Edelmann 7Z7
Schuyleuten mit wichtigen
Mienen legte sich meiner Lilfs-
bereitschaft hindernd in den
Weg, Ein Wachtmeister senkte
seinen Arm wie eine Bahn-
sperre quer über den Fahr-
damm. Das Auge des Gesetzes
durchforschte mich kritisch und
kroch in alle Falten meiner
Seele.
„Edel sei der Mensch, hilf-
reich und gutl" sagte ich fast
unbewusit.
Darauf der Wachtmeister:
„Es ist gut! Kaczmarek, lassen
Sie den Lerrn passierenl"
Ich ging hindurch. Die
Strasie war wie ausgestorben.
Alle Läden heruntergelassen.
Bei Nr. 15 angelangt, hörte
ich einen wüsten Lärm. Als
ich an die Laustür von Nr. 17
kam, trat mir eine verschüchterte
Frau entgegen.
„Gott sei Dank, daß Sie
kommen! Ich sehe es Ihnen
an, daß Sie der edeldenlende
Lerr sind. Lioffentlich verstehen
Sie etwas von dem Mecha-
nismus! Mein Gott, wie haben wir auf Sie gewartet!
Seit heute früh um acht stehe ich hier an der Tür und
warte. O hören Sie nur," — gerade ertönte ein ohren-
betäubender Schlag im Laus — „es zerreitzt mir noch die
Nerven. Ach, wenn nur mein Sohn zu Lause wäre, dann
würden wir ihn gleich vor die Türe setzen. Aber der ist
jetzt verreist, wiffen Sie, in Wolle nach der Schweiz.
Ogottogott, das Laus stürzt noch zusammen! And ich
werde nie wieder vermieten können, wer zieht denn da
noch zu mir? And dabei hat er schon zwei Iahre bei mir
gewohnt und war immer so solide — —!" Es handelte
sich offenbar um einen Zimmerherrn.
„Was fehlt denn Ihrem Mieter, gute Frau?" fragte ich.
„Er hat sich ein Bett gekauft!" Ich begriff nicht.
„Aber ich bitte Sie," sagte ich ärgerlich, „deswegen macht
man doch nicht solchen Lärm, deswegen setzt man doch nicht
einen Lilfeschrei in die Zeitung, deswegen wird doch keine
Straße polizeilich abgesperrt!"
„Ia, mein lieber Lerr, es ist ein Verwandlungsbett!"
Ich stürzte die Treppe hinauf, zehn Stufen auf einmal
nehmend. Mir ahnte fürchterliches. Ein tolles Brüllen und
Schlagen leitete mich richtig in die zweite Etage, die Tür
stand offen. Da stand Edelmann 737 in einer bejammerns-
werten Verfassung vor einer wütend aufgerichteten Bestie,
auf die er mit einer Lundepeitsche wie rasend einschlug.
Rauhe Kehllaute der Wut und der Erschöpfung keuchten
aus seinem Munde hervor.
Er traf natürlich mit jedem Schlag eine verborgene
Feder. Aber ich konnte ihn jetzt schon so gut verstehen.
Was mochte er unter der Leimtücke dieses Verwandlungs-
möbels gc.rtten habenl Gerade, als ich ihm in den Arm
fallen wollte, schnurrte die aufgerichtete Bestie zusammen,
rollte sich schlangengleich auf und fuhr wie ein Dolch
'-t- 'oie Decke. Anten spreizten sich nach allen Richtungen
Arme aus, deren einer mir
zwei Vorderzähne einschlug.
Das Verwandlungsbett hatte
„Dekor Rr. 19" angenommen
und sich in einen Kronleuchter
verwandelt. Edelmann737 ließ
die Lundspeitsche spielen. So
hatte ich es nur ihm zu ver-
danken, daß mir das eben als
Eisschrank von der Decke her-
untersausende Möbel die linke
Schulter total zerquetschte.
Ich trat vor Wut blind
mit aller Kraft den Eisschrank
vor den Bauch. Lätte ich es
nicht getan, dann brauchte ich
nicht noch heute an einem
Stocke zu gehen, denn dieser
Tritt war auf Feder Nr. 23
gekommen und das entsetzliche
Möbelstück entfaltete sich mit
ungeahnler Vehemenz und
unter durchdringendem Knir-
schen zur Chaiselongue und
zerbrach mir die Kniescheibe.
Edelmann 737 war fast
ohnmächtig »eben mir nieder-
gesunken. Da verließ mich
alle Aeberlegung. Ich drückte
ihm eine Browning in die
Land, nahm selbst die andre, und so verschoffen wir zwei
Iammergestalten eng aneinander geschmiegt 120 Patronen
auf das Verwandlungstier. Wir lösten neue Federn aus:
bald sprang es als Biedermeiersekretär, bald als Bechstein-
flügel auf uns los. Es wehrte sich verzweifelt. Es hüpste
als Bilderrahmen an die Wand und ließ sich als Büffett
von da auf uns herabfallen. Es drohte uns als Perser-
teppich zu ersticken und saugte uns als Dakuumapparat alle
Kleider vom Leib. Ganz zuletzt noch schnitt es als Garten-
schere meinem Edelmann die große Zehe ab. Aber wir
— „Ietzt werden's fünf Iahre, Fräulein, daß ich
Blumen bei Ihnen kaufe. Nun, bin ich nicht treu?"
— „O, Lerr Doktor, ich weiß doch nicht, ob Sie die
Blumen immer für dieselbe Dame gekauft haben."
— „Ia, liebe Frau Bahlke, mein Fido versteht alles, was
ich sage. O, stundenlang unterhalte ich mich manchmal
mit ihml"
- „Wirklich? Na, wenn derLundwieder erzählen könnte!"
197
Schuyleuten mit wichtigen
Mienen legte sich meiner Lilfs-
bereitschaft hindernd in den
Weg, Ein Wachtmeister senkte
seinen Arm wie eine Bahn-
sperre quer über den Fahr-
damm. Das Auge des Gesetzes
durchforschte mich kritisch und
kroch in alle Falten meiner
Seele.
„Edel sei der Mensch, hilf-
reich und gutl" sagte ich fast
unbewusit.
Darauf der Wachtmeister:
„Es ist gut! Kaczmarek, lassen
Sie den Lerrn passierenl"
Ich ging hindurch. Die
Strasie war wie ausgestorben.
Alle Läden heruntergelassen.
Bei Nr. 15 angelangt, hörte
ich einen wüsten Lärm. Als
ich an die Laustür von Nr. 17
kam, trat mir eine verschüchterte
Frau entgegen.
„Gott sei Dank, daß Sie
kommen! Ich sehe es Ihnen
an, daß Sie der edeldenlende
Lerr sind. Lioffentlich verstehen
Sie etwas von dem Mecha-
nismus! Mein Gott, wie haben wir auf Sie gewartet!
Seit heute früh um acht stehe ich hier an der Tür und
warte. O hören Sie nur," — gerade ertönte ein ohren-
betäubender Schlag im Laus — „es zerreitzt mir noch die
Nerven. Ach, wenn nur mein Sohn zu Lause wäre, dann
würden wir ihn gleich vor die Türe setzen. Aber der ist
jetzt verreist, wiffen Sie, in Wolle nach der Schweiz.
Ogottogott, das Laus stürzt noch zusammen! And ich
werde nie wieder vermieten können, wer zieht denn da
noch zu mir? And dabei hat er schon zwei Iahre bei mir
gewohnt und war immer so solide — —!" Es handelte
sich offenbar um einen Zimmerherrn.
„Was fehlt denn Ihrem Mieter, gute Frau?" fragte ich.
„Er hat sich ein Bett gekauft!" Ich begriff nicht.
„Aber ich bitte Sie," sagte ich ärgerlich, „deswegen macht
man doch nicht solchen Lärm, deswegen setzt man doch nicht
einen Lilfeschrei in die Zeitung, deswegen wird doch keine
Straße polizeilich abgesperrt!"
„Ia, mein lieber Lerr, es ist ein Verwandlungsbett!"
Ich stürzte die Treppe hinauf, zehn Stufen auf einmal
nehmend. Mir ahnte fürchterliches. Ein tolles Brüllen und
Schlagen leitete mich richtig in die zweite Etage, die Tür
stand offen. Da stand Edelmann 737 in einer bejammerns-
werten Verfassung vor einer wütend aufgerichteten Bestie,
auf die er mit einer Lundepeitsche wie rasend einschlug.
Rauhe Kehllaute der Wut und der Erschöpfung keuchten
aus seinem Munde hervor.
Er traf natürlich mit jedem Schlag eine verborgene
Feder. Aber ich konnte ihn jetzt schon so gut verstehen.
Was mochte er unter der Leimtücke dieses Verwandlungs-
möbels gc.rtten habenl Gerade, als ich ihm in den Arm
fallen wollte, schnurrte die aufgerichtete Bestie zusammen,
rollte sich schlangengleich auf und fuhr wie ein Dolch
'-t- 'oie Decke. Anten spreizten sich nach allen Richtungen
Arme aus, deren einer mir
zwei Vorderzähne einschlug.
Das Verwandlungsbett hatte
„Dekor Rr. 19" angenommen
und sich in einen Kronleuchter
verwandelt. Edelmann737 ließ
die Lundspeitsche spielen. So
hatte ich es nur ihm zu ver-
danken, daß mir das eben als
Eisschrank von der Decke her-
untersausende Möbel die linke
Schulter total zerquetschte.
Ich trat vor Wut blind
mit aller Kraft den Eisschrank
vor den Bauch. Lätte ich es
nicht getan, dann brauchte ich
nicht noch heute an einem
Stocke zu gehen, denn dieser
Tritt war auf Feder Nr. 23
gekommen und das entsetzliche
Möbelstück entfaltete sich mit
ungeahnler Vehemenz und
unter durchdringendem Knir-
schen zur Chaiselongue und
zerbrach mir die Kniescheibe.
Edelmann 737 war fast
ohnmächtig »eben mir nieder-
gesunken. Da verließ mich
alle Aeberlegung. Ich drückte
ihm eine Browning in die
Land, nahm selbst die andre, und so verschoffen wir zwei
Iammergestalten eng aneinander geschmiegt 120 Patronen
auf das Verwandlungstier. Wir lösten neue Federn aus:
bald sprang es als Biedermeiersekretär, bald als Bechstein-
flügel auf uns los. Es wehrte sich verzweifelt. Es hüpste
als Bilderrahmen an die Wand und ließ sich als Büffett
von da auf uns herabfallen. Es drohte uns als Perser-
teppich zu ersticken und saugte uns als Dakuumapparat alle
Kleider vom Leib. Ganz zuletzt noch schnitt es als Garten-
schere meinem Edelmann die große Zehe ab. Aber wir
— „Ietzt werden's fünf Iahre, Fräulein, daß ich
Blumen bei Ihnen kaufe. Nun, bin ich nicht treu?"
— „O, Lerr Doktor, ich weiß doch nicht, ob Sie die
Blumen immer für dieselbe Dame gekauft haben."
— „Ia, liebe Frau Bahlke, mein Fido versteht alles, was
ich sage. O, stundenlang unterhalte ich mich manchmal
mit ihml"
- „Wirklich? Na, wenn derLundwieder erzählen könnte!"
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