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— „Ich hab' dir ja immer gesagt, Bertha: ein Theaterabonnement lohnt sich nur fiir
Leute, die größere Kinder haben, — die kann man dann zu den klassischen Sachen schicken."

Der König langweilt fich

der würde es doch aüch eine außerordentliche Gnade sein,
von ihres Königs höchsteigener Land — bedenken Sie,
Postmeister! — einen Liebesbriefzu erhalten? And dem Vater
wär' es doch keine geringere Ehre? Nicht, Postmeister?"

Der Postmeister erstirbt in allerdemütigsten Knicksen.
Der König schreibt dem niedlichen Frauenzimmer einen
langen lustigen Brief, voll launiger Sottisen, und ihrem
fernen Lieben schreibt er auch einen, einen — Abschiedsbrief.
Es macht ihm Spaß zu denken, wie der arme Iunge weinen
wird, weil sein Liebchen ihm abgeschrieben. Aber warum
sollen die Antertanen nicht weinen und leiden, wenn ihr
König dran seinen königlichen Spaß hat! And nun kommt
er öfter zur Post, sieht nach, ob nicht des genarrten Ding-
chens Antwort da ist. And amüsiert stch unterdefsen damit,
der biederen Pariser Spießer Korrespondenz etwas durch-
zustöbern. Was die Leute alles für Sorgen haben, just
Sorgen, damit ein König, wenn ihn gerade die Langweile
plagt, sich dran ergötzen kann. Doch ewig Briefe auffangen,
ewig ein dummes Mädchen narren, ist kein Spatz. Ein
Spaß ist nur Spaß, wenn er rasch vorüberjagt wie ein
lustiges Sommerwölkchen! Also auf zu neuem Amüsement!
Der alte Spaß ist tot, es lebe der neue!

Diable, sollte es auf dieser Welt nichts mehr geben,
was einen König amüsieren könnte? Er überlegt, überlegt
angestrengt, nichts ist so anstrengend, als ein neues Ver-
gnügen auszudenken! Er hat 's! Neulich war er doch in
der Gobelin-Manufaktur und sah, wie man Wandteppiche
webte. Warum sollte er nicht auch einmal Teppiche weben?
Sollten nur die dummen Webergesellen dazu imstande sein?

Nein, ein König kann alles, wenn er will, das sagen ihm
doch seine Minister und Löflinge jeden Tag. Er braucht
also nur zu wollen. !lnd er will! Noch nie hat er so ernst
gewollt, seit er König ist! Er ruft den Lofmarschall: „Morgen
will ich weben!"

„Majestät wollen, wol... wollen we .. we .. weben!
Aber, verzeihen Majestät, das ist doch, verzeihen Majestät
den kühnen Ausdruck, un .. unmöglich! Bedenken Majestät
Ihre zarten Lände, diese zartesten Lände des Weltalls
sollen am Webstuhl, unmöglich, Majestät! And dann gibt
es noch keine Etikette, die für Majestät die Zeremonien des
Webens regeln würde. ."

„Was schert mich eure langweilige Etikette, Marschall!
An der hab' ich das ganze Iahr genug! Wenn ich einmal
weben will, so webe ich ohne jedes Zeremoniell! Verstanden,
Marschall! Morgen früh punkt neun Ahr webe ich, hier
in meinem Appartement! Schaffen Sie einen Webstuhl!
Es hat Eile! Ich will einen Gobelin weben, einen köstlichen
Gobelin, ein Meisterwerk, wie es die Welt noch nicht ge-
sehen hat." Der König kann kaum den morgigen Tag er-
warten, er brennt vor fieberhafter Angeduld, den Meister-
gobelin zu beginnen. Lundertmal läßt er den Lofmarschall
kommen: „Wie steht's mit dem Webstuhl? Also morgen
früh webe ich, punkt neun Ahr!"

Es ist nicht so einfach, von heut' auf morgen einen
Webstuhl zu besorgen, aber wenn der König durchaus weben
will, so muß eben ein Webstuhl her, und wenn er vom
Mond herunter geholt werden müßtel Also schnell nach
Paris gejagt, hinein in eine Weberei und einen Webstuhl
(Fortsetzung Sette 57>
 
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