Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mißtrauen — „So ost ich Abends in eine Sitzung

muß, behauptest du Migräne zu haben."
— „Bitte! — Meine Migräne ist so echt
wie deine Sitzung."

Die schwarze Katze Von Alice WeiH v. RuckkescheU

!lnd also: Wem hat nicht schon die welterschütternde
Logik von der schwarzen Katze, die wegekreuzenderweise An-
glück verheißt und verhängt, einen Tropfen Anzufriedenheit
in den ganzen Becher voll Glück geträufelt?

Pah — wir sind doch nicht so abergläubisch.

Nein — wir vielleicht nicht, wir nüchternen Verstandes-
menschen, wohl aber das Völkchen, das wir das „leichte"
nennen — das traurig-wohlgemute Komö-
diantenvölkchen nämlich; das neigt sehr zu dieser
althergebrachten Antugend.

Der große Tenor Bruno Brunoni tat
es auch.

And Bruno Brunoni hatte Pech. Denn
obwohl er es mit 45 Iahren, ohne erschütternde
Ereignisse zu einer ansehnlichen Provtnzbe-
rühmtheit gebracht hatte, ereilte ihn an der
Schwelle des 46sten sein Schicksal.

Bruno Brunoni kam nach Königsberg
und heiratete.

Pst — schöne Leserin, — ausreden lassen!
und mietete eine Villa in den Lufen und damit
einen Nachbarn, der — o Schreck! — eine
schwarze Katze besaß! Diese Katze war kohl-
schwarz, bildschön und hieß Laura.

Aber die junge Frau Brunoni hieß auch
so, d. h. eigentlich hieß sie ganz anders. Sie
hieß Rieke Mullaczek und stammte aus der
Gegend von Gumbinnen, wo dies ja möglich
sein kann; aber als Chorsopran am Stadt-
theater zu Königsberg kann man sich doch nicht
Riekchen Mullaczeck,odergarRiekchen Brunoni
nennen.

So hieß sie eben stilgemäß Laura Brunoni.

Der erste Schritt zum Verhängnis. Aber
es kommt noch ganz anders.

Frau Laura ahnte nämlich nichts von ihres
Gatken Aberglauben.

Ieden Morgen vor der Probe lockte sie
ihre Namensgenossin, die sich am Megrand
180

sonnte, zu sich, um ihr das warme, glänzende
Fell zu streicheln.

Ieden Morgen geriet Bruno Brunoni
außer sich.

Zwar kam Laura der Lockenden immer
nur bis zur Lälfte der Straße entgegen und
trollte stch nach huldvollst hingenommener Lieb-
kosung auf demselben Wege, den sie gekommen,
wieder zu ihrem Sonnenplatze, aber Bruno
Brunoni schwur heilige Schwüre, sie werde
einmal über den Weg laufen, und das Anglück,
das daraus entstehe, sei dann nicht auszudenken.
Frau Laura lachte ihn herzhaft aus.

And überhaupt mache ihn der Anblick der
schwarzen Katze schon nervös.

Frau Laura lachte wieder.

Er murmelte etwas von „Verdammt" und
„Laura", und da fühlte sich die junge Frau
gekränkt und verbat sich solche Ausdrücke im
Zusammenhang mit ihrem Namen.

Sie gingen schweigend neben einander her
und versöhnten sich erst mittags beim Wein
im „Blutgericht", als sie zugab, daß Laura
wirklich an diesem ersten Streite schuld war.
Es blieb nicht bei diesem ersten Streite,
und Laura war nicht immer schuld; wenigstens nichl die
Katze Laura.

So wurde es mählich Frühling, und die Zeit der hellen
warmen Tage kam, die der Menschen Lerzen weich und
sehnsüchtig stimmen. And die sanften sternhellen Nächte
kamen, wo es die Lebewesen allesamt ins Frcie lockt, um
auf lauschige» Wegen stillverschwiegen das Wiedererwachen
der Natur mitzufeiern.

— „Dolle Sache mit Polkwitz, was? Gestern plötzlich verrückt geworden."

— „Plötzlich? Nee, mein Lieber, — die falschen Wechsel hat er schon
vor drei Monaten gemacht."
 
Annotationen