ihre Blicke auf-
einander, lodernd, wild, Rivalinnen auf Leben und Tod.
Das war zuviel! Skandalös von der Tante Eulalia, mich
in den Verdacht der Bigamie zu bringen! Diese abge-
storbene Person! Die gehörte sich hinaus aus dcm Elysium!
Ich erhob mich selbst auf die Gefahr, des zweiten sonntäg-
lichen Zuckerstückes verlustig zu gehen. Verzweifelt starrte
mir die Malerin nach. Sie hat es an dem Abend durch
meine Schuld zu keinem Bräutigam gebracht.

Am nächsten Tage blieb ich im Bett, machte kalte

I (N

Narkose — „Ick bin keen Anmensch. Wenn's

Ihncn so weh tut, Ihr Ield heraus-
zujeben, da hau' ick Ihnen vorher eins über'n Kopp."
 
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