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Der Dekorationsmaler und die kleinen
Fkiegenfänger

— „Scheußlich! Da soll ich dem Lerrn Baron diese mächtige
Wand da apart und schön bunt bemalen, und mir will gar
nichts Gescheites einfallen. Ietzt setz' ich mich da in den
Klubseffel, vielleicht komm' ich auf was!"-

— „Der Lerr Maler ist ganz fest eingeschlafen, geben wir
schnell alle Fliegen, die wir fangen, da in die Farbtiegel
hinein!"-—

— „Also, ich bin recht zufrieden mit Ihrer genialen Arbeit!
Ich bewillige Ihnen nebst meinem verbindlichsten Dank
das doppelte Lonorar!"

Dor t8as Vo» Perer Rvbinson

Seit einiger Zeit sind in unserer Stadt die Sperrstunden
sür die Gasleikung wieder ausgehoben worden. Man hält
sie nicht mehr für nötig, — das Gas kostet jetzt ja so
schrecklich viel Geld, da passen die Leute schon selbst auf
ihren Verbrauch auf. Aber es wäre mir doch lieber gewesen,
wenn die Gasaustalt nicht auf ihre zwingende Mitwirkung
beim Sparen verzichtet hätte. Denn man höre nur.

„Ach ja, das ist der Gas!" sagte Auguste, unser neues
Dienstmädchen, und schien sich sehr zu freuen. „Davon hab'
ich schon so viel gehört. Der Gas soll ja so fein zum
Kochen sein."

Lieraus kann man entnehmen, daß Auguste die nähere
Bekanntschaft mit dem schätzenswerten Produkt aus der
Stnnkohle noch nicht gemacht hatte, und das war auch
erklärlich, denn sie war geradenwegs aus rinem kleiuen
Städtchen zu uns gekommen, das seine Gassen früher mit
Oellampen beleuchtet hat, jetzt aber wohl ganz im Dunkeln
läßt, und dessen Lausfrauen ihre Lerde noch mit Kohlen
oder Äolz bedienen müssen. Auguste war uns als eine
außerordentlich wertvolle Perle von Dienstmädchen emp-
fohlen worden, und der erste persönliche Eindruck schien das
zu bestätigen. Mit Eifer sah ste sich nach Arbeit um und
freute sich, daß es gleich Geschirr abzuspülen gab.

„Also setzen Sie hier das Waffer dazu auf," sagte
meine Frau und zündete eine Gasflamme auf dem Lerde
an. „llnd hier können Sie gleich den Kessel mit dem Kaffee-
wasser aufsetzen". Dazu wurde eine zweite Flamme angesteckt.

Auguste machte große Augen und schlug die Lände
zusammen. „Nein, aber so was auch! Wie fein das geht!
Sonst hab' ich immer erst beim Feueranmachen pusten müssen.
Nein, was der Gas für ein feines Feuer gibt!"-

Grade in diesem Augenblick kam ein eiliger Bote und
bestellte uns, meine Frau und mich, zu einer kranken Tante.
Diesem Ruf mußte Folge geleistet werden, und wir machten
uns sofort auf den Weg, nachdem meine Frau sich von
Auguste hatte versprechen lassen, daß sie hübsch auf die
Wohnung achtgeben würde. Auf uns warten sollte sie nicht,
sondern um neun llhr zu Bett gehn. Denn das gehört sich
sür ein gutes Dienstmädchen, das gern früh aufsteht.

Wir mußten so lange bei der Tante bleiben, daß wir
keine Straßenbahn mehr bekamen und durch den Schnee
nach Lause laufen mußten. Auguste war schon zu Bett,
aber sämtliche Türklinken strahlten wie Gold, — sie hatte
sie während unserer Abwesenheit freiwillig geputzt. Das
rührte uns.

Am nächsten Morgen hatte meine Frau von der nächt-
lichen Wanderung richtig eine Erkältung und mußte im
Bett blciben. Aber Auguste trug uns einen herrlichen Kaffee
auf, und zu Mittag brachte sie ein ausgezeichnetes Essen.
Wir freuten uns, daß wir sie hatten. And wie aufmerksam
sie war! Sie hatte entdeckt, daß wir eiue Wärmflasche
besaßen, und die brachte sie nun, kochend heiß gesüllt, für
meine Frau an. „So was ist das Beste bei einer Erkältung!"
sagte sie. Das war hübsch von ihr, ein wenig lästig aber,
daß sie nicht davon abzubringen war, die Wärmflasche
mindestens jede Stunde frisch zu füllen. Sie schien das nur
aus Tätigkeitsdrang vorzuriehmen. Gar nicht genug Arbeit
konnte sie bekommen. Ob nicht Wäsche da wäre zum Waschen?
wollte sie wiffen, und dann wusch sie wirklich. !lnd nachher
wusch sie noch alle Türen und Fensterrahmen ab, mit viel
Seife und viel warmem Wasser.

Am Morgen darauf wollte sie zuerst wieder die Wärm-
flasche füllen. Aber meine Frau erklärte, das wäre nicht
nötig, da sie wieder aufstünde. Auguste wurde nachdenklich.

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