— „Ach Gott, haben's die Viecher gutl Freie Kost, freie Station und keine Antermieter."
Der Dansker
Erst zu Ostern 1847 sprach Friedrich Popp mit jemand
über seinen Kuhstall Das war sein alter Onkel Iakob,
der ihn grade zum Osterfeste besuchte. Onkel Iakob war
ein sehr erfahrener Mann. Er sah sich den Stall an, nickte
anerkenncnd und sprach, ohne daß sein Neffe ihn irgendwie
ausgeklärt hätte: „Fein! !lnd wenn sie dich nicht vorher
'rausschmeißen, — na, dann kannst du dir die Geschichte
hier ersiyen."
„Ersitzen?" Friedrich Popp war das nicht ganz klar.
Der Dansker hatte freilich in früheren, längst entschwun-
denen Zeiten sehr viel zum Sitzen, wenn auch nur flüchtiger
Art, gedicnt, aber der jetzige Fall lag doch ganz anders.
Onkel Iakob schaute sich um, ob auch niemand in der
Nähe wäre, und klärte dann seinen Neffen in Kürze über
jene Erwerbsart auf, die von den römischen Rechtsgelehrten
„aupio", von den deutschen aber viel schöner „Ersitzung"
genannt worden ist. „Wenn's nich' 'rauskommt, mein Iung',
und du bleibst lange genug drin, dann kann dich nachher
selbst der Deiwel nich' 'raussetzen." — Das war vielleicht
etwas übertrieben. Der Deiwel hätte Friedrich PoPP am
Ende doch hinaussetzen können, nur der Fiskus nicht. Denn
wenn der Fiskus auch sehr viel kann, — der Deiwel kann
doch noch mehr.
„And wie lange dauert das?" fragte Friedrich Popp
begierig. Aber das wußte auch Onkel Iakob nicht. Er
meinte nur, daß es jedenfalls verflucht lange wäre, und
der Neffe gut täte, über diesen Punkt recht gründliche
Nachforschungen anzustellen. Infolgedessen gab sich Fried-
rich Popp bald danach einem für ihn ziemlich schwierigen
Studium hin, nämlich dem des „Allgemeinen Landrechts
für die Preußischen Staaten," in dem er mit Mühe und
Schwitzen endlich an den neunten Titel geriet, der über-
schrieben war: „Von der Erwerbung des Eigentums über-
haupt und den unmittelbaren Arten derselben insonderheit."
„Na also!" sagte Popp, wischte den Schweiß von der
Stirn und fing mit frischen Kräften an: „Die zur Erwer-
bung des Eigentums erforderliche äußere Landlung wird
die Erwerbsart, mocius sclquirsncii, genannt." And dann
las er weiter und weiter von gar verschiedenen Dingen:
von verlaffenen und verlorenen Sachen, vom Strandgut,
von Schätzen, von Kaperbriefen, von Kriegsbeute und an°
derem, bis er endlich an das Kapitel „Verjährung durch
Besitz" gelangte. „Aha!" sagte er, hielt an und bolte sich
zu neuer Stärkung und Schärfung seiner Geisteskräfte
eine Flasche eigen gebrauten Kümmels.
Ia, wie war das nun mit dieser Verjährung? Da
stand, daß sie gegen Anmündige und Minderjährige,
Wahn- und Blödsinnige nicht stattfinde. Nun, das machte
nichts; das kam hier nicht in Frage, denn der Fiskus war
nicht unmündig und auch nicht wahn- oder blödsinnig. Aber
weiter. Ia, da stand es: „Ein dreißigjähriger vollständiger
Besttz ersetzt ohne Anterschied der An- und Abwesenheit
die Stelle des Titels." Friedrich Popp trank zwei Kümmel
hintereinander. Donnerwetter, — dreißig Zahre! Das
war ja wirklich, wie Onkel Iakob gesagt hatte, veiflucht
lange; das war nicht nur ungemein, sondern sogar ganz
gemein lange! Dreißig Iahre! Popp trank noch zwei
Kümmel, die ihn etwas beruhigten. Nun: vier Iahre waren
ja schon glücklich vorüber, — warum sollte er in den üb-
rigen nicht ebensoviel Glück haben!
Aber, — wie er noch einmal auf die richtige Seite des
Buches schaute, stacb ihm dort das Wort „Fiskus" in die
Augen. Dieser Stich veranlaßte ihn, genauer hinzusehen.
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Der Dansker
Erst zu Ostern 1847 sprach Friedrich Popp mit jemand
über seinen Kuhstall Das war sein alter Onkel Iakob,
der ihn grade zum Osterfeste besuchte. Onkel Iakob war
ein sehr erfahrener Mann. Er sah sich den Stall an, nickte
anerkenncnd und sprach, ohne daß sein Neffe ihn irgendwie
ausgeklärt hätte: „Fein! !lnd wenn sie dich nicht vorher
'rausschmeißen, — na, dann kannst du dir die Geschichte
hier ersiyen."
„Ersitzen?" Friedrich Popp war das nicht ganz klar.
Der Dansker hatte freilich in früheren, längst entschwun-
denen Zeiten sehr viel zum Sitzen, wenn auch nur flüchtiger
Art, gedicnt, aber der jetzige Fall lag doch ganz anders.
Onkel Iakob schaute sich um, ob auch niemand in der
Nähe wäre, und klärte dann seinen Neffen in Kürze über
jene Erwerbsart auf, die von den römischen Rechtsgelehrten
„aupio", von den deutschen aber viel schöner „Ersitzung"
genannt worden ist. „Wenn's nich' 'rauskommt, mein Iung',
und du bleibst lange genug drin, dann kann dich nachher
selbst der Deiwel nich' 'raussetzen." — Das war vielleicht
etwas übertrieben. Der Deiwel hätte Friedrich PoPP am
Ende doch hinaussetzen können, nur der Fiskus nicht. Denn
wenn der Fiskus auch sehr viel kann, — der Deiwel kann
doch noch mehr.
„And wie lange dauert das?" fragte Friedrich Popp
begierig. Aber das wußte auch Onkel Iakob nicht. Er
meinte nur, daß es jedenfalls verflucht lange wäre, und
der Neffe gut täte, über diesen Punkt recht gründliche
Nachforschungen anzustellen. Infolgedessen gab sich Fried-
rich Popp bald danach einem für ihn ziemlich schwierigen
Studium hin, nämlich dem des „Allgemeinen Landrechts
für die Preußischen Staaten," in dem er mit Mühe und
Schwitzen endlich an den neunten Titel geriet, der über-
schrieben war: „Von der Erwerbung des Eigentums über-
haupt und den unmittelbaren Arten derselben insonderheit."
„Na also!" sagte Popp, wischte den Schweiß von der
Stirn und fing mit frischen Kräften an: „Die zur Erwer-
bung des Eigentums erforderliche äußere Landlung wird
die Erwerbsart, mocius sclquirsncii, genannt." And dann
las er weiter und weiter von gar verschiedenen Dingen:
von verlaffenen und verlorenen Sachen, vom Strandgut,
von Schätzen, von Kaperbriefen, von Kriegsbeute und an°
derem, bis er endlich an das Kapitel „Verjährung durch
Besitz" gelangte. „Aha!" sagte er, hielt an und bolte sich
zu neuer Stärkung und Schärfung seiner Geisteskräfte
eine Flasche eigen gebrauten Kümmels.
Ia, wie war das nun mit dieser Verjährung? Da
stand, daß sie gegen Anmündige und Minderjährige,
Wahn- und Blödsinnige nicht stattfinde. Nun, das machte
nichts; das kam hier nicht in Frage, denn der Fiskus war
nicht unmündig und auch nicht wahn- oder blödsinnig. Aber
weiter. Ia, da stand es: „Ein dreißigjähriger vollständiger
Besttz ersetzt ohne Anterschied der An- und Abwesenheit
die Stelle des Titels." Friedrich Popp trank zwei Kümmel
hintereinander. Donnerwetter, — dreißig Zahre! Das
war ja wirklich, wie Onkel Iakob gesagt hatte, veiflucht
lange; das war nicht nur ungemein, sondern sogar ganz
gemein lange! Dreißig Iahre! Popp trank noch zwei
Kümmel, die ihn etwas beruhigten. Nun: vier Iahre waren
ja schon glücklich vorüber, — warum sollte er in den üb-
rigen nicht ebensoviel Glück haben!
Aber, — wie er noch einmal auf die richtige Seite des
Buches schaute, stacb ihm dort das Wort „Fiskus" in die
Augen. Dieser Stich veranlaßte ihn, genauer hinzusehen.
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