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Die Diagnose

Doktor Strubel wiegte das Laupt. „Nun,
— wir Aerzte neigen wohl immer etwas zum
Oplimismus. Besonders bei Patienten, die
uns sympathisch sind. Sehen Sie: da liegt nun
jemand, den wir seit Iahren kennen und schätzen,
und ist krank, und da wünscht man natürlich,
daß der Fall keine weiteren Komplikationen
bringen, sondern recht leicht verlaufen möge.
Das ist doch ein rechtbegreiflicherOptimismus."

„So, so," sagte Klieschow. „Sagen Sie mal,
Lerr Doktor: bin ich Ihnen sympathisch?"

„O, welche Frage, — aber durchaus! Nun,
das wiffen Sie doch, mein lieber §>err Klieschow."

Klieschow überlegte eine Weile. Dann
richtete er sich im Bette auf. „Ietzt passen Sie
mal auf, Lerr Doktorl Sie sind ein ganz
niederträchliger Kerl! Sie sind mir überaus
unangenehm. Außerdem sind Ihre Rechnungen
immer viel zu hoch. Ich wünschte, der Deiwel

sollte Sie mal hole»!-So, und nun haben

Sie die Güte, mich noch einmal ganz genau
zu untersuchen und Ihre Diagnose zu slellen!"

—on.

Gast: „Die Mrginia, die Sie mir gebracht
haben, die müssen's mir austauschen,... schaun
Sie nur, da hat sie a Loch, da eins u»d unten
eins, das ist ja die reinste — Flöte!"

— „Wie kommen Sie dazu, für eine Ente hundertfünfzig Mark zu verlangen?"

— „Det is doch billig! 's zoolog'sche Museum hat jestern for 'nen Kolibri
dreihundert jezahlt!"

Quecksilber Von Frly MLller

Meine Großmutter sagte: „Vub, du hast Quecksilber
im Gesäß." Das ließ mir keine Ruhe. Ich paßte scharf
auf. Aber ich brachte es nicht heraus, das Queckstlber.

In der Schule machte der Lehrer den ersten chemischen
Versuch. Er erhitzte rotes Pulver. Sauerstoff stieg auf.
Silbrig quoll ein Rückstand tropfenweise durch das Pulver,
schlug ping päng metallisch auf: Quecksilber.

Das gewann mich für die Chemie. Ich weiß heute noch
nach dreißig Iahren das kabbalistische Zeichen für Quecksilber,
big, weiß sein spezifisches Gewicht, weiß sein Atomgewicht —
wer weiß es mit?

Dann war ein Brett da. Quecksilber wurde angepreßt.
Durch die Bretterporen sprühte Silberregen auf ein Tuch.

— „Der Mann liest jrade, was die Entente uns alles wegnehmen will.
Na, da wird es ihm ja auf seine Brieftasche auch nich' ankommen."

Ein neues Licht ging auf: Nichts Festes in der Welt, was
nicht doch geheime Löcher hätte.

Später sagte jemand: Wenn man eine Badewanne
hätte, und wenn man soviel Queckstlber zusammenscharren
könnte, um ste ganz zu füllen, und wenn die Lausfrau nichts
dagegen hätte, und wenn die Wanne standhielte, und wenn
der Fußboden nicht durchbräche, und wenn man ein Queck-
silberbad nähme, so könnte man, man mag sich anstellen wie
man will, nicht tiefer hineintauchen, als bis zu einem Mer-
zehntel seines Körpers. blntergehen sei unmöglich, und mit
knapp eingetauchtem Gesäß könne man in solchem Bade
rutschen, sozusagen schlittschuhfahren.

Die Vorstellung war überwältigend. Sie wurde mein
Traum: Soweit, wenn du's einmal brächtest ... Noch fehlte
freilich alles. Aber die Badewanne bekam ich nach und
Nach. Rach zwanzig Iahren schuften hätte
es auch fürs quecksilberne Bad gelangt. Auch
die Zementgußplatte gegen Durchbruch war be-
schaffbar. Da versagte das letzte Wenn: Die
Lausfrau litt es nicht. And bis ich eine andre
Lausfrau hatte — eine, die es litt — brach der
Krieg aus. Quecksilber ging ums fünszehnfache
in die Löhe, Bretter zwanzigfach, Zement wurde
unerschwinglich, vonBadewannen nichtzu reden.
Was man in der Iugend erfehnt, wird einem
im Alter versalzen.

Dennoch hab' ich mir ein Stück blg er-
gattert. Es hängt an der Wand und zeigt das
Wetter an. Oder zeigt es nicht an. Es hängt
vom guten Willen ab. Dem guten Willen des
iüg und dem guten Wetterwillen. Einmal lieh
ich's in der Ernte einem Bauern, wo ich
wohnte. Er hat's im Rucksack auf das Feld

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