1-^
Vorbildung — „Sie haben 's aber gut getroffe», Frau, — gleich haben sie genug
Gewichte drausgestellt."
— „Freilich, Lerr. Das hab' ich schon im Gefühl, — mein Mann selig
war auf 'm Schlachthos; da hab' ich immer die Schwein' gewogen."
Der König langweilt sich Rokoko-Rovelle von I. Frank
Ludwig XV. langweilte sich, langweilte sich wahrhaft
königlich. Wenn man schon einmal König war, wollte ma»
stch doch amüsieren! Für eine» Köuig sollte das Leben Lust
sein, ewige Lust! O dieser trübselige Lof von Versailles
mit seiner steifen, eintöni-
gen Etikette, die das Leben
auf Tage, Monate, Iahre
im Voraus regelte, die
einen» König vorschrieb,
wann er aufstehen, wann
cr zu Bette gehen, wie er
sein Nachthemd an- und
ausziehen sollte, wie er
heute seine Perücke zu tra-
gen, wie er die Land
zu halten hatte, wenn er
grüßte, wie er die Finger
spreizen svllte, wenn er
schnupfte. O, dieses lächer-
liche Programm, dieser
törichte Stundenplan töten-
der Langweile! And dann
diese ewige Regiererei!
Wenn man den König
wenigstens damit verscho-
nen wollte! Für was hatte
er denn die Marquise Pom-
padour, für was seinen
Minister Choiseul! Die
mochten regieren, soviel sie
wollten! Was kümmerte
es ihn, den König? Sollte
sich ein König damit be-
schäftigen, welchem Nach-
barn man gerade ein paar
reiche Städte rauben, ein
fettes Stückchen Land weg-
stipizen wollte? Dafür
waren doch die Minister
da. Die mußten doch wissen,
52
Erfüllung — „Gestern erst hab' ich von dem Kerl, dem
Zempinskh, gesagt, daß ich ihm alles Böse gönne, und heute
schon hat er mit meiner verflossenen Braut angebandelt."
mit wem ein lustiger Krieg sich
augenblicklich lohnen konnte. Aeber-
haupt Politik, war das eine Be-
schäftignng für einen König?
Brauchte ein König überhaupt
Beschäftigung wie ein Maurer-
geselle? Nein, ein König mutz
sich frei wiffen von all demSorgen-
kram banaler Alltäglichkeit, muß
nur Lust und Lachen und Froh-
laune um sich sehen! Die Zeit
ist für einen König da, daß sie
mit Lachen verjagt werde, das
Leben ist für einen König da, daß
es in schäumender Lust, in rau-
schender Wonne vergehe. Das
Leben muß einem König nichts
anderes sein als ein Spaß von
majestätischer Laune!
And Ludwig sinnt auf diesen
Spaß, auf dieses jagende, wech-
selnde und doch ewig dauernde
Vergnügen. Er spaziert allein
durch die Straßen von Paris. Ah, wie wohl tut es, wie
sein eigener simpler Antertan sich ergehen zu können! Er
steht vor dem Postamt. Ein niedliches, junges Ding, so
frisch und keck, springt eben mit einem Brief hinein. Der
König hat sie gerne, die niedlichen, jungen Dinger, es macht
ihm viel Spaß, so zierliche Antertänchen zu haben! Sie
vertraut sicher eine so kleine
Lerzchensgeschichte der
Post an, der ernsten könig-
lichen Post, weil sie weiß,
daß dort alle Lerzensge-
heimnisse gut geborgen sind.
Aber wäre es nicht hübsch,
zu wissen, wasdas Dingchen
schrieb, an wen sie schrieb,
wer ihr Schatz ist? Für
einen König darf es doch
in seinem Reich keine Ge-
heimnisse gebe»! Er wird
doch wissen diirfen, mit
wem das niedliche Dingchen
korrespondieret! Er tritt
ein, und die Beamten die-
nern nieder zur Erde.
„Was befehlen Majestät?"
„Postmeister, wo ist der
Vrief, den das junge Frau-
enzimmer eben brachte?"
Man sucht, kramt, reicht
ihn dem König. „Das
Frauenzimmerchen muß
lustige Sachen geschrieben
haben, so lustig, wie sie
selber ist!" And er erbricht
denBrief, er lachl: „Schar-
mant schreibt die Kleine,
scharmant, anihrenLiebsten
natürlich, Postmeisterl An
wen soll so ein Dingchen
auchsonst schreiben könne»?
Geben Sie mir Tinte und
Fcrtschmig auf Snte b4
Vorbildung — „Sie haben 's aber gut getroffe», Frau, — gleich haben sie genug
Gewichte drausgestellt."
— „Freilich, Lerr. Das hab' ich schon im Gefühl, — mein Mann selig
war auf 'm Schlachthos; da hab' ich immer die Schwein' gewogen."
Der König langweilt sich Rokoko-Rovelle von I. Frank
Ludwig XV. langweilte sich, langweilte sich wahrhaft
königlich. Wenn man schon einmal König war, wollte ma»
stch doch amüsieren! Für eine» Köuig sollte das Leben Lust
sein, ewige Lust! O dieser trübselige Lof von Versailles
mit seiner steifen, eintöni-
gen Etikette, die das Leben
auf Tage, Monate, Iahre
im Voraus regelte, die
einen» König vorschrieb,
wann er aufstehen, wann
cr zu Bette gehen, wie er
sein Nachthemd an- und
ausziehen sollte, wie er
heute seine Perücke zu tra-
gen, wie er die Land
zu halten hatte, wenn er
grüßte, wie er die Finger
spreizen svllte, wenn er
schnupfte. O, dieses lächer-
liche Programm, dieser
törichte Stundenplan töten-
der Langweile! And dann
diese ewige Regiererei!
Wenn man den König
wenigstens damit verscho-
nen wollte! Für was hatte
er denn die Marquise Pom-
padour, für was seinen
Minister Choiseul! Die
mochten regieren, soviel sie
wollten! Was kümmerte
es ihn, den König? Sollte
sich ein König damit be-
schäftigen, welchem Nach-
barn man gerade ein paar
reiche Städte rauben, ein
fettes Stückchen Land weg-
stipizen wollte? Dafür
waren doch die Minister
da. Die mußten doch wissen,
52
Erfüllung — „Gestern erst hab' ich von dem Kerl, dem
Zempinskh, gesagt, daß ich ihm alles Böse gönne, und heute
schon hat er mit meiner verflossenen Braut angebandelt."
mit wem ein lustiger Krieg sich
augenblicklich lohnen konnte. Aeber-
haupt Politik, war das eine Be-
schäftignng für einen König?
Brauchte ein König überhaupt
Beschäftigung wie ein Maurer-
geselle? Nein, ein König mutz
sich frei wiffen von all demSorgen-
kram banaler Alltäglichkeit, muß
nur Lust und Lachen und Froh-
laune um sich sehen! Die Zeit
ist für einen König da, daß sie
mit Lachen verjagt werde, das
Leben ist für einen König da, daß
es in schäumender Lust, in rau-
schender Wonne vergehe. Das
Leben muß einem König nichts
anderes sein als ein Spaß von
majestätischer Laune!
And Ludwig sinnt auf diesen
Spaß, auf dieses jagende, wech-
selnde und doch ewig dauernde
Vergnügen. Er spaziert allein
durch die Straßen von Paris. Ah, wie wohl tut es, wie
sein eigener simpler Antertan sich ergehen zu können! Er
steht vor dem Postamt. Ein niedliches, junges Ding, so
frisch und keck, springt eben mit einem Brief hinein. Der
König hat sie gerne, die niedlichen, jungen Dinger, es macht
ihm viel Spaß, so zierliche Antertänchen zu haben! Sie
vertraut sicher eine so kleine
Lerzchensgeschichte der
Post an, der ernsten könig-
lichen Post, weil sie weiß,
daß dort alle Lerzensge-
heimnisse gut geborgen sind.
Aber wäre es nicht hübsch,
zu wissen, wasdas Dingchen
schrieb, an wen sie schrieb,
wer ihr Schatz ist? Für
einen König darf es doch
in seinem Reich keine Ge-
heimnisse gebe»! Er wird
doch wissen diirfen, mit
wem das niedliche Dingchen
korrespondieret! Er tritt
ein, und die Beamten die-
nern nieder zur Erde.
„Was befehlen Majestät?"
„Postmeister, wo ist der
Vrief, den das junge Frau-
enzimmer eben brachte?"
Man sucht, kramt, reicht
ihn dem König. „Das
Frauenzimmerchen muß
lustige Sachen geschrieben
haben, so lustig, wie sie
selber ist!" And er erbricht
denBrief, er lachl: „Schar-
mant schreibt die Kleine,
scharmant, anihrenLiebsten
natürlich, Postmeisterl An
wen soll so ein Dingchen
auchsonst schreiben könne»?
Geben Sie mir Tinte und
Fcrtschmig auf Snte b4