Die Bombe
Mein größtes Vergnügen war es von je, i» Meßbude»
für 10 Pfennige eine ganze Kücheneinrichtung zu zerschlagen.
Ich ttbte mich darin, mit Meißeln und Schraubcnziehern
»ach den gläsernen Schmierbüchsen zu werfen, wohl eine
Stunde lang, und ich habe kaum eine verfehlt. Dann unter-
zeichnete ich einen Aufruf „?ln Alle" und ging nach Lause.
Meine Frau empfing mich sehr aufgeregt. Es war ein
Eittwohnerwehrmann dagewesen, ich sollte sofort einrücken,
i»it Gewehr.
„Ach Gott, Männe," sagte meine Frau, „wenn dir bloß
nichts.passiert! Laß wenigstens die Mordwaffe zu Lause!"
Frauen sind so komisch. Als wenn mir nicht ohne Gewehr
viel leichter etwas passieren konnte!
Auf dem Sammelplatz wurde ich zum Leutnant befohlen.
„Ich habe," sagte er, „einen Spezialauftrag sür Sie.
Da hat ein Namensvetter von Ihnen, Rechtsanwalt Meier,
diesen Schandausrnf der Betriebsräte iinterzeichnet. Er
fordert zum Klaffenkampf und zur fortgesetzten Sabotagc
der kapitalistischen Maschinen auf, der Schuft! Da lescn
Sie nur!"
Wirklich, es war ein unerhört aufreizender Aufruf, den
ich da las. „Ich kenne den Kerl!" sagte ich.
„Das ist gut! Sie sollen ihn verhafte». Stellen Sie
sich unauffällig an seiner Wohnung auf — sehen Sie im
Lldreßbuch nach — vielleicht im Lausgang und bringen Sie
»iis die Kanaille!"
Auf dem Äeimweg überlegte ich mir den Fall und suchte
eiuige Klarheit i» die Angelegenheit zu bringen. Die Situ-
ation war etwa solgende: Ich war durch meine verhängnis-
volle Zugehörigkeit zu zwei Parteien in eine äußerst prekäre
Lage gekommen. Ich hatte am Morgen gegen das gewettert,
was ich am Mittag selbst getan hatte, ich hatte am Mittag
einen Aufruf ungelesen gegen mich selbst unterzeichnet, bloß
weil meine Freude am Zerschlagen von Schmierbüchsen als
politischer Nadikalismus gedeutet worden war. Meier stand
gegen Meier. Ich hatte zwei Seelen in meiner Brust, oder
waren es am Ende gar noch mehr? Wer war ich eigentlich
und was hatte ich für Ansichten? Alles begann mir zu
verschwimmen. Ich war bei der Einwohnerwehr, halte also
im gegenwärtigen Augenblick gegen mich selbst zu kämpfen
und die keineswegs leichte Aufgabe, mir vor meinem eignen
Lause aufzulauern und mich im Betretungsfalle selbst ge-
fangen abzuführen.
Donnerwetter, da hieß es den Kopf oben behalten!
Wie leicht konnte eine Verwechslung vorkommen! Daß nicht
gar der Betriebsrat Meier den Wehrmann Meier ins rote
Lauptquartier abführte oder dessen Wohnungseinrichtung
demolierte! Andrerseits hatte der Wehrmann Mcier beim
leisesten Zeichen von Llnzuverlässigkeit auf den Betriebsrat
Meier zu schießen. Wie amüsant mußte es sein, wenn der
Betriebsrat Meier ahnungslos die Laustür aufklinkte, hinter
dem der Wehrmann Meier Gewehr bei Fuß stand, wie auf-
regend, wenn sich der Wehrmann bei der Frau des Betriebs-
rates einstellte. Ehebrucb, Szene, Forderung. Meier fährt
am andern Morgen in den Stadtwald, nimmt sich seinen
Lausarzt mit und duellierk sich bis zur Kampfunfähigkeit
selbst.
Als ich so, innerlich zerriffen, an der Äaustiir anlangte,
stand die Frau Meier, also wohl die Frau des Betriebs-
>!>'i -Vntru^sn unü Ilestsllun^sn cvollen 8is sieü nuk llis „ ^ls^zsnllorksr-Illütter" bsüiebsn.
1Z7
Mein größtes Vergnügen war es von je, i» Meßbude»
für 10 Pfennige eine ganze Kücheneinrichtung zu zerschlagen.
Ich ttbte mich darin, mit Meißeln und Schraubcnziehern
»ach den gläsernen Schmierbüchsen zu werfen, wohl eine
Stunde lang, und ich habe kaum eine verfehlt. Dann unter-
zeichnete ich einen Aufruf „?ln Alle" und ging nach Lause.
Meine Frau empfing mich sehr aufgeregt. Es war ein
Eittwohnerwehrmann dagewesen, ich sollte sofort einrücken,
i»it Gewehr.
„Ach Gott, Männe," sagte meine Frau, „wenn dir bloß
nichts.passiert! Laß wenigstens die Mordwaffe zu Lause!"
Frauen sind so komisch. Als wenn mir nicht ohne Gewehr
viel leichter etwas passieren konnte!
Auf dem Sammelplatz wurde ich zum Leutnant befohlen.
„Ich habe," sagte er, „einen Spezialauftrag sür Sie.
Da hat ein Namensvetter von Ihnen, Rechtsanwalt Meier,
diesen Schandausrnf der Betriebsräte iinterzeichnet. Er
fordert zum Klaffenkampf und zur fortgesetzten Sabotagc
der kapitalistischen Maschinen auf, der Schuft! Da lescn
Sie nur!"
Wirklich, es war ein unerhört aufreizender Aufruf, den
ich da las. „Ich kenne den Kerl!" sagte ich.
„Das ist gut! Sie sollen ihn verhafte». Stellen Sie
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Auf dem Äeimweg überlegte ich mir den Fall und suchte
eiuige Klarheit i» die Angelegenheit zu bringen. Die Situ-
ation war etwa solgende: Ich war durch meine verhängnis-
volle Zugehörigkeit zu zwei Parteien in eine äußerst prekäre
Lage gekommen. Ich hatte am Morgen gegen das gewettert,
was ich am Mittag selbst getan hatte, ich hatte am Mittag
einen Aufruf ungelesen gegen mich selbst unterzeichnet, bloß
weil meine Freude am Zerschlagen von Schmierbüchsen als
politischer Nadikalismus gedeutet worden war. Meier stand
gegen Meier. Ich hatte zwei Seelen in meiner Brust, oder
waren es am Ende gar noch mehr? Wer war ich eigentlich
und was hatte ich für Ansichten? Alles begann mir zu
verschwimmen. Ich war bei der Einwohnerwehr, halte also
im gegenwärtigen Augenblick gegen mich selbst zu kämpfen
und die keineswegs leichte Aufgabe, mir vor meinem eignen
Lause aufzulauern und mich im Betretungsfalle selbst ge-
fangen abzuführen.
Donnerwetter, da hieß es den Kopf oben behalten!
Wie leicht konnte eine Verwechslung vorkommen! Daß nicht
gar der Betriebsrat Meier den Wehrmann Meier ins rote
Lauptquartier abführte oder dessen Wohnungseinrichtung
demolierte! Andrerseits hatte der Wehrmann Mcier beim
leisesten Zeichen von Llnzuverlässigkeit auf den Betriebsrat
Meier zu schießen. Wie amüsant mußte es sein, wenn der
Betriebsrat Meier ahnungslos die Laustür aufklinkte, hinter
dem der Wehrmann Meier Gewehr bei Fuß stand, wie auf-
regend, wenn sich der Wehrmann bei der Frau des Betriebs-
rates einstellte. Ehebrucb, Szene, Forderung. Meier fährt
am andern Morgen in den Stadtwald, nimmt sich seinen
Lausarzt mit und duellierk sich bis zur Kampfunfähigkeit
selbst.
Als ich so, innerlich zerriffen, an der Äaustiir anlangte,
stand die Frau Meier, also wohl die Frau des Betriebs-
>!>'i -Vntru^sn unü Ilestsllun^sn cvollen 8is sieü nuk llis „ ^ls^zsnllorksr-Illütter" bsüiebsn.
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