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Besonderer Neiz - „Na, Emil, hier möchl' jch nich'

angeln, ich bin lieber allein dabei " — „Äall du eine Ahnung! Das isl
ja grad das Feine, wenn man mal der Konkurrenz was wegschnappt."

Die Mäusejagd Vo„F. Kah»

Es ist nicht gut, wenn zu viele Leute bei-
sammcn wohnen. Iedes Ereignis im Schoße
einer großen Familie passiert eine Menge
Phantasiezentren, und so werden kleine Keiter
kciten schließlich ausgesprochene Freudenfeste
und das Mißvergnügen eines Einzelnen An°
laß zu umfaffenden Trauerkundgebungen.

Als die Köchin Paula eines graucn Mor-
gens ihren linken Schlappschuh angeknappert
fand, ohne behaupten zu können, daß der Waldl
solchcs getan habe, sprach sie der Mama gegen-
über einc Verinutung aus Die Mama sagte
dem Papa bereits bestimmt: „Wir haben eine
Maus!" die Kinder hattcn gelauscht und
schrieen: „Wir habcn Mäuse!" Die Tante Ida
kreischte entsehk: „Ratten, Ratten!" stnd dcr
Onkel Ignaz, der das Turmstübchen bewohnt,
grunzte resigniert: „Das kommt davon, wenn
man in seuchten Kelleriöchern hausen muß!"

Am Miltag des gleichen Tages hatte sich
bcrcits aller das bestimmte Gefühl bemächtigt,
daß die Katakombcn des alten Nom Prunk
gemächer gcwesen, gcgenüber dem Raitenschloß.
in deih zu wohnen wir gezwungcn seien. (stm
ehrlich zu sein — ich wage nicht zu behaupten,
daß auch der Köchin Paula gerade die Kata-
komben als Vergleichsmoment gegenwärtig ge-
wescn sind.) Da wir aber alle Leute mit aus-
gesprochener Initialive sind, die, ohne viel
Worte zu machen, erkannte Aebel bei der Wurzel packen,
so konnte es passieren, daß am Abend jeder ein Paket auf
dcn Tisch des Lauses lcgte — und jedes enthielt Maus-
sallen, Maussallen und ivieder Mausfallen, im ganzen
32 Siück.

Die Einförmigkeit der Idee gewann Abwechslung da-
durch, daß jeder sich eine andere Art von Fallen hatte an
preisen lassen und nun begcistert die Vorzüge seiner Waffe
lobte. Die Mama hatte ein Dutzend von der guten alten
Sorte gekauft, mit der Klapptüre, die hinter der eingetre-
tenen Maus zufällt, wie die Fegefeuerpfortc hinter der
armen Seel. Mehr Interesse erregte cin Mechanismus, den
der Papa in fünfzehn Exemplaren gebracht hatle. Draht-
schlinge auf schwankem Brett, die auch cine kräftige Maus,
sobald sie auf das Brettchen tritt. schonungslos zuklappend
zu erschlagen versprach. Diese Maschine erwics sich als
ebcnso sinnreich wie erfolgverheißend, nachdem die Köchin
Paula sosort sämtliche fünf Finger der rechten löand ein-
gcklemmt hatte und erheblich verletzt war.

Tante Ida hatte eine sogenannte Familienfalle gebracht.
Dieselbe kann nakürlich auch von allcinstehenden Äerren und
Damen benüht wsrden und vcrdankt ihren Namen dem
Llinstand, daß eine ganze Mänsefamilie in ihr gefangen
werden kann, vorausgesetzt, daß diese Familie vollzählig
dahinein kriecht, wo der Lersteller der Falle zu diesem Zwecke
das Loch gelasscn hat.

Onkel Ignaz liebt nicht ausgetretcne Pfade. Er hatte
bei cinem befreundeten Eifinder einige von diesem erdachte
äußerst kunstvolle Modelle erstanden, deren Wirkung er nun
bcredt erklärte. Die Maus mußte durch eine bestimmte, schwer
auffinvbare Oeffnung eintreten, dann eine kleiue Treppe
cmporsteigen, darnach, dem aufzuhängenden Speck folgend,
über eine schinale Leiste balancieren, am Ende derselben mit
Wendung nach rechts eine kleine Falltüre passieren und
plumpste dann, wenn sie hinter der Falltüre auf das richtigc

Brettchen trat und dadurch eine Bleikugel auslöste, die ihr
auf den s?opf fallen sollte, wahrscheinlich betäubt in einen
angebauten Wasserbehälter.

Papa hielt es nicht für unmöglich. daß ein geduldigcr
Dompteur auch Mäuse so dressieren könnte, daß ste alles
das tätcn. was für den Erfolg dieser Falle nötig sci. Er
sah nur nicht ein, warum man sich mit einer Maus so vicl
Mühe geben solle, wenn ste bei Ablegung ihrer Reifeprüfung
doch umkommen müsse.

Onkcl Ignaz war beleidigt.

Aus der Küche brenzelte der Duft angebrannten Fleisches.
Es war die Wochenration für uns allc, die von Paula zum
Zweck des Mäusefangs geröstet wurde. Wir entsagten im
Linblick auf das große Ziel. Dann beiprachen wir die Ver
teilung der Fallen. Die Tante Ida wollte alle in ihrem
Zimmer aufgestellt haben, weil diescs der erklärte Tummel-
platz der unheimlichen Biester sci. Onkel Ignaz plaidierte für
sein Kellerloch im vierten Stock. Papa verteilte unpartciisch.

Ein Wohnungsgrundriß wurde aufgerollt und auf die
sem nach Einzeichnung sümtlicher Möbel, mit Ausnahme der
Biloer und Nippfiguren, ein Situationsplan hergestellt, aus
dem sich ergab, wo und ivie die Mordwerkzeuge unserer
Sache untergebracht seien. Die Aufstellung erfolgte unter
peinlicher Beobachtung aller dnrch die Natur der einzelnen
Fälle bedingten Vorsichtsmaßregeln.

Abgesehcn davon, daß dem Onkel Ignaz der Zwicker
in das Wasscrreservoir der einen seiner komplizierten Mord-
maschinen fiel, aus dem er erst nach Abmonticrung des
ganzen Apparates wieder geholt werdcn kann, passierte da-
bei nichts, wenn man davon absieht, daß die Paula unter
bedeutendem Kreischen nun auch noch vier Finger der linken
Land unter eine heimtückische Drahtschlinge brachte, so daß
sie die nächste Zeit eigentlich nur den linken Daumen schmerz-
los bewegen kann. Mit diesem allein vermag sie aber un
möglich die ganze Lausarbeit zu tun.

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