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Der Künstler und der Dilettant

— „Gestatten Sie, Lerr Oekonom, ich bin Varietökünstler
und möchte Zhnen vor dem Speisen ein kleines Kunststück
mit dem Tischtuch zeigen! — Eins! — — Zwei!-

— „Also dös hat mir recht gut g'fall'n!-Möchten

Sie das auch nachmachen?" — „Ei freilich, da gehört nichts
weiter dazu wie a bißcrl Courage und recht --

Die Spende

Zu dem alten Grafen Bracklow, der der früheren Ge-
sellschaft angehört, kam eine Dame der neuen Gesellschaft.
Sie wollte ihn um eine Spende bitten; dieser Zweck recht-
fertigte ihren Besuch, — sonst hätte es sich natürlich nicht
gehört, daß sie den Grafen Bracklow aufsuchte.

Ja, es handelte sich also um den Bau eines Krieger-
waisenhauses. „Nicht wahr, Lerr Graf," sprach die Dame
der neueren Gesellschaft, „da darf ich doch auch auf Ihre
Mildtätigkeit rechnen? Es wird ein schr schönes Waisen-
haus werden. Zn der Vorhalle wird eine große Bronzc-
tafel aufgehängt werden, — darauf werden die Namen
aller edlen Geber verzeichnet stehn. Das heißt — wer
mindestens tausend Mark gibt, dessen Name kommt auf
die Tafel."

„So, so!" sagte der alte Graf Bracklow. „Darf ich
mir vielleicht einmal die Liste der Spender ansehn?"

In der Liste ftanden sehr viele Namen, aber der Graf
Bracklow kannte kaum einen davon, — er vermutete, daß
sie der neuen Gesellschaft angehörten. Schließlich nahm er
sein Scheckbuch zur Land. „Also, — wenn man tausend
Mark zeichnet, dann wird man auf die Bronzetafel ge-
schrieben?" fragke er noch einmal.

„Ganz bestimmt, Lerr Graf!" versicherte die Dame der
neuen Gesellschaft.

Darauf schrieb der alte Graf Bracklow einen Scheck,
— über neunhundertneunundneunzig Mark und neunund-
neunzig Pfennige. -on.

Ein seltsamer Tag Peter Schlemihls

Endlich hatke ich mein großes Werk, das Lystsms nstu-
rns, vollendet. Nach so vielen Iahren strenger Zurückge-
zogenheit in meinem Leim, jener Löhle in der Thebais, die
ich mir nach und nach mit mancherlei Bequemlichkeiten aus-
gestattet halte, beschloß ich, doch wicder einmal Europa auf
zusuchen und mich einen Tag lang darin umzusehn. Ich
putzte also meine Siebenmeilenstiefel, die sich, wie in ihrem
Aeußern, so auch in ihrer wunderbaren Kraft unverändert
erhalten hatten, bürstete Lut und Anzuz, steckte das einzige
Goldstück, das ich noch besaß, zu mir, nahm meinen Stock
und wanderte, so gegen zehn Uhr vormittags, gemächlich von
Lause fort. Dem Niltal folgend hatte ich in wenigen Schritten
die Küste erreicht, umwanderte in östlicher Richtung das
Mittelmeer, überstieg die Alpen und ging geradenwegs nach
meinem lieben Deutschland, nach Berlin. Freilich durfte ich
nicht hoffen, dort noch meinen guten Freund Chamisso zu
finden, aber es war überhaupt alles ganz anders, als ich
es erwartet hatte, und wie ich nun, die hemmenden Pan.
toffel über meine Stiefel gezogen, durch die Straßen spazierte,
sah ich gar viele Dinge, die mir nicht gefielen und ein rechtes
Anbehagen verursachten.

Zu meiner Beruhigung wollte ich einen Cigarro rauchen
und trat, einen solchen zu erstehen, in einen entsprechenden
Laden. Ich legte hier mein Goldstück auf den Tisch, der
Kanfmann aber fchien dergleichen noch nie gesehen zu haben.
Er drehte die Münze in seinen Fingern, er ließ sie klingen,
er sah mich erstaunt an und schließlich erklärte er, so viel
Geld hätte er nicht in seiner Kasse, mir auf das Goldstück
herauszugeben. Dann rief er einige benachbarte Kaufleute,
und sie alle krugen nun eine große Menge Banknoten zu-
sammen, die sie mir für meine Münze einhändigten, — es
waren so viele, daß ich sie kaum in den großen Taschen
meines Wanderrocks unterbringen konnte. Die Leute sahen
mich dabei so neugierig an, daß icb froh war, weiter gehn

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