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Der Könlg langweilt stch

herausgerissen! Was kümmert's, wenn der Weber poltert,
schimpst? Was kümmert's, wenn er morgen nicht weben
kann, wenn er sein Brot nicht verdient? Lauptsache ist,
daß der König seine Laune befriedigt sieht. Llnd wenn
hundert Weber dabei zugrunde gingen!

Der Webstuhl steht an seinem Platz, als punkt neun
des andern Tags der König ins Gemach tritt. And ein
Weber harrt demütig in der Ecke, dem König die Kxnid-
griffe zu zeigen. Der König setzt sich, er rückt an den
Schrauben, zieht an den Fäden, unbeholfen wie ein Kind
an einem komplizierten Spielzeug. Diable, will die Maschine
stch ihm nicht sügen, muß er, der König, ohnmächlig dran
zappeln! Wagt dieser tote Apparat, der Allmacht seiner
Laune zu trotzen? Was, er soll erst lernen, nein, lernen
gibt es für einen König nicht! Ein König kann, weil er
will! Er brllllt den armen Weber an: „Kerl, scher dich
zum Teufel! Posaune es in alle Welt hinaus, daß dein
König nicht weben konnte, als er wollte. Ia, blamiere mich
in allen Kneipen von Paris! Blamiere den löniglichen
Weber! Aber laß dich »icht erwischen, wenn du deinen
König verhöhnst, sonst laß' ich dich mit den Fäden dieses
Webstuyls da zum Schauspiel der Pariser an den Toren
der Bastille baumeln!" And zum Lofmarschall: „Linaus mit
dieser Löllenmaschine, schmeißt sie dem Weberschurken nach!"

Der König ist kuriert vom Weben. Was wird er nun
bcginnen wollen, fragt sich der arme Lofmarschall. Doch
er hat schon etwas neues ausgesonnen, ein neues königliches
Amüsement. Er wird Döschen schnitzen, hübsche Döschen,
mit graziösen Miniaturen, mit leichten, zierlichen Orna-
menten darauf. Natllrlich, er wird schnitzcn, morgen wird
er schnitzen! Er ruft dcn Äofmarschall: „Lören Sie, Mar-
schall, morgen will ich schnitzen! Dosen, Etuis, reizende
Sächelchen! Besorgen Sie mir Messer, Instrumente, alles
was ein König zum Schnitzen braucht." Der Lofmarschall
wagt kein Wort mehr von des Königs zarten Fingerchen,
er zuckt »ur ernstlich zusammen, welches tlnheil es gäbe,
wenn sich der König ohne jedes Zeremoniell in den Finger
schnitte!

Am nächsten Tag schnitzt der König, im Appartement
fliegen die Lolzspäne nur so umher! Zwei Kammerdiener
kommen kaum zu Atem in ihrer ewigen Iagd hinter jedem
fliegenden Span. Er empfängt seine Minister beim Schnitzen,
er empfängt die Marquise Pompadour beim Schniyen. Ein
König hat keine Zeit, müve zu sein, wenn er gerade eine
Tabakdose schnitzt. Er will sie für die Marquise schniyen,
die erste Tabakdose, die je ein König geschnitzt. Sie soll
schnupfen, die Marquise, ihm zu Liebe, seiner ersten Tabak-

dose zu Liebe! Er schnitzt drauf los, wild drauflos, er schneidet
stch in den königlichen Finger! Die Leibärztestürzen herbei, mit
Watte, Verbandzeug, mit Salben und Mixturen. Er lächelt
wie ein Leld, der eine ehrenhafte Wunde empfangen: „Was
tut's, mcine Äerren, ein König muß leiden können, leiden,
wenn er eine Tabakdose schnitzt."

Minister Choiseul kommt mit einer jämmerlichen Trauer-
miene, der König steht es nicht, er schnitzt doch an seiner
Tabakdose. Choiseul stammelt, stottert, es wird ihm schwer,
dem König sie zu hinterbringen, die grausame Liobspost.
Aber der König ist prächtigster Laune, die Tabakdose scheint
ja herrlich zu werden, ein königliches Meisterwerk. „Was
wünschen Sie, Lerzog," fragt er freundlich, „Sie sehen, ich
schnitze gerade eine hübsche Dose, ein allerliebstes Döschen
für die Marquise. Sie sollen auch eine haben, Lerzog. Die
ihre kommt hernach dran, der ganze Lof soll von mir Tabak-
dosen haben, der ganze Lof soll schnupfen! Sie schnupfen
doch auch, Lerzog? Doch, was möchten Sie jetzt, Lerzog?
Loffentlich keine langweile Staatsaffäre, die stört bloß,
wenn man Tabakdosen macht."

„Sire, leider ist es keine Freudennachricht, die ich bringe.
Der Preußenkönig Friedrich hat uns bei Roßbach geschlagen,
elend geschlagen, zehntausend Franzosen liegen auf der
Walstatt."

„Ach, was Sie sagen, Lerzog, ein böser Scherz, den
Sie da machen, ein böser Scherz, der gerade nicht zu meiner
Tabakdose paßt. Ich hätte gute Lust, Ihnen jetzt keine Dose
zu schnitzen, Lerzog, hi, hi, hi, aber ich bin heute ausge-
zeichneter Laune und will Sie drum den bösen Scherz
nicht entgelten lassen. So, der Preußenkönig, scheint ja
ein unangenehmer Mensch zu sein, ein ekler Kerl, daß er
mir gerade die Freude an meiner Tabakdose verderben will.
Ia, warum mußte sich die Pompadour auch gerade mit
dem in einen Krieg einlassen! Das kommt davon, Lerzog,
wenn man Politik macht! Sehen Sie, das wird mir nic
passieren bei meiner Tabakdose! Ein ekler Kerl, dieser
Preußenlönig! Er soll dafür auch keine Tabakdose haben!
L>, hi! So wahr ich Ludwig heiße, König und Dosen-
schnitzerl"

Marquise Pompadour erhält ihre Dose, MinisterChoiseul
erhält die seine, aber der Preußenkönig erhält keine, nicht
weil er ein ekler Kerl ist, sondern weil Ludwig, der könig-
liche Dosenschnitzer, das Schnitzen salt hat. Ewig Dosen
schnitzen ist kein Vergnügen für einen König. Ler mit einem
neuen Vergnügen! Ein Königreich für ein neues Amüsement!
Nicht ein, zwei, drei Königreiche gäbe er dafür! König-
reiche sind leicht zu vergeben, aber schwer ist's, ein neues
Vergnügen dafür einzutauschen, ein richtiges Vergnügen,


Hei ^.ukrLbgll ullü LsstsilunAell vvollsn Lis sisü uuk üis „ölszgeuüorler-LIüttsr" bseislisll.
 
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